Die Reise in die USA
Jonathan Fischer konzentrierte sich wieder mehr auf sein berufliches Weiterkommen. Er überlegte sich, ob er nicht eine Fortbildung zum Bankbetriebswirt oder eine theologische Laufbahn anstreben sollte. Aber bekanntlich gibt es der Herr den seinen im Schlaf. Der „Frauenschwarm“ bekam eine andere zündende Idee. Neben einigen äußerst reizvollen, neuen, zu jungen Auszubildenden, die nach den Sommerferien ihre Banklehre angefangen hatten und ihm bei den Lehrgesprächen schon unverschämt nahe auf den Leib gerückt waren, gab es eine Frau, die ihn besonders ansprach. Ausgerechnet die vermögendste A-Kundin Maria Müller sah außerordentlich gut aus und schien ihn zu mögen. In den Beratungen blickte sie ihrem vertrauenswürdigen Gegenüber oft minutenlang tief in die Augen und unterzeichnete jeden Vertrag, den er vorschlug ohne zu zögern. Das einzige Problem war, dass die vornehme Brünette eigentlich nicht seinem Vorstellungstyp entsprach. Der Zweck heiligt alle Mittel, darum begann Jonathan einen Liebesbrief zu schreiben. Der Anlass war, dass er selbst einen solchen von der klassenbesten Komm-mir-nicht-zu-Nahe-Biene mit dem netten Nachnamen Schätzle erhalten hatte. Einige literarische Schönschrift-Passagen, die aus einem Poesiealbum herrührten, konnte der angehende Schriftsteller gut übernehmen. Außerdem hatte er ja anlässlich seiner Englandreise gelernt, dass offene Zurechtweisung besser ist als versteckte Liebe. Ehrlich gesagt begann er, die heiß umworbene Firmeninhaberin immer mehr zu mögen. Erst recht bei dem Gedanken an ihr Bentley Continental Cabrio, an die Princess 66-Motorjacht am Genfer See und natürlich an das vor kurzem geerbte Immobilienvermögen.
Jonathan bekam den Auftrag, anlässlich ihres dreißigsten Geburtstags einen Blumenstrauß im Namen der Sandbank Denkenstadt eG zu überbringen. Von dem sein bestes gebenden neunzig jährigen Butler James durch den Sicherheitstrakt der Prachtvilla geschleust, begegnete der Geschenküberbringer dem Ministerpräsident von Bayern. Der Schwarzwälder, katholisch bürgerliche Bauernakademiker, kannte diesen Luxus schon vom SDR-SWF-VIP-Höhenhotel-Fernsehen. Die bestechend aussehende Maria Müller bot ihren Verehrern lächelnd ein Glas LVMH „La Grande Dame“ Champagner und den ersten Gang ihres Geburtstagsmenues „Froschschenkel in Knoblauchbutter“ an. Die meisten Gäste kamen erst später. Nach einem phylosophischen Smalltalk mit dem jesuitischen Kreuz-Buben über das liebe Geld bemerkte der angeblich fastende Herz-Bube Jonathan gegenüber der Trumpf-Dame: „Oh, bevor ich es vergesse, ich habe zu ihrem Geburtstag etwas für sie gedichtet.“ Er zog den rosa Brief aus seiner Sakko-Tasche und küsste verabschiedend die Hand der vielseits verehrten, vergnügten, großen und gnädigen Frau.
Was würde wohl bei dem in der kommenden Woche anberaumten Beratungsgespräch, das sie gemeinsam mit ihrem neuen Financial Consultant bei ihm führen wollte, herauskommen? Jonathan kam sich wie eine Kreuzung aus begossener Pudel mit dummer Esel vor, als der Aufsichtratsvorsitzende Karl Kempe sich als am Geburtstag frisch verlobter Vermögensverwalter vorstellte. Anhand des Gesprächverlaufs und Marias zuzwinkernden Blicken meinte der blamierte Schmarotzer zu erkennen, dass sie den schmeichelhaften, rosa-blumigen Annäherungsversuch als Geheimnis hütet. Nichts desto trotz verlor der tüchtige Banker eine Hälfte ihrer Sichteinlagen nach heftigsten Abwehrbemühungen an eine viel lichtgebende, steinreiche Landesbank, die die Knete in einen am US-Immobilienmarkt investierenden Hedgefonds ummodelte. Die verbleibende andere Hälfte wurde, wie Jonathan später aus geheimen Unterlagen erfuhr, in Eisenbahnerwohnungen investiert und für türöffnende Parteispenden verwendet. Über den smarten Burschen Karl, der gleichzeitig ein erfolgreicher Immobilienmakler war, gab es kurze Zeit später in der Presse wegen zwielichtiger Immobilien-Geschäfte mit der Scientology Sekte Gerüchte, er würde selbst zu diesem sich als Kirche bezeichnenden Verein gehören.
Jonathan erinnerte sich an die Worte „Trachte zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit“. Einen kleineren Bibelfernkurs in den USA hatte er schon erfolgreich abgeschlossen, und nun wollte er eine englischsprachige Vollzeit-Bibelschule absolvieren. Sein CVJM-Fußballfreund Tobi Veigel schwärmte immer von einem Masters-Commission-Traingsprogramm in Phönix/Arizona, das er selbst besucht hatte. Tobi erzählte, dass er für den bekannten Pastor Tommy Barnett in Stuttgart einmal ein Mitnahme-Essen vom Wienerwald besorgt hätte. Während einer Veranstaltung des Jesus-Treffs erwähnte der US-Amerikaner Barnett, dass er anstelle Spätzle mit Saitenwürstle gerne einmal ein Wiener Schnitzel mit Pommes probieren möchte, welches Veigel prompt besorgt hatte. Daraufhin hätte ihn der überraschte Gastredner eingeladen nach Phönix zu kommen. Tobi wäre dort so liebenswürdig aufgenommen worden, dass er ein Jahr lang umsonst privat untergekommen sei und im Gegenzug als Musiklehrer und im Küchendienst mitgeholfen hatte. Nun hatte Jonathan vor, die First Assemblies of God Gemeinde an Fasching, anlässlich eines Vorstellungsgesprächs zu besuchen. Jonathan verkaufte seinen Mercedes-Benz Jahreswagen, da sich auf seine Annonce in der Stuttgarter Zeitung sofort ein polnischer Goldschmied aus Pforzheim als Käufer gemeldet hatte, der nicht glücklich mit dem Wagen wurde, da er ihm schon beim ersten Heimatbesuch gestohlen wurde. Seine aus dem Fenster schauende Vermieterin konnte den Handel nicht begreifen, aber die vierhundert Meter zur Volksbank legte er sowieso immer zu Fuß zurück. Jonathan wusste, dass ein Kraftfahrzeug gerade in dem erfolgreichsten Autoerfinderland der Erde zum Götzen werden konnte, denn er schrubbte und polierte seinen blau-metallic lackierten C-Klasse Kombi mit dem blitzenden Stern-Logo wöchentlich. Die Witwe, die dieses Treiben immer beobachtet hatte bezeugte im doppelten Sinn: „Nun haben sie ihr Herzallerliebstes verloren.“
Jonathan genoss von seinem Fensterplatz aus dem Boing 747 Jumbojet heraus den herrlichen, Ehrfurcht einflößenden Ausblick auf den Grand Canjon. Er dachte sich, wenn es mit einer Engländerin nicht geklappt hat, dann wird es vielleicht eine Amerikanerin. Bobbi Zimmermann, die junge deutschstämmige Sekretärin der Bibelschule, hatte ihn stark animiert zu kommen. Sie war äußerst freundlich am Telefon und hatte ihm viele Unterlagen, die auch Photos der Mitarbeiter enthielten, zugeschickt. Natürlich würde die zuverlässige Planerin alles für ihn arrangieren, er solle sie nur im Büro aufsuchen. Um achtzehn Uhr Ortszeit war der Atlantiküberflieger mit großer Verspätung in einem gelben Taxi am Bibelschulbüro angekommen. Die länger als prognostizierte Reisezeit für den sich groggy fühlenden Deutschen betrug achtzehn Stunden. Leider waren die Türen des Gemeindebüros verschlossen und niemand zu sehen. Jonathan war sich zuvor sicher, eine Privatunterkunft zu bekommen. Er glaubte Gottes sanfte Stimme in seinem Herzen gehört zu haben, genauso freundlich wie sein Freund Tobi empfangen zu werden. Doch nun musste er sich mit dem Taxi-Cap in ein Hotel bringen lassen. Barbara, seine Chauffeurin war eine reizende Frau, die zufällig selbst der First Assemblies of God Church angehörte. Ihr Autophone benutzend sprach Barbie ihrem kameradschaftlichen Freund Charlie etwas auf seinen Anrufbeantworter auf, bis dieser doch das Telefon abnahm, um Jonathan in seinem zehn Meilen entfernten Haus aufzunehmen. Dort angekommen schlief Jonathan nach einem kurzen Kennenlernen sofort auf der Couch im Wohnzimmer ein. Somit konnte er sich von den Strapazen der langen Reise gut erholen.
Am nächsten Tag kletterten die Temperaturen auf anomale dreißig Grad. Ein Untermieter von Charlie, der Motorrad-Evangelist Brian Tate lud Jonathan ein, sich in den kühleren Morgenstunden ein erstes Bild von dem an der Cave Creek Road gelegenen Gelände der First Assemblies of God Gemeinde zu machen. Nachdem die Honda Gold Wing auf einem der vielen Parkplätze abgestellt war, konnte sich der Besucher ein besseres Bild der gesamten Anlage der Kirche mit Herz machen. Das moderne achteckige Gottesdienstgebäude war riesig für deutsche Verhältnisse, denn es bot Platz für viertausend Personen. Die laufend bespränkelte Parkanlage, die Turnhalle und der Kindergarten hinterließen auch einen guten Eindruck bei dem Immobilien-Gutachter. Brian wollte an diesem Morgen an der Bibelschule unterrichten und zeigte dem deutschen Schüler die dazugehörigen Bürogebäude. Dort angekommen lernte Jonathan Fischer die bedauerlicherweise bereits verheiratete Bobbi Zimmermann und den Leiter der Bibelschulen Chris Immendörfer kennen. Chris wollte aufgrund seiner langjährigen Zeit bei Jugend mit einer Mission (JMEM) in Deutschland seine Fremdsprache wieder auffrischen. Er unterhielt sich eine Stunde lang mit Jonathan, indem er von seinen Missions-Aufenthalten während und nach den Olympischen Spielen 1972 in München berichtete. Er war der Leiter der Evangelisationsschule auf dem neu erworbenen Schloß in Hurlach, bis er die Bibelschularbeit beim JMS Jugend-, Missions- und Sozialwerk Altensteig jahrelang mitorganisierte. Wenn Jonathan More of God erfahren möchte, solle der Fernbibelstudiumabsolvent nicht nur Masters Commission, sondern auch Pastors School kennen lernen. Das Angebot von Chris, während der Woche umsonst zur Probe an den Unterrichtseinheiten der Jüngerschafts- und Pastorenschulen teilzunehmen, war phantastisch. Als Fischer sich in den Klassen umsah, fühlte er sich an seine Zeit des Albanienurlaubs zurückversetzt. Die Studenten empfingen ihn herzlich, und vor allem die ihn umarmenden Studentinnen besaßen ein entgegenkommendes Wesen. Anstelle den Unterricht an der Tafel zu verfolgen, verfingen sich Jonathans Blicke in unverschämter Weise immer wieder an den zukünftigen Klassenkameradinnen. Der Erweckungsprediger Brian Tate bemerkte dies, und schlug ihm vor, am Abend zum Bowling, anlässlich eines Singlemeetings mitzukommen. Brian, der die Unterrichtseinheit über Evangelisation leitete, war ein cooler Typ, der am Ende der Stunde seine King-James-Bibel wie ein schlagendes Schwert in den gestreckten Arm nahm und dazu den auswendigzulernenden Vers: „Ich vermag alle Dinge zu tun, durch Christus, der mich stärkt“, proklamierte.
