Die Reise nach Jerusalem

Als Jonathan Fischer vor Jahren die Weissagung der lieben, inzwischen verstorbenen Schwestertante Hanna bekam, er könnte sogar einmal katholischer Bischof werden, hätte er bestimmt nicht gedacht, ausgerechnet beim Verteilen von protestantischen Einladungen auf der Königstraße daran erinnert zu werden. Der nächste vom CVJM Christlichen Verein Junger Menschen organisierte offene Abend stand vor der Tür. Eine Gruppe um Pfarrer Georg Müller hatte sich auf den Freitreppen des Schlossplatzes versammelt und fing an, von Christa Müller auf der Gitarre begleitet, christliche und jüdische Lieder zu singen und für die Abendveranstaltung einzuladen. Jonathan war frustriert, weil die von ihm eifrig angebotenen Flyer für den Israelvortrag abgelehnt wurden oder sofort im Mülleimer landeten. Einzig eine vorbei laufende römisch-katholische Nonne versprühte Lebensfreude, indem sie ihm begeistert von ihren eigenen Reisen ins gelobte Land erzählte und ihm empfahl unbedingt dort hinzupilgern. Als die zum Gengenbacher Kloster zugehörige Ordensschwester las, dass Ludwig Schneider von der NAI- Nachrichten aus Israel Redaktion spricht, wollte die Franziskanerin sogar selbst später in die evangelische Kirche kommen. Nach Beendigung der angeregten Unterhaltung breitete sich die nächste Sinnkrise beim automatisch seine römisch-katholische Kirchensteuer abführenden Gottesmann aus. Beim zufälligen Anblick des im Königsbau befindlichen Reisebüros erinnerte sich der Storyheld wehmütig, an seine Pläne nach Kenia reisen zu wollen. Nun war er selbst wie eines der 68er Blumenkinder auf der Straße gelandet, um für Jesus Christ Superstar Werbung und sich, wie er meinte, lächerlich zu machen. Wäre er den verführerischen Blicken dieses zum feindlichen Glaubenslager gehörenden jungen CVJM-Mädchens vor langer Zeit nicht erlegen und seinen Prinzipien treu geblieben, wer weiß was dann aus ihm geworden wäre?

Eine Hand legte sich um Jonathan Fischers Schulter und zwei dunkelrot bemalte Lippen hinterließen einen herzlichen Abdruck auf seiner rechten und anschließend auf der linken Wange. Eine schwarz gelockte, angenehm duftende, dunkelblau uniformierte Stewardess drückte den verzweifelten Einladungsversuchen einen Erstaunen auslösenden Stempel auf. Phoebe Leontopoulou hatte ihren lieb gewonnenen Hongkonger Passagier wieder erkannt: „Wow, Jonathan, jetzt stehst du tatsächlich deinen Mann und stellst deinen Leib als Gott wohlgefälliges Opfer hin. Ich übernachte in einem Cityhotel bis morgen früh mein nächster Flug nach Rom geht. Nimmst du mich mit zu der Veranstaltung?“ Jonathan stockte der Atem. Sollte ihm der humorvolle Vater im Himmel einen weiteren Streich spielen und ihn abermals aus einem Gefühlstal mit der Frau seines Lebens retten? „Phoebe, dass du mich gleich wieder erkennst. Du siehst ja bezaubernd aus. Darf ich dich als Dank für deine fürsorglichen Patientendienste in mein griechisches Lieblingsrestaurant einladen?“ „Na klar, du brauchst dich aber nicht in Unkosten stürzen. Wir haben gerade orthodoxe Fastenzeit, weshalb ich nur etwas Wärmendes trinken möchte“, war die dankbare Antwort, der wie eine Venus von Milo Statue, perfekt gebauten Aphrodite. Jonathan musterte seinen neuen Schwarm genau, als sie beide auf der Gartenterrasse sitzend, an einer Tasse Löwenzahn- und Brennesseltee schlürften und über erstaunliche Erlebnisse plauderten. Außer einem kleinen, markanten Höcker auf der Nase, den die wie Zwillinge aussehenden, gebleachten weißen Zähne übertrumpften, schaute Phoebe makellos aus ihren kaffeebraunen, blinzelnden Rehaugen heraus. „Sag mal, trägst du auch Kontaktlinsen, weil du öfters deine Augenlieder auf und zu schlägst?“, wollte der sich nach einer Frau sehnende Storyheld einwerfend wissen. „Nein, das ist vielleicht die Aufregung über deine spannenden Geschichten. Wie war das? Diese Magdalena hat dir deine Augen zärtlich zugedrückt, nachdem du den Lamborghini rückwärts zu Schrott gefahren hast, und dann hast du dich in sie verliebt?“ Der begehrte Junggeselle erzählte weiter seine Erlebnisse, so dass die Zeit wie im Flug verging. Das neu gefundene Pärchen musste sich in Richtung evangelischer Kirche auf den Weg machen, um nicht zu spät zu kommen. Jonathan fing an, die legere Art der südländischen Meeresanwohner zu bewundern. Die ungezwungene Schönheit, die sich bei ihrem platonischen Freund darüber beklagte, wie schwer es in ihrem unsteten Berufsstand ist, ein ernsthaftes Gegenüber zu finden, begann den verträumt Zuhörenden aus Spaß wach zu kitzeln. Angriff als beste Verteidigung anwendend, begann der eine Rippe suchende Jonathan ebenfalls seine Gespielin abzugreifen. Die immer mehr Zutrauen Gewinnenden verstanden sich so gut, als ob sie sich schon lange kannten. Hand in Hand schlenderten sie ihren Weg zufrieden weiter. „Solche Momente sind für die Ewigkeit und bleiben immer im Gedächtnis. Was meinst du Phoebe?“ „Ich genieße jeden Tag von Neuem und versuche der Vergangenheit nicht nachzutrauern. Morgen lasse ich mir in Italien die Sonne ins Gesicht scheinen und im Sommerurlaub gehe ich drei Wochen auf eine Israel-Freizeit. Kommst du mit Jonathan?