Am Abend machte sich die Wohngemeinschaft auf den Weg in die Bowlinghalle. Der Hausherr und Polizist Charles Pugliese hatte ein besonderes Herz für Menschen. Ein dunkelhäutiger junger Mann namens Creflo Shomari Obama bettelte vor der Sportanlage um ein Change (Wechselgeld), da er trotz Job als Schuhverkäufer von seinem Landlord Herbert Walker aus seiner Baracke herausgeworfen wurde und auf der Straße gelandet war. Der warmherzige Charlie lud ihn nicht nur zum Bowling, sondern auch zu sich nach Hause ein, um übergangsweise Zuflucht nehmen zu können. Der kraftvolle Brian traf an diesem Abend mehrmals alle Neune, besser gesagt ihm gelang ein Strike nach dem anderen mit den zehn Pins (Kegeln). Sein gekonnter Approach (Anlauf) führte tatsächlich zu erfolgreichen Annäherungsversuchen bei einer neuen, spärlich bekleideten Flamme namens Sharon. Mein lieber Scholli, dachte sich Jonathan, denn so eine langbeinige, langhaarige Blondine hatte er sich selbst erträumt. Komischerweise freundete sich der heterosexuelle Europäer an diesem Verkuppelungstreffen nicht mit einem hellhäutigen Mädchen, sondern mit einem dunkelhäutigen Jüngling an. Dieser lässige Obama war ihm sofort symphatisch und hatte ein witziges loses Mundwerk, dem er stundenlang zuhören konnte.
Auf dem Nachhauseweg in Charles kantigem Chevrolet Caprice diskutierten die vier Junggesellen kräftig um den heißen Brei herum, was sich in dem als Quartier dienenden Einfamilienhaus bei einem verflixten Monopoly-Spiel fortsetzte. Dummerweise gab in dieser Nacht die Klimaanlage des eingeschossigen Holzhauses aus dem Park Place ihren Geist auf. Deshalb nahm Jonathan nach dem Quaker Cornflakes Frühstück die Einladung von Creflo gerne entgegen, ihn zu seiner Arbeitsstätte in eine riesige Paradise Mall zu begleiten. Die neuen Freunde stiegen in einen der vielen Busse, während Jonathan den Fahrer bewundernd beobachtete, wie dieser mit Leibeskräften einen Rollstuhlfahrer mit einem Lift hinaushiefte. Creflo Obama war ein Angestellter mit ausgeprägtem Verkaufstalent im größten Einkaufszentrum von Phönix. Jonathan bemerkte, dass er ein Fan von Jürgen Klinsmann sei, worauf er eine komplette Fußballausstattung mit der Rückennummer 18 von Bayern München zum Schlußverkaufspreis eingepackt bekam. Eigentlich wollte er ja nur ein paar Fußballschuhe für sein wöchentliches Training in der Halle besorgen. Aber so konnte er sich anlässlich seiner CVJM- und Jesus-Treffen besser an Tobi angleichen, der als Brasilienfan immer mit einem verschwitzten, handsigniertem Marcelo Bordon Trikot herumrannte. Aufgrund des günstigen Dollarkurses hatte Fischer sowieso einen Tag zum Einkaufen eingeplant und langte so kräftig zu, dass er die Einkaufstüten gar nicht alleine ins Quartier tragen konnte. Auch dafür fand sich eine Lösung, denn am Abend würde der Verkaufsmanager Clinton seinen Angestellten Obama persönlich mit den frisch erworbenen Gütern ins neue Heim bringen.
Der erfolgreiche Fischer wollte wie gewöhnlich die Kurse seiner VW-Optionsscheine kontrollieren, weshalb er in Downtown eine Citibank-Hochhausfiliale aufsuchte. Als er sich im Parterre an einem schwer bewaffneten Wächter vorbei durch ein ungewohntes Warteschleifensystem mit weißen Bändern durchgekämpft hatte, konnte ihm die Berufskollegin am Schalter zunächst nicht weiterhelfen. Die sein Anliegen nicht begreifende Servicekraft wollte ihn zunächst zu einer Alamo-Autovermietung schicken. Dann bekam der Car-Sharer eine halbe Stunde später einen Termin in einem höher gelegenen Beraterbüro zugeteilt. Nachdem er eine vorgeschriebene Ziele- und Wünscheanalyse mit zwanzig Fragen beantwortet und unterschrieben hatte, teilte er seinem jungen Gegenüber mit, dass er als Tourist eigentlich nur einen Wertpapierkurs erfragen möchte, die vielen bunten PC-Bilder und die Bankensoftware gegenüber deutschen Verhältnissen aber sehr fortschrittlich seien. Die sechsstellige Wertpapierkennummer ließ sich in der gewohnten Systemumgebung allerdings nirgends eingeben. Deshalb nahm Jonathan das Angebot gerne an, sich selbst vor die Internet-Kiste zu setzen und dem Greenhorn eine Lehrstunde, über die Kursabfrage auf Onvista zu erteilen. Leider waren seine Turboscheine immer noch nicht in Fahrt gekommen. Dafür ergab sich am Abend eine phantastische Möglichkeit für eine geile Spritztour.
Brian Tate erzählte beim Abendessen, dass er am nächsten Tag gemeinsam mit seiner neuen Bekanntschaft Sharon nach Las Vegas fährt, um ihren dort befindlichen Wohnwagen nach Phönix zu überführen. Der Ordnungshüter Charlie, bei dem das Telefon nur zweimal klingelte, bevor der Anrufbeantworter einschritt, weil ein in psychatrischer Behandlung befindlicher, stalkenden, pausenlos anrufender Schützling ihn für Gott hielt, war plötzlich ganz Ohr. Es entwickelte sich ein heftiger Streit zwischen Pugliese und Tate, da es in religiösen Kreisen verpönt war, sich so schnell zu einem Date alleine zu treffen. Brian behauptete, dass Jesus ihm persönlich in der vergangenen Nacht gezeigt habe, dass das singende Fotomodell Sharon seine Frau wird. Der grinsende Creflo zog eine abgegriffene Penthouseausgabe mit einer Sharon Farrow auf der Titelseite aus seinem Kulturbeutel hervor, die Jonathan gerne länger fixiert hätte. Der Spielverderber Charlie würdigte der architektonisch ideal Gebauten einen kurzen Blick, ehe er das Magazin zerreißend in den Mülleimer warf, obwohl der neugierige Brian das anzügliche Titelfoto gar nicht zu Gesicht bekommen hatte. „Wenn sie wirklich von Gott für dich bestimmt ist, wirst du sie schon noch nackt sehen. Im Moment ist sie aber eher eine giftige Schlange, als eine verführende Eva für dich“, lautete sein gut gemeinter Ratschlag. Nun mischte sich Jonathan ein, der im Vorfeld überlegt hatte, mit einem Mietwagen den Grand Canjon zu besichtigen oder Las Vegas zu besuchen. „Take it easy, no Problem, wenn Jonathan als Aufpasser mitkommt. Auf dem gefährlichen Missionsfeld in Albanien habe ich mich erfolgreich mit der Mafia geprügelt und mein Leben riskierend acht Frauen vor dem Tod bewahrt“, prahlte der Mutige. Das nahm die Hitze aus der Diskussion, obwohl die Luftkühlung der häuslichen Brutstätte immer noch ausgefallen war.
Am nächsten Morgen fuhr ein schwarz-weißes Monstrum eines Dodge Ram 3500 Pickup vor, das aussah wie ein Mischung aus einem Scheriffs- und Teufelsfahrzeug, weil zwei weiße Pentagramme die Seitentüren, ein airgebrushter Sensenmann die Motorhaube und Höllenfeuerimitationen die überdimensionalen Kotflügel verzierten. Der ultimative Allradbolide besaß einen acht Liter Hubraum fassenden Zehnzylindermotor mit einem Drehmoment von siebenhundert Newtonmeter. Die beiden Männer kamen sich plötzlich ganz klein vor und staunten um die Wette, als die nicht viel mehr als einen Minirock tragende Sharon die erhöhte Kabinentür öffnete und demonstrativ mit dem Zündschlüssel winkte. Der die hintere Büffelleder-Rücksitzbank als Liege nutzende Jonathan hatte seinen Hugo Boss Kaschmir-Nadelstreifen-Anzug angezogen, weil er immer schon davon träumte, in Las Vegas auf die Spielbank zu gehen. Der „blinde Simson“ Wagenlenker „Ben Tate“ hatte als demonstratives Kontrastprogramm seine dicke „Bikers for Christ“ Lederkluft angezogen. Die kräftige Klimaanlage kühlte nicht nur das Auto, sondern auch die Getränke in einer Minibar. Jonathan berauschte sich an einer Pepsi und dem unendlich guten Klang der riesigen Infinity-Kappa-Reverence-Lautsprecher, wobei Brian von dem melancholischen Stück „The Ballad of Lucie Jordon“ von Marianne Faithfull gar nicht so fasziniert war wie Fischer und Farrow. Überhaupt verfinsterte sich der Gesichtsausdruck von Brian immer mehr. Er wollte sich nämlich nicht davon überzeugen lassen, einen kleinen nicht vereinbarten Abstecher über die Route 66 nach Sedona zu machen. Die einfache Fahrstrecke wurde dadurch von dreihundert auf vierhundert Meilen erhöht. Umso besser empfand der auf der Rückbank sitzende Aufpasser Jonathan, dass er durch einen demokratischen Mehrheitsbeschluss das Zünglein an der Waage spielen konnte. Die Wüstenlandschaft mit den vielen Kakteen und Hügeln empfand der Urlauber genauso atemberaubend, wie den blubbernden Motorsound des dreiundzwanzig Liter schluckenden, sechs Meter langen Ungetüms.
Nach zwei Stunden war die unterschiedlich bekleidete Reisegruppe am Diablo Hotel von Sedona angekommen. Sharon, die eine atemberaubende durchsichtige Bluse mit einem BH, der eigentlich keiner war, trug, wollte ein paar persönliche Sachen aus dem schmuddeligen Zimmer eines Freundes abholen und bat die zwei Gentlemen, ihr beim Tragen eines antiken Tisches mit Ouija Board behilflich zu sein. Der mit einer Magnum salutierende Schürzenjäger Hunter, der die Tür öffnete, hatte so ziemlich den fiesesten Gesichtsausdruck, den Jonathan je wahr genommen hatte. Zum Glück entspannte sich die Lage schnell. Das am ganzen Körper mit Hells Angels und Schlangen Tattoos tätowierte Unikat brach in lautes Lachen aus, als es den Schriftzug auf Brians Motorradjacke sah. „So du möchtest also das Lager wechseln und mit einem Guru rumhuren. Na, willst du zum Abschied nicht einen Joint mit mir rauchen und es dir nochmal überlegen?“, war sein sarkastischer Kommentar, als er seine fette, süßlich qualmende Zigarette entgegenstreckte. „Nein, ich mache endgültig Schluss und will mein Witchboard zurückhaben“, war ihre resolute Antwort. Die darauf folgenden Handgreiflichkeiten erinnerten den Zuschauer Jonathan wiederum an seinen Albanienurlaub, nur dass diesmal die gegnerische Partei durch einen vom Prediger versetzten Ko-Schlag zu Boden ging. Die drei Eindringlinge suchten schnell das Weite. Der beunruhigte Schläger Brian wollte die Fahrt sofort fortsetzen, aber Farrow bestand darauf, dass sie ein paar vorbestellte divinatorische Thoth-Tarot Karten aus ihrem Lieblingsladen abholen muss. „Haben die Dinger nicht alle die gleichen bunten esoterischen Bilder?“, fragte sich Jonathan in seinem schwäbischen Akzent selbst. Das erregte die Aufmerksamkeit zweier Antwort erteilender deutscher Landsleute, die ihn beim Inspizieren dieses achtundsiebzig Blatt fassenden Crowley-Kartendecks beobachtet hatten. Elymas und Magdalena kamen zufällig auch aus Stuttgart und freuten sich gemeinsam mit ihm darüber wie klein die Welt ist. Der smarte Anzugträger Jonathan wollte gerade erläutern, dass er wegen einer geistlichen Fortbildung in die USA gereist sei, als das ebenfalls schwarz gekleidete, riesige Anch-Kreuz tragende Gothic-Pärchen ihm ins Wort fiel und erklärte, dann müsse er unbedingt länger hier im elektrisch wirbelnd, spiralisch energieverbundenen Vortex Gebiet von Bell Rock bleiben. Der ehemalige Physik-Leistungskursler, der wenig Vorstellung davon hatte was sie meinten, erklärte, seinen schwebenden Fuß an eine vergessene Werkzeugkiste anschlagend, dass er es transrapid eilig habe, und er sich die magischen Magnetfelder gerne einmal versuchsweise im mystischen Emsland von ihren Anch-Wünschelruten anzeigen lässt. Die Zeit drängte. In einem KFC Drive-in Restaurant besorgte die strippende Strohwitwe drei gebratene Hühnchen und hätte sich gerne mit ihrem Pfeife rauchenden Lehrer Wilhelm Bolte länger unterhalten, doch die zwei im Auto wartenden, gelangweilten Spitzbuben wollten ihre nächsten Streiche sogleich fortsetzen. Tatsächlich wäre es bei der Abfahrt schier zu einer weiteren Schlägerei gekommen, als Brian die Scheibenwischanlage zu stark betätigte und damit die in ihrer Mittagspause unter einem Maikäferbaum picknickenden Schneider, Bäcker und Bauern nass spritzte.
Gott sei Dank ging die sechsstündigen Fahrt bald vorbei. Das dritte Rad am Wagen, versuchte von Sharon zu erfahren, warum sie zum christlichen Kegeltreff gekommen ist und wie lange sie schon an Gott glaubt. „Eine Ewigkeit lang“, bekam der Rückbänkler von der wortkargen Beifahrerschönheit, die gerade das Beatles-Lied „Helter Skelter“ auf dem 6-Fach-CD-Wechslerradio programmierte, als Antwort. Jonathan fühlte sich nach langer, über dem Speedlimit erlaubten, kerzengerader Fahrt wie James Dean, der in seinem Porsche 955 Spyder ebenfalls durch die amerikanische Prärie krachte. Ein Motorradkonvoi hatte sich ihnen auf dem verlassenen Highway klammheimlich angeschlossen und war dabei, sie lautstark zu überholen. Mit panischer Angst ergriff Brian sein Handy und rief den selten sofort ans Telefon gehenden Charlie an. Er heulte ihm Buße tuend auf dem Ignis-Anrufbeantworter vor, dass er in allem Recht gehabt hatte und nun dringend sein Gebet benötigte, weil es um Leben und Tod ginge. Jonathan folgerte, dass der Polizist und christliche Psychotherapeut einen weiteren gestörten Patienten in seine Telefonwarteschleife dazu bekommt.
Doch wieder einmal wurde der starke Held, dieser Lebensfiktion, in einem Auto sitzend von der Straße gedrängt. An einer der gespenstisch wirkenden, einsamen Straßenkreuzungen bogen sie mehr oder weniger freiwillig von dem weiten Highway auf einen schmalen Feldweg ab. Diesmal wurden sie von einer Militärhelme tragenden, schwarz-olivgrünen Schar von neunundreißig Gangmitgliedern umzingelt. Die schwenkenden Feuerrohre, der sie bedrohenden Pump Up-Gewehre, signalisierten eine Einladung zum Small Talk. Beim erzwungenen Aussteigen triefte der Schweiß von Jonathan hinunter, was nicht unbedingt an seinem für diese Gefilde zu warmen Ziegenwolleanzug lag. Brian, der dabei war die Regie zu verlieren, hätte seine Verbundenheit zu dem sich aus Vorsicht von ihm scheidenden Superweib gerne länger ausgekostet. Der an seiner Seite stehende Jonathan zog es vor zu schweigen, während sein brüderlicher Todeskandidat ein letztes Mal schreiend betete: „Don´t touch her. No weapon that is formed against us shall prosper – Rühr sie nicht an. Keine Waffe, die sich gegen uns erhebt wird Erfolg haben“, worauf der erste Schuss auf ihn aus der Magnum von Sonny Hunter erschallte. Der sich wie der arme Lazarus vorkommende Jonathan meinte, wie ein schweigendes Lamm abgeschlachtet zu werden, als der grinsende Hunter abermals den Trigger mit dem Zeigefinger betätigte und ihn zunächst verfehlte. Ein Königreich würde der wie ein verschrecktes Pferd davon galoppierende Glaubensheld dafür geben, wenn er heil an die Solitude heimkehren dürfte, um den ungläubigen Davidson anfingernden Bruder Thomy (Hilf Finger) vor den gefährlichen Harley-Gartengeräten seiner lieben US-Motorradkumpels zu warnen. Doch seine letzten Wünsche ließen sich nicht mehr testierend festhalten. Dafür konnte er plötzlich die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Bettler unendlich gut verstehen. Fünf Schüsse wurden auf den Todeskandidat abgefeuert, der sich vor kam, wie ein in die Wüste geschickter Sündenbock, aber vorzog wie ein Kaninchen Haken zu schlagen. Der außer Puste geratene Jonathan rechnete damit, dass nun alles schwarz um ihn herum würde, oder dass er spürt, wie seine Seele den Körper verlässt. Stattdessen erschallte ein lautes Gelächter der schwarzen Witwe, ihres zum Fressen gern habenden Ex-Bräutigams und der Bikercrew. Der wagemutige deutsche Aufpasser hatte sich von Platzpatronen ins Bockshorn jagen lassen.
„Darling, du hast deine unter dem Bett befindliche Reisetasche vergessen. Ich mach mit dir jede Wette, dass du Morgen wieder mit unserem Wagen zurück bist“, waren die Worte des Bandenbosses, ehe die Motorradschlange weiter ihre Kreise zog. „Man erntet was man sät!“, lautete der trockene Kommentar des, ans Lenkrad steigenden, seines schlechten Gewissens erleichterten, Bibellehrers. Sein Schüler hingegen hätte zu gerne gewusst, was in der schweren Tasche war, welche die zerbrechliche Sharon mühsam auf die Ladefläche des Pick Ups hiefte. Seine Hilfe ablehnend bekam er wieder keine Antwort von der schweigsamen Sängerin. Dafür gab sie, als sie die Fahrt fortsetzten, die Auskunft warum sich ihr Wohnwagen in Las Vegas befand. Sie hätte die weibliche Hauptrolle des abgesetzten Musicals „Tanz der Vampire“ gesungen und behauptete, bald in Phönix ihre Premiere als Schauspielerin in einer Nebenrolle bei der Wiedergeburt des Horrorfilms „Rosemaries Baby“ zu starten. „Jesus Christus hat den Kopf der Schlange ein für allemal zertreten, egal wie oft die Filmindustrie den Antichrist wieder zur Welt kommen lässt“, war der Kommentar des zu alter Form auflaufenden Brian. „Wenn das so ist, dann kannst du Komiker ja als Jesus beim Remake von das Leben von Brian mitwirken“, war die Retourkutsche von Sharon Tate. Verzeihung Fehlerteufel! Noch hieß die Zukünftige ja Sharon Farrow.
Der Himmel verfinsterte sich, denn ein Unwetter zog herauf. Im Autoradio gab es eine Hurrikan-Warnmeldung, als das Team vor den Toren von Las Vegas in Hellfire Valley am dreizehn Meter langen Maxi-Schlafanhänger angelangt war. Durch den strömenden Regen den Felsboden schnell überquerend begriffen die Männer, warum ein Zugmaschinen-Monster-Truck als Esel benötigt wurde. Jonathan musste in dem feudalen Badezimmer des Wohncontainers Pipi machen, während Brian das kostbare Mahagoni-Mobiliar und die fünfzigtausend Silberdrachmen teure Plattensammlung inspizierte.
Das traute Paar stritt sich schon wieder heftigst. Brian hatte behauptet, dass Farrow eine Hexe wäre und befehlend geschrien, dass eine Legion von Dämonen aus ihr ausfahren soll. Sharon fand das gar nicht komisch und manifestierte heftigst, denn als Jonathan gerade die Klotür öffnete, sah er sie zitternd mit einem Fleischermesser auf Brians Brustkorb einstechen. Diesmal proklamierte der als Aufpasser mitgereiste Bibelschüler Jonathan den „keine Waffe wird es gelingen Vers“ aus dem 54. Kapitel von Jesaja. Wie konnte Brian nur so cool bleiben und sich überhaupt nicht wehren? Die hysterische Schlampe hatte doch immer wieder mit dem Mordinstrument, das gewiss nicht aus Gummi war, gegen ihn ausgeholt. Doch es sah so aus, als ob sie gegen eine Wand anrennt. Brian behauptete nun kühn: „Sweetheart, vertraue mir, Jesus hat mir im Traum gezeigt, dass wir heiraten und drei Kinder haben werden.“ Das blonde Fotomodell sank zu Boden und brach in Weinen aus. „So einfach ist das nicht. Ich habe mich mit meinem Blut dem Teufel verschrieben. Seine höllischen oder irdischen Untertanen kriegen mich früher oder später“, war die Befürchtung der okkult belasteten Satanistin.