“ „Eigentlich will ich ja schon immer nach Kenia fliegen, aber dir folge ich überall nach“, versprach der Fernreisende, dem es beim anschließenden Vortrag mulmig wurde. Israel wäre ein Taumelbecher und Laststein für die Nationen mit dem sie nicht fertig würden, weil sie sich gegen Gottes Wort und Verheißungen wenden, behauptete Ludwig Schneider und begründete dies mit zahlreichen Bibelstellen. Die Zuhörer lauschten gespannt seiner Redegabe und applaudierten anerkennend am Ende des Vortrags. Selbst die Franziskanernonne Scholastika bemerkte anerkennend, dass die feurige Verkündigung der Wahrheiten Gottes über seinen nie aufgehobenen Bund mit dem Volk Israel, auf vielen Kanzeln fehle. Sie selbst bezweifle, als eifrige Schülerin des Wortes Gottes, die populäre Ersatztheologie, nach der die Juden für immer von Gott verworfen worden sind, und die christliche Kirche an ihrer Stelle alle Segnungen für sich gepachtet habe. Betrachte man die Greultaten der Inquisition, müsste demzufolge der liebende Vater im Himmel seine Christkinder schon längst aufgegeben haben. Phoebe und Jonathan nickten zustimmend. Leider war der Abend viel zu schnell zu Ende gegangen. Die beiden tauschten ihre Adressen aus. Phoebe wohnte in Frankfurt und wollte ihrem Verehrer die Pflichtlektüre „Warum gerade ich?“ von Jakob Damkani zukommen lassen. Die Sommerfreizeit in Jaffa wurde nämlich von dem messianischen Juden und Schriftsteller organisiert.

Das Wichtigste für den „Mitten ins Herz“ Getroffenen war daraufhin, dass er in den großen Ferien frei bekommt. Wie wird wohl seine Vorgesetzte Elisabeth Schätzle, die partout selbst in dieser Zeit Urlaub wollte, entscheiden? Jonathan bekam zunächst eine Ablehnung, da Kollegen mit Kindern in den Schulferien bevorzugt verreisen durften. Das war eine bittere Pille für den frisch Verliebten. Er haderte mit Gott. Könnte dieser ihm nicht eine Tür öffnen? Sollte das etwa bedeuten, dass Phoebe ebenfalls nicht die richtige Frau für ihn ist? Warum musste er gefühlsmäßig solche Höhen und Tiefen durchleben? Und dann wurde er schon wieder als Trauzeuge für eine Hochzeit angefragt. Magdalena heiratete. Die ehemalige Prostituierte hatte ihren wahren Beschützer gefunden. Zunächst einmal flogen zwischen ihr und Elymas die Fetzen. Als im Frühjahr Elymas mit den dreizehn besten Zellgruppenleitern für zwei Wochen in die USA flog, beschloss Maggie ihr gemeinsames Haus richtig aufzuräumen. Sie verschaffte sich Zutritt ins Dachgeschoss des Edel-Ethos Centers und vernichtete alle pornographischen Filme und Bilder. Ferner verramschte sie in einem Schlussverkauf sämtliche esoterischen Bücher und Gegenstände des Ladengeschäfts. Die Krönung war jedoch, dass sie die von der Kundschaft bestaunte Gold-Pyramide einschließlich Diamanten vom Pforzheimer Goldschmied halbieren ließ, um ihre eigene Hälfte zu versetzen. Einen Teil des Erlöses verwendete sie dafür, um alle von ihrem Hexenzirkel verursachten Schmierereien in Form von unverständlichen Flüchen auf zahlreichen Gebäuden, Wänden, Brücken und Unterführungen von einer Spezialfirma entfernen zu lassen. Ihr Verlobter Frank Stein kam auf die Idee als Sicherheitspfand den Computer mit wichtigen Geheimdaten von Wicked-Oz zu konfiszieren, damit dieser nicht versucht ihre Säuberungsaktion oder gar die Hochzeit zu torpedieren. Das war des Guten zu viel und brachte den Manipulationskünstler bei seiner Rückkehr auf die Palme. Elymas Wicked-Oz schrie und tobte stundenlang wie ein kleines Kind, das seines Lieblingsspielzeugs beraubt wurde. Zum Glück konnte er nicht wissen, dass Jonathan beauftragt wurde, den PC bei sich zu Hause aufzubewahren. Der eifernde Versuch eines Ringkampfes mit Frankenstein, war Angesicht der Muskelmasse seines Nebenbuhlers hoffnungslos. Wicked-Oz begann sich umso mehr zu fürchten, als er im Schwitzkasten befindlich bemerkte, dass sämtliche dämonischen Tattoos auf Frankensteins Armen verschwunden waren. „Wie zum Teufel konnte der Satanspriester Frank diese Schandflecke weg bekommen?“, fragte sich der oberste Druide Elymas. Der geplanten Abwesenheits-Säuberungsaktion war die Wiedertaufe des Hexe-Monster-Pärchens im Neckar bei Plochingen gefolgt. Denn der Seelsorger Georg Müller hatte empfohlen endlich klar Schiff zu machen. Als der Pastor das zukünftige Hochzeitspaar untertauchte geschah das größte Wunder, das der Geistliche je bezeugen konnte. Beim Auftauchen von Frank Stein waren sämtliche Körperzeichnungen wie weggewischt, als ob der Allmächtige sagen wollte, dass alle Sünden ausgelöscht und im Wasser versenkt worden sind. Dies bescherte den Evangelisations- und Bekehrungsbemühungen im Rotlichtviertel weiteren Auftrieb, weil jeder der bekannten Bewohner bevorzugt die Arme von Frank Stein betasten und nach dessen Zeugnis gleichfalls getauft werden wollte. Dieser Frankenstein hatte nicht nur eine Babyhaut bekommen, sondern selbst sein Haarwuchs stellte sich wieder ein. Magdalena entwickelte sich in ihrem Denken und Handeln zu einer Art Mutter Theresa und stellte einen großen Teil ihres Vermögens für die Armen zur Verfügung. Das war für die Boulevardblätter ein gefundenes Fressen, die ihre Trauung in der überfüllten Leonhardskirche an die große Glocke hängten. Im Gegensatz zu Elymas kam sich Jonathan nicht als Verlierer des Spiels vor, da er lediglich Empfindungen für Phoebe verspürte, mit der er in regem Telefonkontakt stand.

Neben seinen zahlreichen Gesprächen mit Markus Ruf bekam Jonathan einen unerwarteten Anruf, der ihn über die neuesten Entwicklungen der „Schau auf Jesus“ Gemeinde informierte. Der Stuttgarter Gemeinderat Bernd Scheu kochte vor Wut über einige Zeitungsenten, die seine Familie in Verruf brachten und für reichlich Spott sorgten: „Storch verwechselte Babies“ war eine harmlose Schlagzeile im Gegensatz zu „Kirchlicher Gruppensex im Heumadener Gebetsraum erzeugte fremde Früchtchen.“ Die Presse machte sich aufgrund eines anonymen Hinweises darüber lustig, dass seine Tochter Reinhild und der Schwiegersohn Martin Peter Anrich regelmäßig ein asiatisches Schlitzaugenbaby im Storchenmühle-Kinderwagen herum schoben, und die in der Nachbarschaft wohnenden Vera und David Diao ein rein deutsch aussehendes Kind auf einem Schnappschuss in einer Römer-Babyschale transportierten. Sollten sich die östlichen Lehren von Bhagwan über die freie Liebe bei den christlichen Abtreibungsgegnern ausgebreitet haben? Papa Scheu war sich sicher, dass Wicked-Oz hinter dieser listigen Intrige steckte. Der Zauberer hatte inzwischen die Gesamtleitung, inklusive das Wort zum Sonntag, in der evangelischen Freikirche übernommen. David Diao war nämlich beschuldigt worden, er könne nicht richtig mit Geld umgehen und wäre lediglich ein chinesischer Wirtschaftsflüchtling. Außerdem würde er seine Mitglieder durch seine Spendenaufrufe manipulieren und Psychoterror ausüben, damit sie 10 Prozent ihrer Einnahmen abgeben, um die kommende Miete für das Daimler-Stadion und die laufenden Kosten für die Musicalhall bezahlen zu können. Wegen steigender Anfeindungen im Gottesdienst, in Mode kommender vellolenel-gelbel-Kindel-Witze in der Öffentlichkeit und letztendlich einer krisenhaften Vorstandssitzung trat der Gemeindegründer Diao vorsorglich von seinem Dienst zurück. Die vor der Tür stehende Evangelisationsveranstaltung hatte Jonathan aus Bitterkeit verdrängt, aber wo kamen denn die vertauschten Babies her? „Adoptiert vom Jugendamt und aus einem Waisenhaus in Kambodscha“, wusste der Mitbegründer einer Aidsstiftung Bernd Scheu zu berichten und fuhr fort: „Diesem ungeheuerlichen Elymas muss man das Handwerk legen. Das meine nicht nur ich, sondern auch meine Tochter Reinhild die nach wie vor große Stücke auf sie hält. Durch meine Verbindungen zur Stadtverwaltung habe ich dafür gesorgt, dass sie als ursprünglicher Geldgeber die Gesamtverantwortung der Großveranstaltungen übertragen bekommen. Sind sie einverstanden?“

„Eigentlich habe ich keine Lust mich weiter mit Elymas Wicked-Oz anzulegen. Wie soll denn das Evangelisations-Wochenende verlaufen?“ „Zunächst einmal gilt es ein Heavymetallkonzert und eine Massenhypnose zu verhindern“, war der Anfang von weiteren Erläuterungen des Beinaheschwiegervaters und Dosenfabrikanten Bernd Scheu.

Der die Stunde der Vergeltung herbei wünschende Jonathan wusste, dass ihm mit Wicked-Oz, Straussinger und Kempe drei starke sitzungserprobte Gegner im Ausschuss der Wochenendveranstaltungen gegenüberstehen. Nach langatmigen, vergeblichen Versuchen die Programmabläufe zu ändern, gab sich der Technikfreak Jonathan damit zufrieden, Regie am Mischpult übernehmen zu dürfen. Seine Vorschläge Frank Stein als Personenschutzbeauftragten einzustellen und die frischvermählte Magdalena das Cateringgeschäft übernehmen zu lassen, verursachte bei Elymas zunächst großes Unbehagen. Unter der von Wicked-Oz gestellten Voraussetzung, dass ein bestimmtes Pfand zurück gegeben wird, wurde auch dies von den nichts Gutes ahnenden christlichen Heuchlern, die ihren guten Kern beweisen wollten, akzeptiert.