Zu dem unheimlichen Donner gesellte sich draußen ein weiteres Furcht erregendes Grollen. Jonathan dämmerte Schreckliches. Er zog die Vorhänge zur Seite, um die vom Himmel zum Erdboden reichende Windhose eines auf sie zu bewegenden Tornados zu erspähen. Der ebenfalls aus dem Fenster blickende Brian besaß die Ruhe an sein klingelndes Handy zu gehen. Er bat den anrufenden Charlie, mit ihm gemeinsam die Macht des Teufels über den Wirbelsturm zu binden. Darauf begann noch, die Erde zu beben, so dass der Höllenort erzitterte und sich direkt vor der Eingangstür eine Felsspalte öffnete. Der erfahrene Charlie befahl am Telefon, alle okkulten Gegenstände zu vernichten, was Brian sofort umsetzte, indem er die schwarzen Vinylscheiben mit einem Hammer zertrümmerte. Jonathan beobachtete wie der wirbelnde Twister des blitzenden Sturms sie sechs Mal umkreiste, bis er auf Geheiß auch mit half, die heftigen Widerstand leistenden Schallplatten mit den Füßen zu zerbrechen. Oh Mann das tut weh. Da sind doch nicht nur blutverschmierte Aufnahmen von Slayer oder Iron Mayden, sondern auch die geliebten Rolling Stones, Guns N´Roses und Metallica Mitschnitte dabei. Sich selbst durch Splitter am Ohrläppchen und im Gesicht verletzend, ließ sich Brian in seiner Zerstörungswut trotzdem nicht bremsen, bis das Vernichtungswerk getan war. Der alles fort blasende Orkan bedrohte sie jedoch immer noch, als Charlie am Telefon ein verrücktes Wort der Erkenntnis bekam. Sie müssten in das wütende Unwetter hinaus gehen, denn die verfluchtesten Dinge würden sich im Auto befinden. Jonathan, der beim Aussteigen schier in die Felsspalte abgestürzt wäre, versprach sich um die Helter Skelter CDs zu kümmern. Brian zertrümmerte den antiken Tisch auf der Ladefläche und zerstörte das Witchboard. Sharon nahm am ganzen Leib zitternd ihre schwere Reisetasche von der Ladefläche und schien sich in selbstmörderischer Absicht, damit in die vor dem Wohnwagen aufgetane Felsenkluft stürzen zu wollen. „Was ist in der Tasche drin?“, wollte der sie am Arm packende, hinzugekommene Liebhaber wissen.
Der Wind wurde so stark, dass der Luxuscamper umgerissen und achtundsiebzig Meter durch die Luft geschleudert wurde. Beim Aufprall auf dem Boden explodierte der Gastank und entfachte ein lichterlohes Feuer im Campingwagen. Jonathan beobachtete das Naturschauspiel aus dem Cockpit des Kraftstoff fressenden Dodge Ram Monsters und erwartete das selbe Schicksal auf sich zukommen. Sharon packte einen Totenschädel aus der Bestattungstasche und schmiss ihn in die Totengruft hinunter. Brian half ihr dabei mit zahlreichen anderen Knochen und forderte seinen ängstlichen Adjutanten auf, ebenfalls zu kommen und mitzuwirken. Der herbeigerufene Schwarzkittelträger warf die Gebeine in das unterirdische Reich und hielt seine erste Bestattungsansprache: „Asche zu Asche, Staub zu Staub, nackt bist du zur Welt gekommen und nackt mußt du sie verlassen. Rest in peace.“ Ein letzter mächtiger Donnerschlag mit sofort folgendem Blitz warf die drei auf den abermals vibrierenden Erdboden und löste verglühend den Fire-Devil-Pentagon-Lack in Rauch auf. Die Felsspalte schloss sich wieder und einzig das lodernde Feuer der zwei eisernen Streitwägen, war säuselnd durch den Wind zu hören. Eine unbeschreibliche Ruhe kehrte ein und die Sonne kam wieder zum Vorschein. Jonathan empfand einen abgrundtiefen Seelenfrieden und folgerte, dass dieses Gefühl sich Bapu Gandhi und der 6. Dalei Lama herbei meditieren wollten.
Meine Güte! Der Abenteurer ahnte, dass ihm diese Geschichte seine Familie zu Hause nie abnehmen würde. In der Tat riet ihm sein großer Bruder Thomy beim späteren Hören der Ereignisse, besser Science-Fiction Autor, als Märchen Erzähler zu werden. Doch wem gehörte das Skellet? Sharon erläutete, dass sie damit Kontakt zu den Geistern eines ermordeten Indianerhäuptlings aufnehmen konnte, aber mit der Zeit die Kontrolle darüber verloren hätte. Selbst ihr Freund Sonny hätte Angstzustände und Schlafstörungen beim sichtbaren Erscheinen der Poltergeister bekommen und wäre diese nicht mehr losgeworden. Die Feuerwehr rückte mit Sirenengeheul an und löschte was von dem Auto- und Wohnanhängerwrack übrig geblieben war. Viel Arbeit, war dabei nicht mehr zu leisten, denn die Gas- und Benzinvorräte hatten sich bereits in Luft aufgelöst. Dankbar gingen die drei scheinbar Mittellosen, auf das Angebot der Feuerlöscher ein, zu ihrer Zentrale ins Zentrum von Las Vegas mitgenommen zu werden. Brian telefonierte mit seinen Eltern Abraham und Sarah, die in hundertsiebzig Meilen Entfernung die Kanaan-Ranch betrieben. Die glücklichen Schaf- und Ziegenzüchter machten sich sofort auf den Weg, die zwei Händchen haltenden frisch Verliebten abzuholen. Der lustige, prophetisch begabte Zipfelmützenvater Abraham sang zuvor über den Handylautsprecher seinem Sohn und der Prinzessin folgendes, hochschlumpfige Liebeslied vor, dass sein Knecht Salomo bereits als Klingelmelodie gespeichert hatte: „Die Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn.“ In der herzlichen und geschützten Atmosphäre des in der Prärie befindlichen Elternhauses, sollte die ehemalige Hexe dauerhafte Befreiung von Bösen Mächten erfahren und in der Verbundenheit mit der Bibel wie eine schöne Blume aufblühen. Als die entstachelte Rose von Sharon, die ihr Herz völlig an den sie drückenden Tate verloren hatte, sich anschickte dem bis über beide Ohren verliebten, sie an den Oberschenkeln streichelnden beloved Brian, einen minutenlangen Zungenkuss zu geben, bemerkte Jonathan sie sollen die Leidenschaft nicht aufwecken, bevor es ihr selbst gefällt. Als dies nichts nützte, schritt der eifersüchtige AWG-Anstands-Wächter-Genosse drohend ein, er würde sonst dem Sittenhüter Charlie alles verpetzen. In dem Buch „Gott stiftet Ehen“ wäre die Empfehlung, mit dem Austausch von intimen Zärtlichkeiten bis zur Hochzeitsnacht zu warten, war sein die Vergnügung endgültig auflösender Blümchen-Merksatz. Dass diese Ehe wirklich von Gott initiiert wurde sprach sich auf der ganzen Welt herum. Bis zur Geburt des ersten Kindes Isaak, besuchten das Missionarsehepaar Tate alle Erdteile. Ihr Dienst war besonders in dem Geisterbeschwörer-Kontinent Afrika anerkannt, wo zahlreiche Medizinmänner und Hexen von ihren Dämonen befreit wurden und ihre Voodoo Fetische verbrannten. Einen immer höheren Bekanntheitsgrad erreichte auch die im benachbarten Indien unterstützte, stark wachsende Sharon Fellowship Church.
Jonathan verabschiedete sich von dem auf einer Bank des Feuerwehrmagazins sitzenden Liebespaar, denn sie bedrängten ihn uneigennützig umsorgend, sich auf den Weg zum Busbahnhof zu begeben, um mit einem der letzten Greyhoundbusse die Rückreise nach Phönix anzutreten. An einer Bank of America vorbei schlendernd, zog er hundertsiebzig Dollar aus dem Geldautomaten und fragte an einem Fingertipp-Monitor den Kurs seiner Wertpapiere ab. Verflixt, die Scheine schienen sich fast halbiert zu haben. Bei der öffentlichen Telefonzelle des Caesars Palace angekommen, rief er seinen Freund und Arbeitskollegen Jürg Kurz an, um den Kurs nochmals zu kontrollieren. Aufgrund der Zeitverschiebung, befand sich dieser nicht an der Werkstätte, sondern wo anders, mit seiner Frau Pamela im Bett. Aus Furcht noch mehr Geld verlieren zu können, hinterließ der Skeptiker die Nachricht auf dem vibrierenden Telefonspeichergerät zum schnellstmöglichen Zeitpunkt alles abzustoßen.
Im „Alle Wege führen nach Rom Hotelkomplex“ versprach man ihn fürstlich wie Caesar zu behandeln und lud ihn zum Eintreten ein. Jonathan überlegte sich, ob der vom Senat ermorderte Julius, der sich selbst erdolchende Nero, oder vielleicht der von ihm favorisierte Christenbefreier Konstantin damit gemeint sein sollte. Der skeptische Geschichts-Spekulant war zwar einer der schlechtesten Schüler des Mathematik Leistungskurses, aber das Thema Wahrscheinlichkeitsrechnung war zu seinem Steckenpferd geworden. Er wusste, dass die Kaiser-Spielbank immer gewinnt. Dennoch wollte er im weltberühmten Spielcasino Caesars Palace einhundert Dollar, die ihm nicht wirklich weh taten, für eine ruhmreiche Gebietserweiterung einsetzen. Der schlaue Schwäbisch Hall Bausparkasse-Fuchs setzte sich mit seinen neu erworbenen Chips an einen Black Jack Tisch, weil er wusste, bei dem Spiel mit den 312 Karten, die besten Gewinnchancen zu haben. Bei den übernatürlichen Erlebnissen würde ihn der Herr sicher durchs Glückspiel zum Millionär machen. Außerdem hatte er ja zum Kartenlegen passend gerade am Siebzehnten Vierten Achtundsiebzig in der römisch katholischen Kirche heilige Erstkommunion gefeiert und wieder seinen besten erneuerten Dreiteiler mit Fliege angezogen. Warum sollte Fischer bei so vielen Zufällen nicht als schlauer schwäbischer Landpirat die in Geld schwimmende Spielbank ausplündern? Tatsächlich wurde an seinem Tisch der gerade ausgetauschte Dealer von den Pointeuren dermaßen ausgezogen, dass die Sitzung am Abend vorzeitige beendet wurde. Jonathan fand nämlich drei neue Freunde, die mit ihm am Tisch saßen und ein überaus glückliches Händchen hatten. Der zur Rechten des Croupiers sitzende Anführer der Zocker nannte sich Dollar-Centurio und hatte in den letzten Tagen schon einhunderttausend Greenback gewonnen, weswegen er nicht nur von einer Zuschauertraube, sondern auch von den geheimen Casinokameras argwöhnisch beobachtet wurde. Das oberste Ziel der Banken ist eben nicht, das Geld ihrer Kunden zu vermehren, sondern wie Dagobert Duck, den eigenen Geldspeicher zu füllen. Nichts desto trotz hatte Jonathan durch eine einfache Taktik sein Geld in einer Stunde versechsfacht. Er beobachtete seine schlauen Nachbarn, die unscheinbar im Kopf die Karten memorisierten, was ihm beim Preisskat im Fasanenhofer FKK-Club, bei zweiundreißig Karten und zwei miteinander Mitspielenden, nicht immer gelang. Die Strategie, die Wetteinsätze wie die Glücksritter periodisch zu erhöhen, erwies sich als goldrichtig.