Hätten sie gewusst, dass alsbald Frank, Magdalena und Markus zu einem Geheimtreffen nach Denkenstadt in die Schloßstraße kommen, um sich über zahlreiche Interna auszutauschen und ein letztes Mal den einbehaltenen Computer zu durchsuchen, wäre die Entscheidung sicherlich anders ausgefallen. Markus Ruf berichtete zunächst von seiner USA Reise, die er seinem Förderer Wicked-Oz zu verdanken hatte. Auf Empfehlung von Elymas war er nicht nur Mitglied in der Veritas-Burschenschaft, sondern auch in der gleichnamigen Freimaurerloge geworden. Er habe zwar bei seinem Leben geschworen, keine Geheimnisse weiter zu sagen, aber nachdem eine Reiseteilnehmerin auf mysteriöse Weise in Kalifornien verschwunden ist, habe er genau Tagebuch geführt und alles Bösartige notiert. Einerseits hätte er seine Zeit an den luxuriösesten Orten, wie auf einem riesigen, altertümlichen Schloss mit römischen Bädern verbracht, andererseits habe er sich so unwohl wie noch nie gefühlt und kaum ein Auge zugetan. Das schlimmste Erlebnis seien die nächtlichen Hilferufe der wahrscheinlich ertränkten Katharina Hutter gewesen, die nach dem Besuch von Hearst Castle spurlos verschwunden war. Diese mutige Frau hatte es gewagt beim Abendessen Wicked-Oz ins Gesicht zu sagen, dass er ein christlicher Schauspieler sei, der im Verborgenen die schlimmsten Satansbräuche ausübt. Daraufhin wäre sie auf eigenen Wunsch hin vorzeitig abgereist, aber nie in Deutschland angekommen. Überhaupt sei die USA und ins besonders Washington eines der okkultesten Machtzentren der Welt. In der Mutterloge beherrschen babylonische und ägyptische Götzen die Szene, die wie er mit eigenen Augen gesehen hat, sogar von einem in Kürze nach Stuttgart kommenden, weltberühmten Prediger verehrt werden. Markus habe eine Liste seiner Beobachtungen angefertigt, mit den Namen von zahlreichen Persönlichkeiten, die sich mit speziellen internen Erkennungszeichen in der Öffentlichkeit zu verstehen geben. Das Unglaublichste wären allerdings Neue-Weltordnung-Agenda-Briefe über die geplante Alleinherrschaft des Antichristen, der ein großes Maul wie ein Löwe haben soll. Wicked-Oz habe diese wichtigen Dokumente für die Europazentrale in London mitgenommen und nicht bemerkt, wie der sich um Kopf und Kragen fürchtende Markus, diese trotzdem heimlich in dessen Hotelzimmer abfotografierte. Als Banker würde es Jonathan sicher interessieren, dass bald eine schwer im Gedächtnis memorisierbare, zweiundzwanzigstellige Einheits-Kontonummer eingeführt wird, damit die geplagten Menschen eher bereit sind das Zeichen des Tieres in Form eines Mikrochips auf ihrer Stirn oder am Handrücken anzunehmen. Jonathan selbst hätte ja nach seinem Las Vegas Aufenthalt behauptet zu wissen, dass das Bargeld abgeschafft würde und zukünftig nur noch per Computer-Hilfe bezahlt werden kann. „Das ist ja alles höchst interessant. Was hat Wicked-Oz denn sonst noch geplant?“, wollte der um seinen Arbeitsplatz gebrachte ehemalige Bankfilialleiter Fischer wissen. „Die größte Show wird er am Wochenende beim „Sehe und Glaube“ Kongress im Gottlieb-Daimler-Stadion abziehen. Er dachte er könne Maggie mit einer Massengeisteraustreibung imponieren und an sich binden“, hatte Markus Ruf erfahren. „Da kommt er zu spät“, lachte Frank Stein und Magdalena meinte: „Ich glaube wir sollten ihm die Suppe die er zusammenbraut gründlich versalzen und einige seiner Geheimnisse ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Alles was Markus sagt stimmt. Ich selbst habe bei meinem USA-Aufenthalt in einem magischen Geisterschloss an einem tödlichen Hexen-Wettkampf teilgenommen und kenne die sich durch ihre Blutschwüre in Sicherheit wiegenden Brüder genau. Die besten Informationen werden wir, so wie ich meinen peniblen Ex kenne, auf seinem PC finden.“ „Dann lasst uns mal die Festplatte nach spitzen Kieselsteinwaffen durchsuchen“, schöpfte der Theologiestudent Markus neuen Mut. Jonathan freute sich ungemein als er das Gerät an seinen Monitor anschloss und die ersten Datenpakete entpackte. Triumphierend verkündigte der gefeuerte Bankangestellte und Kirchenvorstand: „Amen, Jesus Christus hat den Kopf der Schlange zertreten. Ihr werdet sehen, dass bald ein paar Dämonen unter unseren Füßen liegen.“