Schlaue Menschen treten am Höhepunkt ihrer Karriere zurück oder wechseln das Betätigungsfeld, hatte der Hobbyfußballer von Jürgen Klinsmann und anderen berühmten Sportlern gelernt. Nur der Sandbankangestellte wollte sein Kopf nicht in den Sand stecken und sein Haus auf Sand bauen, indem er die Einsätze im Sande verlaufen ließ, so dass er es schaffte, die sechshundert Dollar wieder komplett in den Sand zu setzen, um seinen Kopf, letztendlich doch in den Sand zu stecken. An seine erfolglose Pilgerreise zum heiligen Moritz in die Schweiz erinnert sinnierte er weiter, dass es im Leben halt nicht nur Gewinner geben kann. Als sich der europäische Cäsar überlegte, ob er neue Kleopatra Chips wechseln soll, wurde der Tisch vom Spielbankchef Joshua Augustus umgeschmissen. Dieser hatte mitgehört wie die drei siegreichen Soldaten sich gegenseitig als Centurio, Optio und Principalis bezeichneten und das gemeinsame Hotelzimmer durchsuchend herausgefunden, dass sie schawüle, autistische, Bostoner Studenten-Betrüger wären. Die bereits gebuchte Nacht im Forum durften die kaiserlichen Soldaten noch verbringen, aber danach wären sie „Persona non grata“ im Römischen Reich. Der niedergeschlagene Meisterspieler erkundigte sich bei den drei ihre ägyptischen Coins einlösenden Glücksrittern, ob um diese fortgeschrittene Zeit ein Bus in die genauso heiße Stadt Phönix verkehrt, was diese verneinten.
Das Glück schien wieder in Jonathans Leben zurück zu kehren, denn er wurde aus Mitgefühl von den euphorischen Skatbrüdern in Caesars Magical Empire zum Abendessen eingeladen. Am Nachmittag dem Tode knapp entronnen, hatte der Geisterfahrer noch nichts zu sich genommen. Dafür wurde er jetzt an der Gruselstätte durch einen Schicksalsaufzug verschluckt und von einem Wahrsager in einen Katakomben-Irrgarten mit zehn Götzen geweihten Essensräumen geführt. Das drei Gänge Menü bekam dem deutschen Angsthasen nicht so recht, weil er sich immer vorstellen musste, wie sein Schlägerfreund Brian die okkulte Merlinstatue mit der leuchtenden Kugel in der Hand sofort kurz und klein hauen würde. Die teilnahmslosen Junggesellen langweilte das Hokuspokus eher, denn der Optio und der Principalis vertrieben sich die Zeit mit einem kleinen Reisewürfelspiel, anstelle auf die Zaubertricks der Gaukler zu achten, und der Centurio begann seine linke Hand zu halten. Jonathans Gesicht wurde bleicher und seine Augen größer. Aus seiner Münchner Bundesligazeit kannte er ja Lederhosen tragende, zurückhaltende, nette, schwule Schachspieler. Sollte es sich hier um die zudringlichere Sorte handeln?
„Du darfst mich mit meinem Vornamen Oral ansprechen. Was hast du denn da für eine schöne Schachuhr?“, säuselte der Anführer. Der internationale Schachmeister zeigte seine unverkäufliche Swatch-Armbanduhr mit dem Motiv des internationalen Schachfestivals Biel. Doch gerade auf die hatte es Oral Dollar abgesehen. Sich einen Ruck gebend verschenkte der die christliche Nächstenliebe Praktizierende seinen in die Jahre gekommenen Talisman. Die vom Chefredakteur der Schweizerischen Schachzeitung selbst gratis erhaltene Plastik-Swatch war das Erinnerungsstück an zwei aufeinanderfolgende Siege gegen renommierte Großmeister. Der Erfolg des jungen Nobody bei dem größten Schachturnier Europas wurde sogar im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt und von ihm auf Video aufgezeichnet.
Nach einer weiteren, abschließenden Zaubervorführung wollte der unpässliche Gast sich aus dem Staub machen, als er das Dollar-Angebot bekam, die weitaus überlegene David Copperfield Show im am Strip liegenden Circus Maximus Theatre gänzlich umsonst zu besuchen. „Wir haben doch nur drei Karten!“, warfen Kenneth und Toufik, die zwei Back Gammon bechernden Gesellen ein. Der Meister befahl den Verlierer auszuwerfen. Nach drei Versuchen, bei dem jeder immer eine Sechs gewürfelt hatte, wurde kurzerhand, mehr oder weniger demokratisch, der vorige Backgammonverlierer Toufik zum Loser bestimmt. Als Jonathan die schauerliche „Dreams and Nightmares“ Paarungs-Illusionsshow des dunklen Copperfield und Claudia Schiffer-Verehrers verfolgte, kamen ihm die wahren Schockerlebnisse vom zu Ende gehenden Tag tatsächlich wie ein Traum vor. Welchem Liebespaar wird die Zukunft gehören? Sicherlich nicht Oral und Jonathan, denn der Urlauber schuppste die ihn streichelnde einheimische Hand seines eine rosa Elton John Rundbrille tragenden Nebensitzers angeekelt zur Seite.
Spielsüchtige gehen bekanntlich nie früh ins Bett. Deshalb besprachen sich die wieder vereinten Casinoprofis nach der Vorstellung, was sie mit der Nacht noch anfangen konnten. Der im Freien wartende Toufik hatte ein Glas Champagner genießend in den Sternen gelesen, dass Paris Hilton zu ihrem 27. Geburtstag als Pussycat Doll im Pure Nightclub auftreten würde. Das war das himmlische Zeichen für Jonathan, sich ein günstiges Hotelzimmer zu suchen und abzuspringen. Der Centurio, der es auf das Metzinger Outlet Gewand von Jonathan abgesehen hatte, rückte mit einem verführerischen Angebot heraus. Er wollte mit dem Internationalen Meister eine Partie Schach um hundert Dollar oder Abgabe seines Boss-Anzugs spielen. Als Ausrede anführend erläuterte der Herausgefordete, dass er gelobt hat, kein Turnierschach mehr zu spielen und das in Italien fein gezwirnte Tuch unverkäuflich sei. „Geld regiert die Welt und stinkt nicht, dann erhöhe ich meinen Einsatz. Was forderst du?“, wollte der freigiebige Dollar Krösus wissen. Um den penetranten Verehrer abzuschütteln, verlangte das vermeintliche Opfer sechstausendsechshundert Dollar Preisgeld, zwei Übernachtungen in der King Suite, die Einladung zur Siegfried und Roy Show mit anschließendem Prominenten-Diner, sowie die bezahlte Rückfahrt nach Phönix mit einer Hochzeitslimousine. Sexy Oral wollte für den Fall darauf eingehen, dass Jonathan bei einer Niederlage sich zusätzlich bis auf die Unterhose auszieht und ihm ein paar Takte auf seiner Trompete vorbläst. „Kommt jetzt wirklich Gott ins Spiel oder handelte es sich um einen Zufall?“, fragte sich der ehemalige Gymnasialschüler. Fischer hatte sich doch tatsächlich einmal im Musikunterricht, salutierend aus Protest, bis auf die USA-beflaggte Unterhose ausgezogen, weil ihn Madame Spasski, die pummelige, russische Lehrerin zwang, mit ihr einen Tanz aufzuführen, der von einer Militärkapelle mit „The Star-Spangled Banner“ begleitet wurde. „Okay, ich gehe auf den Handel ein, falls mir ein Unentschieden zum Sieg reicht“, sprach der ehemalige Trainer der deutschen Blindennationalmannschaft aus. „Einverstanden, um den Zufall besser auszuschalten spielen wir zwei Fernpartien im Kopf, ohne Schachbrett als Hilfsmittel, wobei dir ein Sieg oder zwei Unentschieden reichen“, zeigte sich der homosexuelle Verrückte siegessicher.
Als Austragungsort des Wettkampfs bot sich die Hotelsuite ihm Forum an. Um volle Konzentration halten zu können, legte sich Fischer, sein Gesicht unter einer Decke versteckend, auf die Couch des Wohnzimmers. Oral Dollar hatte ausgeklügelt, dass die Partieverläufe durch ihn auf dem im Schlafzimmer befindlichen Laptop für die Nachwelt, und als Beweismittel für die korrekte Zugübermittlung, festgehalten werden müssen. Kenneth und Toufik wurden kurzerhand als Briefträgersekundanten eingesetzt, da sie die Züge auf einem Zettel übermitteln sollten. In seiner Weißpartie geriet Jonathan in einer modernen Ben-Oni (Hebräisch: Sohn der Trauer) Variante rasch ins Hintertreffen, weil sein Kontrahent mit der Präzision einer Maschine spielte, und die ungewöhnlich lautende, englische Notation dem Hobbyübersetzer Probleme bereitete. Der ehemalige bayerische Schachmeister wurde so aufgeregt und geriet dermaßen durcheinander, dass er diese Partie nach einer übersehenen Springergabel schnell verloren gab. Mit den schwarzen, im Gehirn projizierten Steinen wählte der müde Denker, viel Risiko eingehend, den Marshall-Angriff, in der vom weißen Gegner anvisierten Spanischen Eröffnung, deren Schreibweise wesentlich einfacher verlief.
Ein Jahrtausend altes Sprichwort lehrt, man soll erst die Kräfteverhältnisse und Kosten überschlagen, bevor man in den Krieg zieht. Hatte der Deutsche seinen US-Amerikanischen Kriegsgegner, wie ein anderer kreuzgläubiger Feldherr unterschätzt? Der Haken an der Sache war, dass Jonathan nicht damit gerechnet hatte, sich mit dem allen möglichen Hilfsmitteln bedienenden Fernschachweltmeister eingelassen zu haben, was dieser ihm jetzt aufgrund seiner materiellen Überlegenheit durch die Zimmertür hämisch lachend mitteilte. Die beiden gelangweilten Sekundanten bestanden darauf, ein Bad in der Wanne einnehmen zu dürfen, was der niedergeschlagene Jonathan zu einem Nickerchen nutzte. In einem kurzen Traumgesicht phantasierte der Müde, wie er sich auf einem verlassenen Potter-Acker befand und von einem furchterregenden, brüllenden, weißen, zweiflügeligen Löwen, der mit seinen spitzen Eckzähnen seine Kleider vom Leib riss, angegriffen wurde. Anstelle das Opfer aufzufressen, verwandelte sich das Tier erst in zwei zischende, Blut saugende Schlangen und dann in drei schleimige Kröten, die ihn mit ihren klebrigen, geteerten Zungen am ganzen Körper ableckten. Sich wie Pechmarie fühlend, kam im nächsten Augenblick eine moderne Frau Holle, in Form von Harry, eines bekannten englischen Zauberlehrlings und Frauenhelds, zur Hilfe. Dreißig erlösende Silbermünzen wurden aus einem Bettlaken über sein Kopf ausgeschüttelt, als die vermeintliche Glücksmarie jäh aus ihrem Schlaf gerüttelt wurde. Denn ausgerechnet in diesem Moment wurde Jonathan von dem ein starkes Frauenparfüm nutzenden Ex-Moslem Toufik mit der Zunge an seiner Nase wach geleckt. Auch der Ex-Jude Oral wollte die Angelegenheit beschleunigen, denn er hatte sich eng mit dem Ex-Christen Kenneth verbunden, ihm gegenüber in das zweite Sofa gesetzt. Nun erwachte der alte Kampfgeist in Jonathan, der verkündigte, wer zuletzt lacht, lacht am besten. Soeben habe er sich einen rettenden Marshallplan zurechtgelegt. Der kaugummikauende Toufik ließ dem einen Berliner Pfannkuchen verspeisenden armen Deutschen seine seidenen Bomber-Shorts zufliegen und prahlte entblößt, dass der angeschlagene Boxer mit diesen nach Phönix durch die Wüste joggen soll. Die Wirtschaftshilfe mit erbettelten Kartencoupons sei aus, denn der Knock Out-Verlierer müsste sich schmelings entkleiden und sein stolzes Pfand zurück lassen. „Gens una sumus, wir sind eine Familie. Lasst uns das Spiel zu Ende führen!“, merkte der römische Leitwolf einschreitend mit dem Motto des Weltschachbunds FIDE an. Die Begegnung dauerte nur noch sechs Züge, bis ein Sieger feststand. Wie es sich unter Schachspieler gehört gingen die beiden Männer ins Schlafzimmer, um die phantastische Partie gemeinsam zu analysieren. Jonathan war erstaunt eine ganze Reihe Schachenzyklopädien auf der Kommode vorzufinden. Als er bemerkte, dass der Gambler, das Schachprogramm Fritz von ChessBase am Laptop geladen hatte, ging ihm erst recht ein Licht auf. Doch diesmal hatte der Deutsche den niedergeschlagenen Amerikaner mit dem 33. Zug durch das auf F2 erstickte Schachmatt des schwarzen Königs-Springers (King Knight N-KB7) bezwungen. Genussvoll nahm er einen der Schachinformatoren und zeigte daraus die in St. Moritz gespielte Partie des Jahres zwischen Jonathan Fischer und Harry Biber, die sich für den deutschen Glückspilz identisch mit umgekehrten Rollen wiederholt hatte.
Achtung, Kinder passt auf! Der folgende satirische Teil der Fiktion ist natürlich dermaßen unwahrscheinlich, dass Parallelen zu realen Ereignissen und Personen nicht ernst zu nehmen sind.
Der ehrenhafte Verlierer, der tatsächlich ein Unentschieden erreicht hatte, zahlte dem übermüdeten Wettsieger 6.600,- US-Dollar in hunderter Scheinen aus und versuchte eine Königssuite in Caesers Palace zu buchen. Da der Centurio Hausverbot erteilt bekommen hatte, wurde er an das ägyptische Hotel Luxor verwiesen und ließ den siegreichen Einzelkämpfer mit einem Taxi dort hin bringen. Der angekommene Gast staunte nicht schlecht, über das schwarze Pyramidenglashotel, von dessen Spitze aus der stärkste Lichtstrahl der Welt von 39 Xenonscheinwerfern in den Himmel gezeichnet wurde. Der sich am Kopf kratzende Kofferträger und Fährmann, der vergeblich das Gepäck zum spirituellen Übertritt suchte, erklärte, dass laut Ägyptischer Mythologie die Geister der Menschen durchs Licht ins Jenseits befördert werden. Als der germanische Archäologe das bis nach Hollywood sichtbare Naturschauspiel untersuchte, meinte er Millionen von Motten im Scheinwerfer-Film-Projektionslicht tanzen zu sehen. „Aha, dann haben die Pharaonen und ihre Untertanen sich in Stechmücken verwandelt“, war sein spöttischer Kommentar. Der durchs Wasser gezogene „Moses Fischer“ hätte gerne eine Kamera dabei gehabt, um die nachgestellte Nilrundfahrt an der beleuchteten Sphinx, des Obelisken und des Grabes von Tutenchamun vorbei zu filmen. Vor allem die in der Tunneldurchfahrt gruselig nachgestellten Skelett-Geister von drei verstorbenen Bauarbeitern setzten sich so perfekt in Szene, dass der Knochen bestattende Volksbefreier schier ins blutrot verwandelte Wasser fiel. In der Fähre zur Hotellobby gebracht, wurde seinem schlummernden Geist, über einen schräg nach oben verlaufenden Inclinator-Aufzug, die Jacuzzi-Whirlpoolsuite gezeigt, die er diesmal sofort einschlafend wohlgemerkt alleine nutzte.
Das Leben mit Gott ist spannend, aufregend und ganz schön anstrengend, philosophierte Jonathan am nächsten Tag in seiner überdimensionalen Sprudelbadewanne, in der er versuchte einen vom Hotelboy eingefangenen Floh bzw. eine Laus los zu werden. Vielleicht handelte es sich bei seinen juckenden Beulen auch nur um verfluchte Schnakenstiche, befand der geplagte Patient, während es draußen zunächst Heuschrecken und dann Frosch große Steine hagelte, die das Licht in der Pyramide für eine Zeit ausgehen ließen. Trotz ausgebrochenem Rinderwahnsinn BSE nahm der sparsame Schwabe als Fast Food-Mittagessen einen Hamburger im vierten Stock der Unterhaltungsebene zu sich, als er von drei sich eincheckenden Bekannten entdeckt wurde. Der Dollar Centurio hielt sich an sein Versprechen und hatte tatsächlich die letzten 3 Tickets für die SARMOTI-Show im am Strip gelegenen Hotel Mirage besorgt. Nun ergab sich wieder das leidige, schier unlösbare Problem, wer auf den Genuss der Siegfried and Roy, Masters of the Impossible Zaubervorstellung verzichten muss. Zunächst wurden wieder 666 gewürfelt, dann zog jeder das selbe Ass aus einem Kartenstapel und sämtliche Mühle, Dame und Schachpartien untereinander endeten ebenfalls unentschieden. Der gelangweilte Fischer machte sich in der Zwischenzeit auf den Weg zum Hotelpool, um sich, die Schuhe ausziehend, in einer Strandliege zu erholen. Unerklärlicherweise hatte sich die neben ihm befindliche Hecke entzündet, was für ihn das Kommando war, barfuß in das Memphis-Restaurant zurückzukehren. Die von Feuermännern nicht löschbare, verzehrende Brandillusion brachte Jonathan auf eine Feuerholzlosungsidee. Er besorgte sich drei Streichhölzer und begeisterte die ermüdeten US-Krieger für das einfache Kinderausscheidungsspiel, bei dem der Loser Toufik wiederum den Kürzeren zog. „Oiner isch immer d´r …..“ von Schwoißfuaß wurde passend dazu über die Musikbox abgespielt.
Oral hatte sich immer noch in Jonathan verguckt, denn er lud ihn zusätzlich zum gemeinsamen Tourenski fahren in die sengende Wüste ein. Am eisigen Aussichts-Gipfel traf Jonathan den angelsächsischen, braununiformierten Erbprinzen wieder, der diesmal eine verschnupfte Hakenkreuzbinde wegwarf, das blaue Zwölf-Sternen-Banner hisste und den Victory-Heilsgruß fingernd, die verlorenen vereinigten Staaten, wieder in die europäischen Kolonien zurück salutierte. Nach erfolgreicher Abfahrt mit ihren Fischer-Ski stiegen die Expeditionsteilnehmer auf einen tausend Meter hohen Stufenturm, von dem sie mit dem sich in der Luft spiegelnden Gleitschirm auf den Fliegerlandeplatz der Mirage herabflogen. „The Show must go on“, schrieb eine magische Hand an die Wand und auf Kommando ließ sich einer der Homo Sex und reellen, besten Magier des Jahrhunderts von seinem weißen Tiger Darius küssen, während der sich in seinem Zauberbett unter einer weißen Satindecke verbergende neue Schwarm Toufik vom weißen Löwen Belsazar entdeckt und für zu leicht befunden wurde. Der Löwe folgerte, dass Toufiks letzte Tage gezählt seien, entkleidete diesen in seiner Ruhestätte und schleifte ihn unter dem großen Jubel der Zuschauer in Daniels Löwengrube, um ihn als Erstgeburt zu verspeisen. Dass Publikum forderte lauthals eine weitere Zugabe, denn eine umfangreichere Illusionsshow wurde nur im Kolosseum unter Kaiser Vespasian oder in Jonathans Träumen geboten. Der Centurio und der Optio vergossen keine Träne für den davongelaufenen, verlorenen Gladiatoren-Sohn, denn damit war das Eintrittskartenproblem für die Abendveranstaltung gelöst.
Die drei begaben sich in den zur UNO gehörenden achthundert Meter hohen Rotary-Clubtower um wetten dass es das nicht wirklich gab, ein von Thomas Gottschalk (Witz, Verzeihung, viele lieben dich) geleitetes Geheimtreffen des Löwenvereins (Englisch: Lions Club) beizutreten. Nachdem die Gäste sich durch ein mit Flügellöwen und Drachen verziertes, altertümliches Zaubertor begaben, wurden sie auf ihr Angesicht geschmissen. Bis auf den plötzlich an einer Fersenverletzung erkrankten Jonathan mussten die Logenmitglieder sich vor einem goldbeschichteten, auf eisentönernen Füßen stehenden Bronzestier verneigen. Die halbnackte, engelhafte Miss Europa Angela schmückte gerade dessen silberne Hörner mit Blumen und ließ sich in allen Stellungen wie eine Zeus Gottesstatue von den wieder auferstandenen Götzenanbetern fotografieren. Die Kellner, des in einem voll versammelten Saals stattfindenden internationalen Leichenschmauses, trugen als Erkennungszeichen einen weißen Latz, auf dem die verwinkelten Namen von amerikanischen Präsidenten gezirkelt waren und servierten das ausgezeichnete Essen.