Danach sah es dagegen beim Start der Samstagsveranstaltung „See And Believe“ überhaupt nicht aus. Die Gruppe „Mega Egyptian Death“ spielte ihre Stücke Return to Babylon, Sunrise over Pyramid´s Grave, Obelisk´s fallen Moonstar und als Krönung läuteten dreizehnmal die Glocken von Hell´s Bells vor einer in Feuer getauchten riesigen Illuminaty-Schrift. Den größten gewaltigsten Auftritt hatte jedoch Elymas Wicked-Oz vor einem senkrecht projizierten, kolossalen, in den Bann ziehenden menschlichen Auge, ähnlich wie bei den Bregenzer Festspielen. Überhaupt war die rotierende, dreieckige Bühnenfläche der Form des alles sehenden Auges eines mittelalterlichen Altarbildes nachempfunden. So konnten die 60000 Zuschauer das kreisende Geschehen gleichmäßig in wiederkehrenden Umläufen verfolgen. Wicked-Oz kündigte an, dass er einen Rekord für das Guinness Buch in Form der größten Massenhypnose aufstellen möchte. Er versprach den Besuchern, sie mit Unterstützung eines Scheingeists, wie Sterne über den Himmel zu erheben, wo ihnen leuchtende Engel und verstorbene Heilige begegnen würden. Alles was sie tun müssten wäre, sitzend auf die magischen Augen zu achten, ihre Arme wie Antennen zu heben, sich in entspannter Haltung innerlich total zu öffnen und ihren Verstand und Denkprozess vollständig zu entleeren und auszuschalten, damit der Weltengeist sie gänzlich durchdringen und erfüllen kann. Auf Fingerzeig hin wurde es totenstill. Die Glocken von Hell´s Bells begannen abermals zu erklingen. Elymas lies die Menge nachsprechen: „Ich verlasse jetzt meinen Körper“. Mit einem lauten Fingerschnipps des Hypnotiseurs sackte das gesamte Stadion wie bei einer La-Ola-Welle urplötzlich zusammen. Fast alle Besucher lagen oder saßen bewusst- und regungslos auf ihren Sitzen. Wicked-Oz begann zu indoktrinieren: „Tue was du willst, soll sein das ganze Gesetz. Das Gesetz des Starken, das ist das höchste Gesetz des Thelema. Zu töten alle Feinde des Weltfriedens- und der Ordnung, das ist Recht.“ Mit einem weiteren Fingersignal über das Mikrofon kamen die Leute wieder zu sich. Viele der bedeppert Aussehenden bezeugten tatsächlich Engelserscheinungen bekommen und einige Entgeisterte behaupteten, Kontakt mit toten Verwandten aufgenommen zu haben. Der bis dahin leise im Hintergrund mitwirkende Leadsänger Mick und sein Gitarrist Rory begannen, plötzlich laut schreiend wie Heuschrecken zu hüpfen und ihre Pferdemähnen zu schütteln, um sich danach wie Schlangen zischend auf dem Bühnenboden zu winden. Elymas gebot im Namen Apollyon, dass Dämonen der Qual aus ihnen heraus in die Hölle fahren sollen. Die Autorität mit der er waltete machte bei den Bandmitgliedern und Zuschauern einen mächtigen Eindruck, denn sofort beruhigte sich die Lage. Das war das Startsignal für die eigentliche Attraktion des Abends, nämlich der umjubelte Auftritt des am höchsten angesehensten Predigers aus den USA, der nach Jonathans Ansicht mit seinen grauen Haaren aussah wie ein Wolf im Schafspelz. Die Botschaft ging über den Architekt des Universums der Salomos Groß-Tempel der universellen Bruderschaft wieder aufbauen möchte und dafür möglichst viele unbehauene, menschliche Steine benötige. Wer sich darauf einschwören möchte sollte nach vorne kommen. Das mit schwarzen Plastikplanen bedeckte Fußballfeld füllte sich mit Menschen, die sich vor der am Mittelkreis aufgebauten, kreisenden Bühne niederknieten, um ihr Leben dem Gott dieser Welt zu übergeben. Entscheidungskärtchen wurden ausgefüllt, die an die örtlichen Gemeinden weiter gereicht wurden. Neben den christlichen Hauptkirchen profitierten sogar die Synagogen und Moscheen von der Vermittlung Gleichgläubiger. Die Zeitungen waren am nächsten Tag voll des Lobes über das tolerante, humanistische, weltoffene und überkonfessionelle Glaubens- und Erlebensspektakel.

Der Sonntagmorgengottesdienst mit dem Motto „Pro Weltfrieden – Verstehen und Glauben“ wurde durch einen singenden, englischen Lord eröffnet, der mit seiner Gitarre eine ominöse Version von John Lennons Imagine zum Besten gab. Zum Abschied verriet der Sir, der ein obszönes Jesus-war-schwul-Hemd trug, dass er bald seinen Vermögensverwalter, einen ehemaligen römisch-katholischen Pfarrer, in der anglikanischen Kirche heiraten wird. Ein afrikanischer Voodoopriester entfachte, ob dieser freudigen Botschaft, einen schamanischen Segenstanz zur Heilung der Mutter Erde, dem sich seine bunt bemalten Indio- und Indianerkollegen anschlossen. Ein allumfassender Altar mit einer goldenen Buddha-Statue wurde auf der Bühne aufgestellt, vor dem sich der orange bekleidete Dalei Lama oder ein zum Verwechseln ähnlich ausschauender anderer buddhistischer Abgeordneter im Schneidersitz meditierend verneigte. Ein Rabbi stellte mit dem Oberkörper wippend die Chanukkia auf und trug mit Gebetsriemen- und Schal bekleidet ein hebräisches Friedensgebet bei. Eine arabische Delegation brachte vor Freude ein geschächtetes Schaf mit und ließ ihren Iman einen moslemischen Gebetsruf über die Lautsprecher vorsingen. Da durfte eine indische, hinduistische Abordnung mit heiliger, rot gepunkteter Kuh, die mit vom Vatikan gestifteten Mineralwasser aus Assisi gewaschen wurde, nicht fehlen. Den leiblichen Höhepunkt bot eine Transsubstantiations-Abendmahlfeier, die von einem vergötterten Petrusjünger auf einem riesigen heiligen Stuhl zelebriert wurde. Zum Abschluss durften alle gestärkten Religionsrepräsentanten ihre gesegneten Bücher auf den Tisch des Herrn legen und gelobten nie wieder schlecht oder herablassend über die anderen Glaubensrichtungen zu sprechen, da die Wahrheit überall zu finden ist.