Der illustre Kreis von Herrschern, Staatschefs und Königen kannte sich bereits, denn er hatte sich zuvor auf der Beerdigung eines ihrer Big Bosse getroffen. Durch die United Nations Vollversammlung führte ein ungläubiger närrischer Fernsehmoderator mit weißen Handschuhen, der nach dem Silberteller-Menü zur Saalwette angelangt war. Wer es schafft, auf dem elektrischen Bullen zu reiten und sich darauf zu halten, sollte das Zepter des Löwenvereins als Zeichen für die neue Weltherrschaft von ihm überreicht bekommen. Bekanntlich ist es unmöglich, sich auf einem so zornigen, ausschlagenden, gehörnten Stier zu halten. Doch eine unscheinbare kleine Friedensnobelpreisträgerin stand auf und hielt eine feurige Rede, mit der sie den größten Völkermord der Geschichte aufhalten würde. Abtreibung wäre ein Werk des Teufels und die gewalttätigste schlimmste Schreckenstat die Kindern je angetan wurde, da das Leben bereits im Mutterleib anfängt. Wenn es mit dem Kindermorden wie bei Herodes so weiter geht, würde Jesus bald wieder kommen. Diesmal aber als wahrer, von unzähligen Engeln begleiteter, Löwe aus dem Stamme Judah und Richter der Menschheit. Mit lauten Buhrufen wurde die heilige Agnes von den Mitgliedern des nicht mit Judah symphatisierenden Löwenvereins disqualifiziert, ohne das fürchterliche Tier je bestiegen zu haben. Der nächste erfolglose Preisträger war ein idiotischer arabischer Terrorist, der zum Präsident gewählt worden war und sein Glück mit ebenso idiotischen Auslandshilfen machte. Auch andere Militäruniform tragende, durch Betrug reich gewordene, aber ansonsten hirnlose Diktatoren wurden unter lautem Gelächter vom ehemals beförderten Kampfbügel gestürzt. Weder der schwarze Gürtel, noch die Texasfarm-Reitausbildung, half den diversen Regierungschefs über die Schulter geworfen zu werden oder sich im Sattel zu halten. Europäische Königsherrscher, die in verstaubten Zeiten genauso auf ihrem hohen Ross daherkamen, wurden wiederum zu Boden geschmissen. Die armen, zum Scheitern verurteilten, veralteten, religiösen Führer, wurden besonders argwöhnisch betrachtet. Waren da neben den berühmten Weltreligions-Repräsentanten nicht einige mit viel Geld geliebte Fernsehprediger und andere Kreuze und Schwerter tragende Zwangsbekehrungs-Ritter? Besonders verwundert war der Theologiestudent über den schwarzen Papst (gibt es ihn wirklich oder muss er gewählt werden?), den schwarzen Schuhverkäufer, die außen vor stehende Ehefrau seines Managers und den sexistischen, sich durchs Wandern sein junges Blut frisch haltenden Papa, des nicht wirklich mächtigsten Mannes der Welt. Der Clown war so gerissen, seine Faust als Schild benutzend, ein Buckler zu verschütten, um erst nach zweiter Windows-Wahl-Auszählung, als Wiedergewählter, dann doch erfolglos zu versuchen, den Krieg gegen den Terror und andere Löwen-Logenfreunde zu gewinnen. Die wenig kampferprobten bierbäuchigen Bank- und Industriebosse hatten sowieso keine Chance bei der aufreibenden Schlacht. Darum machten sich die bekannten Hollywood Science-Fiction Action-Helden an die Arbeit, um die Welt auf dem elektrischen Reiter zu retten, wobei der Sciento logisch dümmste, kleine Schauspieler, der sich für am intelligentesten hielt und eine leuchtende Uniform mit zahlreichen Birnen trug, den Minusrekord aufstellte, und der am Ende der Tage stärkste „JC-Muskelmann“, den viele für dumm hielten, der aber in Wahrheit äußerst schlau war, naturgemäß die Rekordzeit bis zum Abfall aufstellte. Nach dem abschließenden Grönemeyer Song „Kinder an die Macht“ übergab der löwenmähnige Gottschalk symbolisch den eisernen Regierungsstab an ein in einer Kinderwiege befindliches Phantasiebaby, das nicht ganz den Charme der langbeinigen, offenherzigen Assistentinnen oder des kurzbeinigen, spärlich in Windel gewickelten Jesuskinds in der Weihnachtsgrippe besaß.
Damit wollte sich der Kreis von dreizehn Adelsfamilien, die die Kontrolle über die größte federale Weltbank übernommen hatten nicht zufrieden geben. Deshalb wurde ein Greenback-Referat von ihrem Präsidenten Greenberg abgehalten, wie man als Löwenverein die alleinige Weltherrschaft doch noch an sich reißen könnte. Der Ölpreis sollte von einem Kartell über die hundert Greenback Marke gedrückt werden und die Inflation bis zur totalen Geldentwertung und Neueinführung einer Einheitswährung durch Banken- und Firmenpleiten angeheizt werden. Dadurch wären alle unlösbaren unermesslich hohen Staatsverschuldungen vom Tisch, und ein erfolgreicher Neuanfang mit einem neuen Messias könnte gemacht werden. Dies inspirierte den neben Jonathan sitzenden, mit dem Optio händchenhaltenden Centurio besonders, da er zunächst sein Vermögen in Scheingeschäften auf steigende Rohstoffpreise einsetzen wollte, um sich dann erfolgreich, an den einmal vorhandenen Goldreserven der Federalbank zu beteiligen. Der deutsche Außenminister Fischer nahm an der anschließenden Diskussion erfolgreich teil, indem sein genialer Vorschlag der neuen eine Welt Währung den Namen Eurodollar zu geben, einstimmig angenommen wurde. Da diese Story altersdemente Denker sowieso nicht glauben, lassen die Autoren den Helden in der Pyramidensuite einschlafen und führen die Fiktion im gemäßigtem Gang fort.
Eigentlich hätte das Murmeltier Jonathan in dem Wasserbett des dreieckigen Nobelhotels gut einschlafen müssen, aber statt dessen hatte der Zyniker schon wieder einen sich immer wieder wiederholenden Alptraum nach dem anderen, in dem er in verteidigender Absicht einen Ägyptischen Anführer erschlug, worauf ein erfolgloser Mordanschlag auf ihn verübt wurde, so dass er in die Wüste fliehen musste und so weiter und so fort. Um der Zeitschleife zu entrinnen und um die Unterwäsche zu wechseln, sprang er um sechs Uhr, ein Zeichen setzend, aus dem Bett. Ohne Frühstück begab er sich in die vor dem Hotel wartende, silberne Lincoln Town Car Stretch-Limousine. Er war erleichtert, sich von der ägyptischen Kultur und seinen durchs Leben schlagenden Römerfreunden verabschieden zu können. Das Angebot als Kompagnon in die Glücksspielindustrie einzusteigen wurde vom Wahrscheinlichkeitsrechner dankend abgelehnt. Der eigentliche Sinn seiner Reise war ja die theologische Weiterbildung in den USA.
Während der fünfstündigen Autofahrt zurück nach Phönix, fand der Abenteuerheld Fischer einen aufmerksamen Zuhörer in dem lenkenden Afro-Amerikaner Colburn, der behauptete Analphabet zu sein, aber selbst erstaunliche Lebensweisheiten von sich gab. Als Jonathan in der riesigen Limousine vor Charlies Haus ankam, staunten dieser zusammen mit Creflo und der dreiköpfigen Familie von Mike Werthan nicht schlecht. Mike war ein alleinerziehender Vater, der aus finanzieller Not zwei Jobs ausüben musste und seinen Sohn Donald und die Tochter Daisy gerade, wie Tick, Trick und Track, zu dritt auf nur einem Fahrrad von der Kindertagesstätte abgeholt hatte. Zum Abschluss lud der nette jüdische Chauffeur Hoke alle Hausbewohner ein, mit dem komfortablen Siebenpassagier-Fahrzeug eine Probefahrt um den Block zu machen und ein gekühltes koscheres Fanta zu trinken.
Der die Rundfahrt nicht sonderlich genießende Charlie schien schlechte Laune zu haben, denn er forderte Jonathan auf, in sein Schlafzimmer zu kommen, um ein Gespräch unter vier Augen zu führen. Der Religionspolizist behauptete, Gott hätte ihm immer wieder gezeigt, wie Jonathan sündigt und sich in großer Gefahr befindet. Ja sogar Schlangen und Skorpione wären im Geist auf Jonathan losgegangen, die Charlie durch pausenloses Beten hätte abhalten müssen. „Nun musst du zum Psychiater, ich habe doch gar nichts Verbotenes unternommen. Im Gegenteil, ich habe sogar verhindert, dass Tate Farrow zu früh schwängert“, brachte der Entrüstete zu seiner Verteidigung vor. „Brian und Sharon geht es im Kanaanland wunderbar, außerdem haben sie noch am Feuerprobentag mit Abraham und Sarah als Trauzeugen im Hochzeitsparadies Las Vegas geheiratet. Du aber hast dich doch daraufhin im verzaubernden Ägypten und ausschweifenden Rom aufgehalten. Stimmts?“, fragte der drei Schutzengel herbeigerufen haben wollende Charlie. „Moment mal, so ein paar Spielchen im Hotel, ein paar Unterhaltungsshows und ein bisschen köstliches Essen kann doch nicht schaden. Du bist doch nur neidisch, weil ich so viel Geld gewonnen habe.“ Als Antwort darauf betete Charlie, dass der Herr dem blinden Simson die Augen öffnen möge, bevor er sich in ein tödliches einstürzendes Kartenhaus begibt. Damit war das Gespräch beendet.
Der Nationaltrainer erteilte lieber den Disney Kids draußen Fußballunterricht, während Mike einen leckeren Fleisch- und Lauchpott zubereitete, der so groß war, dass er bis zum nächsten Tag ausreichte. Jonathan war der Appetit gründlich vergangen. Deshalb teilte er mit, während er einen Erkältungstee am Mittagstisch schlürfte, dass er Fasten und Beten muss, um den Willen des Herrn zu erfahren. Der den ganzen Tag TBN Trinity Broadcasting Network anschauende Mike schenkte ihm das passende Buch „Fasten“ von Larry Prince, das der hungrige Pastorenschüler sofort verschlang. Bald darauf besorgte sich der Unersättliche aus dem Bücherregal Nachschub mit Derek Leas zwei Klassiker „Betet mit mir eine Stunde“ und „Gottes Stimme hören“.