Nach einer fälligen Mittagspause, bei der sich Magdalena, die ehemalige Hexe, an ihren Besenwirtschaft-Ständen mit Schmalzbroten und Scheiterhaufen dumm und dämlich verdiente, startete eine Podiumsrunde mit illustren Persönlichkeiten. Hänsel Deifel, ein in München promovierter Tübinger Theologieprofessor klinkte sich weiter in das Völker verbindende Thema der Eine-Welt-Religion ein, indem er seine Vorstellung vom Weltethos der Frieden ausdiskutierenden Menschheit verkündigte und vom Nationen einenden Europa schwärmte, das um Mitmenschen nicht zu beleidigen oder zu diskriminieren, ganz ohne Gottesbezug in der Verfassung auskommen kann. Unterstützung fand er in seinem Freund und Meister vom Stuhl Johannes Ratzinger, der ebenfalls dem Vorstand einer neu gegründeten Global-Stiftung angehörte. Dem aktuellen Generalstaatsanwalt war es wichtig darzulegen, wie notwendig es ist, Computer online durchsuchen zu dürfen, um Schwerverbrecher bekämpfen zu können. Ins gleiche Jagdhorn blies sein Logenbruder Justizminister Straussinger, der forderte, das Militär auch im Innern bei Flugzeug-Selbstmord-Attacken oder Großdemonstrationen einsetzen zu können und den Vorschlag zur Einführung der Todesstrafe bei Aufständen in die neue EU-Verfassung mit einbringen wollte. Für mehr Toleranz warb auch der Immobilienexperte Karl Kempe, der es bedauerte, dass seine zu Unrecht verleumdete Scientology Kirche in Deutschland noch nicht den steuerbegünstigten Status, wie in anderen Ländern bekommen hat. Gerne würde er diesen Punkt beim nächsten G8-Gipfel, als von den Glaubensgeschwistern der US-Delegation eingebrachten Tagesordnungsvorschlag sehen. Der durch das Programm leitende Wicked-Oz erläuterte den Zuhörern im Stadion und am Fernsehen, dass sie sich als unbescholtene Bürger keine Sorgen machen müssen, wenn mehrere ins Leben eingreifende Gesetzesänderungen kurz vor dem Abschluss stünden. Er selbst hätte überhaupt nichts zu verbergen und dagegen, wenn man die Daten seines Computers durchforsten würde oder überall in der Öffentlichkeit Videoaufzeichnungen von ihm gemacht würden. Lauschangriffbefürworter Kempe pflichtete noch weitreichender bei, dass er damit einverstanden wäre, wenn zur Sicherheit, wie bei Big Brother, Aufnahmen von zu Hause gemacht werden, das Badezimmer selbstverständlich ausgenommen. So würde fast seine komplette Villa seit 1984 von Kameras überwacht. Ratzinger warb für die innovative Mikrochiptechnologie bei Pässen und Zahlungsmethoden, die durch neueste Computer- und Speicherentwicklungen den Kampf gegen den Terror wesentlich erleichterten. Außerdem sollten sämtliche Handy- und Telefongespräche ein Jahr lang von den Telekommunikationsfirmen festgehalten werden und die Deutsche Telekom die Erlaubnis bekommen wichtige ISDN-Gespräche mitzuhören, falls sie es sowieso nicht schon tat. Straussinger merkte an, dass der US-Geheimdienst CIA zur Verbrechensbekämpfung heute schon alle größeren Auslands-Überweisungen kontrolliert, die über den „das Biest“ genannten SWIFT-Zahlungscomputer in Brüssel laufen, und es deshalb sinnvoll ist, das nicht mehr vorhandene Bankgeheimnis ganz abzuschaffen. Durch eine einheitliche EU-Fiskalgesetzgebung mit identischen Quellensteuern, die durch vereinfachte, überall hinterlegte, lebenslange, personenbezogene Steuernummern verbucht werden, sollten auch Steueroasen wie die Schweiz, Liechtenstein oder Luxemburg fallen, und alle Kontodaten rückwirkend gegen eine kleine Hehler-Gebühr von der deutschen Steuerfahndung oder den Wohnsitz-Finanzämtern überprüft werden dürfen. Der überaus intelligente Ratzinger bekam den Einfall, dass der eifrige Bundesnachrichtendienst BND einen Spamfilter entwickeln könnte, damit bei der künftigen Kontrolle von Emails die unerwünschten Meldungen gleich für die Bundesbürger gelöscht werden, und die nervenden Versender besser ermittelt und bestraft werden können. Das fand den tosenden Beifall vieler Zuhörer.

Eine Fragerunde wurde eingeleitet, bei der Markus Ruf als scheinbar zufällig ausgewählter Theologie Student sich nach den zeitlichen Abläufen der Gesetzesnovellen am Funkmikrofon auf der rotierenden Dreiecks-Bühne erkundigen sollte. Straussinger antwortete, dass die Gesetzestexte in den Parteigremien schon beschlossen worden sind und nur noch durchs Parlament müssen. Bei wenigen Punkten könnte die fehlende Zustimmung des Bundesrats oder eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ein Thema sein, weil es immer Widerständler gibt, die eine Verletzung des in die Jahre gekommenen Grundgesetzes befürchten. „Meinen sie damit die Würde des Menschen oder den Schutz der Privatsphäre?“, wollte Ruf wissen. „Wie wir bereits erörterten, haben unschuldige Bürger überhaupt nichts zu befürchten“, sprach Generalstaatsanwalt Ratzinger und fand Unterstützung vom jesuitischen Theologen Deifel: „Falls die Vorschläge nicht in der deutschen Verfassung verankert werden, machen wir es besser gleich zum EU-Recht.“ Ruf bohrte weiter: „Apropos EU, wäre es denkbar, dass in Europa wieder Panzer auf den Plätzen auffahren und Demonstranten erschossen werden, Herr Justizminister?“ „Diese Fragestellung war nicht verabredet. Worauf wollen sie heraus?“, antwortete ein sich sichtlich verfinsternder Max-Moritz Straussinger, der nicht wissen konnte, dass seine größte Blamage vor der Tür stand und seine Lebensuhr kurz vor dem Auslaufen war. „Dann gestatten sie mir eine anderes Denkspiel. Sind sie alle damit einverstanden, wenn wir ihre harmlosen Gesetzesinitiativen zur Probe in ihrem eigenen Leben anwenden?“, war die nächste freche Anfrage des verräterischen Veritas-Bruders Ruf.

Nach einer kurzen Atempause, der ein alles durchdringender Blick von Elymas vorausgegangen war, bejahten notgedrungener Maßen alle Diskussionsteilnehmer durch ein zaghaftes Kopf nicken. „Vergessen wir diese Hirngespinste und lassen sie uns zum nächsten Programmpunkt übergehen. Ich bitte die Regie eine zusammen geschnittene Präsentation zur neuen Weltordnung einzuspielen“, versuchte Wicked-Oz die Zügel wieder in die Hand zu bekommen. Endlich war die Stunde von Jonathan Fischer, des ursprünglichen Initiators der Veranstaltung, gekommen. Jonathan konnte zu guter Letzt seine wahren Stärken am Schaltpult ausspielen, indem er einen zurecht gelegten Videoclip auf der Großleinwand einspielte. Sein Freund Markus, der in England eine ähnliche, mächtige Gottesvision bekommen hatte wie Jonathan, hatte überhaupt nicht die Absicht, das einmal erteilte Wort wieder abzugeben. Der bestens vorbereitete Markus Ruf fing an zu erklären: „Lassen sie uns zum besseren Verständnis das Motto Glaube und Sehe einmal umkehren und das alles sehende Auge in lebendige, einsichtsvolle Bildern umwandeln. Herr Ehrenprofessor Kempe hat ja bereits erwähnt, dass ein Film von seinem trauten Heim bedenkenlos aufgezeichnet werden kann. Hier sehen wir auf seiner Garagen-Überwachungskamera, wie er seine leblose Frau Maria gemeinsam mit seinem Parteigenossen Straussinger unsanft in den Kofferraum eines Cabrios befördert. Sie glauben nicht, dass diesen Streich Max-Moritz mit ausheckt. Dann achten sie auf das hintere S-MM Nummernschild des daneben geparkten Porsches 914-6 und auf ein in der selben Nacht geschossenes Foto einer Radarüberwachungsanlage. Das Bentley Continental Cabrio ist genauso wenig ein Allerweltskraftfahrzeug. Oh, wie schön man dank der heutigen Technik die verdutzten Blitzlicht-Gesichter des Fahrers und Beifahrers erkennen kann. Fehlt nur noch ein Mitschnitt von der Sterbehilfe auf der Autobahnbrücke. Die gewöhnliche Zeugenaussage eines Lastwagenfahrers reichte Johannes, dem einstigen Oberstaatsanwalt beklagenswerter Weise nicht aus. Bei der heutigen Flut von behördlichen Prozessen kann bekanntlich das ein oder andere von der Polizei sicher gestellte Beweismittel verloren gehen. Wie gut, dass Oberdruide Wicked-Oz anhand zugespielter Informationen genau über alles Buch führte. Als ausgesprochener Befürworter von Online-Durchsuchungen hat er sicher nichts dagegen, wenn wir ein bisschen mehr Erpressungs-Material aus seiner kopierten Festplatte auswerten. Das Publikum traut den ehrenwerten Herren Straussinger und Kempe vielleicht so viel stümperhafte Bosheit nicht zu. Auch nicht wenn sie die beiden gefesselten Masochisten in Uniformen von Hitler und Mussolini sehen? Dass es sich hierbei nicht um eine Fotomontage handelt, hat die dominante Halterin der Peitsche Frau Osiris-Ra, die jetzt Magdalena Stein heißt, bereits an Eides statt versichert.“ Die bislang wie gebannt zuschauenden Straussinger und Kempe gaben sich einen durch Adrenalinausstöße begünstigten Ruck, sprangen auf, versuchten Ruf das Mikrofon zu entreißen und an den Kragen zu gehen. „Ich reiß dir die Zunge raus“, drohte der Justizminister und der Ehrenprofessor schwor: „Ich schlitze dir den Hals auf!