Um in der Kühle des Abends etwas mehr Ruhe zu finden, kletterte Jonathan über eine Leiter auf das Flachdach der Andachtsstätte und betrachtete die zahlreichen, über ihn hinwegfliegenden Flugzeuge. Es wurde immer dunkler, so dass unzählige Sterne am Himmel erschienen. Jonathan zählte zunächst die neu gelernten acht hebräischen Jahwe Namen aus dem alten Testament auf, um dann in kühnem Glauben zu fordern, die Stimme des Gottes von Abraham hören zu wollen. Was war das? Er meinte etwas aus seinem Brustkorb zu vernehmen oder war es nur der knurrende Magen? Die Gedanken, die sich in sein Gehirn hoch transportierten lauteten, er soll sein gesamtes, neugewonnes Geld an Bedürftige verteilen, dann würde er es zu Hause sofort wieder zurück bekommen. Jonathan wurde noch aufgeregter als sich ein undeutliches Bild von einer lang ersehnten Frau in seinem Kopf abbildete. Als er im Bett lag, versuchte er es nochmals aus seinem Unterbewusstsein hervorzuholen. Ihn hätte die Augen- und Haarfarbe doch zu sehr interessiert. War sie nun wie die favorisierte Sharon blond und blauäugig oder gar wie Maria dunkelfarbig und braunäugig?
Eine weitere Gestalt faszinierte Jonathan am darauf folgenden Sonntag ganz besonders. Es war der Hauptpastor Tommy Barnett. Noch nie hatte er einen Redner erlebt, der die Menschen so stark zur freiwilligen Mitarbeit motivieren konnte und ein so gesegnetes Werk betreute. Jede Person, die in der Kirche mit Herz samstags ehrenamtlich mithelfen wollte wurde zum Diakon ernannt und bekam Freiheit die gottgegebenen Talente auszuleben. Es gab zweihundert verschiedene Dienste, von denen der sonntägliche, kostenlose Busabholdienst, der Bekannteste war. Ein ehemaliger Mitarbeiter, der sich dieser Sache angenommen hatte, war Bill Wilson. Die Metro Ministry von Bill Wilson in New York, bei der tausende von bedürftigen Kindern von ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut werden, bekam später einen ebenso starken weltweiten Bekanntheitsgrad. Jonathan hatte schon einige Bücher von Tommy Barnett verschlungen, wovon er „Das Wunder ist im Haus“ bevorzugte. Er war so hungrig nach dem Wort Gottes, wie ein an den Mutterbrüsten gestilltes Baby. In Deutschland kannte er keinen Ort mit der selben charismatischen Atmosphäre.
Tommy Barnett führte eine ungeliebte Handlung durch, die für amerikanische Prediger typisch ist. Er sammelte haufenweise Geld ein. Die Opferkörbe gingen herum. „Glaube kommt aus dem Hören, und hören kommt vom Wort Gottes“, hatte das Motto der Predigt sich in Jonathans Verstand eingebrannt. Ohne zu wissen was er tat, nahm er zweitausend Dollar aus seinem Portemonnaie und legte sie in den geflochtenen Behälter. Wie bei seiner Erstkommunion fühlte er sich schummerig und musste sich hinsetzen. Charlie, der in der Gemeinde Ordnerdienst leistete, führte dies auf sein Fasten zurück. Mein Gott, was ist, wenn es die Stimme des Teufels war alles Geld herzugeben. Noch nie hatte er eine so hohe Summe gespendet.
Nach dem imposanten vom riesigen Orchester und Chor vorgeführten Musikstück „Kein anderer Name als der Name Jesus“, berichtete der Evander Holyfield Freund Barnett von seinem Plan als Dauerläufer durch die Wüste nach Los Angeles zu joggen. Er bettelte für jede zurückgelegte Meile um eine finanzielle Unterstützung für die Arbeit seines Sohnes Matthew. Matthew Barnett fing gerade einen Dienst unter Randgruppen an einem der gefürchtetsten Orte von Los Angeles an. Die Gemeinde kaufte und renovierte das ehemals katholische Königin-der-Engel-Hospital. Als Jonathan den Pastorensohn daraufhin zum ersten Mal kurz predigen hörte, machte sich ein Geist der Eifersucht in ihm breit. Er dachte sich insgeheim, dass dieser optimistische, blauäugige Anfänger niemals den Erfolg seines Vaters wiederholen würde und nur aufgrund seines Verwandtschaftsverhältnisses in diesen Job hineingepuscht wird. Die Zeit würde Jonathan vom Gegenteil überzeugen, denn Matthew Barnett ist inzwischen mindestens genauso bekannt wie sein Vater Tommy.
Die gleiche Eifersucht wiederholte sich beim Kräutertee-Mittagessen als Joel Osteen von der Lakewood Church im Hintergrund im Fernseher predigte. Nie würde dieser augenzwinkernde, besser eine Brille tragen sollende Sonnyboy und zuckersüße Milchbubi den Erfolg seines Vaters John Osteen wiederholen, war sich Jonathan sicher. Im Moment jedenfalls.
Jonathan erzählte beim anschließenden Monopoly Spiel mit Mike und seinen Kindern von seinen Blackjack- und Schacherlebnissen und fragte ihn, was er davon halte. Mike behauptete, dass alle Glückspiele um Geld vom Satan wären und zeigte eine wenig amüsante Würfelspielstelle aus dem Neuen Testament. Passend dazu wurde auf TBN bzw. GOD TV oder Daystar im Hintergrund der Spielfilm „Das Gewand“ gezeigt. Die Unterhaltung konzentrierte sich auf die Zukunftspläne, des alleinerziehenden ehemaligen Junkies. Auch er war aus seiner Wohnung geschmissen worden, weil er die Miete nicht mehr bezahlen konnte. Das wunderte den „Yes, we can“ mein Kampf erprobten Shomari Obama, der in der CFR-Jesuiten Zeitung die Ergebnisse der demokratischen Vorwahlen studierte, nicht. Den nächsten Spaß einleitend behauptete der einen Wechsel herbeiführende Creflo, dass Geld Ohren hätte und man nur laut genug danach schreien muss. „Herr stifte mir ein weißes Haus mit Hündchen“, war sein neuester, weißzahniger, breitmundiger Witz. Wie durch eine unsichtbare Hand gezogen, zückte Jonathan zwanzig hundert Dollar Scheine aus seinem Geldbeutel und übergab sie. „Herr schenke mir zweitausend Dollar für meine neue Wohnung“, ertönte es aus dem Mund von Mike Murdock (Sorry, Verwechslung. Der arme Tagelöhner konnte ja seine Spenden-Telefonnummer nicht auf Fernsehkanälen einblenden und hieß mit Nachnamen Werthan). Das barmherzige Geld-Schauspiel wiederholte sich ein weiteres Mal. „Herr schenke mir sechshundert Dollar für eine neue Klimaanlage“, sprach der hinzugekommene Charlie und wollte das Geld dann zunächst doch nicht annehmen. Als Jonathan versicherte, dass ihm der Herr den Auftrag dafür gegeben hat, fügte Charlie einen Salomonischen Weisheitsspruch hinzu, dass schnell erlangter Reichtum auch wieder schnell verloren geht. Oh Mann, von dem Geld hättest du dir einen verhagelten VW Corrado VR6 Turbo kaufen können, ging es dem Schenkkreis spielenden Gönner beim Kofferpacken am Abend durch den Kopf.
Am nächsten Morgen legten die reich bescherten Freunde ihre Hände auf die Schultern ihres Förderers und segneten ihn so ausgiebig und lautstark, wie Jonathan es noch nie gehört oder erlebt hatte. „Ja, er würde bestimmt noch jahrelang für ihn weiter beten und sich freuen, wenn er künftig Brians Zimmer übernimmt“, war der Abschiedsgruß von Charles Pugliese, als er den sprachlosen Studenten am Flughafengebäude ablieferte.
Bei der Landung am Stuttgarter Airport konnte Jonathan die vom Flughafendirektor geplagten Fildergemeinden und sogar das Haus der Witwe in der Schloßstraße überblicken. Mit Unbehagen wollte er die Wohnung nach kurzer Zeit wieder auflösen und fragte sich, wie sein Förderer und Chef Adolfo Massonico auf seinen Wunsch ein Sabbatjahr einzulegen reagiert. Ein Personalgespräch wurde anberaumt und der Gläubige bei den Mormonen und Zeugen Jehovas im Verkündigungsdienst stehende Vorgesetzte hörte von seinen pfingstlerischen Fortbildungsbegehren. Seine Anweisung lautete, nicht in die USA überzusiedeln und sich genau zu überlegen, ob er überhaupt zum Predigen in anderen Sprachen berufen ist. Die blinden Eltern zeigten sich entsetzt von dem Vorhaben und erinnerten ihn wie stark sie den Wohnungswechsel finanziell unterstützt haben. Im Prinzip schuldete er ihnen Geld. Selbst sein erster Seelsorger, der evangelische Pfarrer und Missionar Georg Müller riet ihm, in einer Email von Kenia aus, nicht, in die wohlhabenden, von charismatischen Tempelgeldwechslern übersähten, Vereinigten Staaten, wegzuziehen, da Gottes Zorn sicher bald über diese Räuberhöhle ausbrechen würde. Jonathan war hin und hergerissen. Er wollte mit dem Kopf durch die Wand gehen, entschied sich dann aber doch in der Heimat zu bleiben. Denn er hatte im Jakobusbrief gelesen, dass Gottes Weisheit und Demut sich unterordnet und nicht selbstsüchtig ist.
Seiner gewohnten Arbeit nachgehend wunderte sich Jonathan, wo die Abrechnung für seine verkauften VW-Turbo Optionsscheine abgeblieben ist. Sein älterer Kollege Jürg Schwarz, der bei Termingeschäften immer ein gutes Näschen hatte, veräppelte ihn, mit dem Hinweis auf das tatsächlich existierende Verbot, Wertpapieraufträge nicht auf den Anrufbeantworter aufzusprechen. Der wahre Hintergrund warum er nichts unternommen hatte war, dass Porsche kurz vor der Insolvenz stand und VW gerade dabei war eine dreißig prozentige Mehrheit zu erwerben. Durch diese von den Wertpapieranalysten und der Börse positiv aufgenommene Übernahmegerüchte hatten sich die Optionsscheine in kürzester Zeit verdoppelt. Aber warum war dann der angezeigte Kurs in Las Vegas fast halbiert? „Du Trottel hättest noch den Kurs von Dollar in DM umrechnen müssen!“, war die Erklärung von seinem Schulmeister Jürg, der ihn schon als Azubi kannte. Jonathan entschloss sich die jahrelang täglich verfolgten Hebelpapiere vor der eigentlichen Fälligkeit zu veräußern und strich einen in dieser Zeit noch steuerfreien Spekulationsgewinn von umgerechnet USD 6.600,- ein. Wie könnte es anders sein. Zu dem nach zwei Tagen neu angeschafften Wagen fehlte nur noch die richtige Frau. Mehr dazu folgt im nächsten Kapitel.