“ Dies war das Startsignal zum Einschreiten für Frank Stein und seine Sicherheitstruppe, die die beiden Unterlegenen im Handumdrehen in Handschellen steckten. „Abführen, die zwei Übeltäter lasse ich nach Stammheim hinter Schloss und Riegel bringen. Dort werden sie niemanden mehr schaden!“, befahl der einschreitende oberste Staatsdiener Ratzinger. „Die Untersuchungshaft hätten sie schon vornehmen müssen, als der Banker Jonathan Fischer im Beisein von seinem vermeintlichen Unterstützer Elymas Wicked-Oz die oben eingeblendeten Belege über Waffen- und Geldwäschegeschäfte in ihrem Büro vorgelegt hat“, bemerkte Ruf und fuhr fort, „mittlerweile liegt die Summe von über 4 Millionen gigantischer Bytes an Geheim-Daten bei der etwas gewissenhafteren Staatsanwaltschaft Bochum vor. Denn sie sorgen als eloquenter Gesprächsleiter und Meister vom Stuhl lieber dafür, dass respektlose aufmüpfige Leute wie Fischer ihre Posten als Kirchen-Kassierer, Hausverwalter oder Filialleiter verlieren. Normalerweise werden solche Vorgehensweisen, wie ich selbst bezeugen kann, nur mündlich in unseren Veritas-Freitags-Geheimtreffen besprochen. Aber freundlicherweise finden sich weitere Details in dem regen Email-Verkehr zwischen einem gewissen Nicolas und Elymas wieder. Ja, Ja, schon gut, wir wissen schon, dass sie die Namen der Spender bzw. Hinweisgeber nicht nennen dürfen. Auch haben sie natürlich nichts mit dem Tod von Bankdirektor Gebhart Scharkfisch und der Volksbank-Denkenstadt-Reichskristallnacht zu tun, denn die Anweisung an die mobile Eingreifen Gruppe 8 Abteilung F zur Vollstreckung des Scherbengerichts kam von dem bösen Adolf oder Nicolas, dem spanischen Gerichtsschreiber, der ihren französischen Sekretär mit samt PC nutzt. Was sagt denn der Kommunikator Herr Elymas dazu?“, schloss der eine weitere erfolgreiche Attacke führende Markus. „Ich kann gar nichts dazu sagen, da mir mein entwendeter Computer erst kürzlich wieder zurück gegeben worden ist und einer dieser Chaos-Computerclub-Hacker jede Menge fremder Daten darauf gespielt hat. Meine Damen und Herren, lassen sie sich bitte nicht von diesem infantilen, impertinenten Demagogen beeindrucken. Die Podiumsrunde ist hiermit beendet“, sprach der clevere Zauberer und machte sich schnell mit Ratzinger und Deifel aus dem Staub. Jonathan Fischer ließ es sich nicht nehmen, den Flüchtenden mit einer visuellen und akustischen lauten Explosion, des sich in tausende Teile zersprengenden Auges, einen letzten Schreck einzujagen. Die erstaunte Volksmenge verfolgte freudig deren davon jagenden Austritt durch die Katakomben. So eine blamable Vorstellung waren die Fußballfans eher nach einer hohen Heimniederlage ihres VFB Stuttgart gegen Bayern München gewohnt, während die Krimiliebhaber meinten, eine subtile Tatort- oder ungeheuerliche Aktenzeichen XY-Folge wahrgenommen zu haben. Wie beim Abspann eines Kinofilmes bekamen die amüsierten Beobachter, die geplanten Gesetzesänderungen der Artikel 5, 8, 10, 13, 18, 35 und 102 des Grundgesetzes zum Schluss von Jonathan abgespult. Dies sorgte nicht nur für reichlich Zündstoff an Magdalenas Besen oder in Untertürkheims Stammtischen, sondern auch für eine kritischere Berichterstattung in den wach gerüttelten Medien. Der Sieg von Markus Ruf war, dass die einschneidenden Kontrollmechanismen ins persönliche Leben vorerst nicht wie beabsichtigt verabschiedet werden konnten. Jonathan Fischer fühlte sich ebenfalls hervorragend, da seine Reputation wieder in der Öffentlichkeit hergestellt war und sein mit ausgeheckter Streich in die Geschichtsbücher einging.

Ein weiteres geistliches Erdbeben ereignete sich in der „Schau auf Jesus“ Gemeinde, die sich zu spalten begann. Der in Demut und Sanftmut wandelnde Martin Peter Anrich legte seine Pfadfinderorden und Verdienstkreuze ab, unterteilte den riesigen Stamm in mehrere kleinere Regionen und führte einzig und allein über notwendige Bereiche Buch. Das militärische Führungsprinzip der Royal Rangers wurde geglättet, indem ein gleichberechtigter Ältestenrat über wichtige Entscheidungen beriet und ein Leiter den anderen höher achtete, als sich selbst. Pastor David Diao entschuldigte sich bei allen Mitgliedern für Unwahrheiten und Übertreibungen, die er meinte zur Ehre Gottes verbreiten zu müssen. Er gestand, dass er in Wahrheit nicht alle 40 Tage gefastet hatte, und die vermeintlichen Schussverletzungen auf der Brust tatsächlich Folterspuren von brennenden Zigaretten waren, weil das reale Erschießungskommando seinen früheren Hauskirchenleiter betraf. In Zukunft wollte der zur Übertreibung neigende Asiate reinen Tisch und sich selbst so klein wie ein Eselsfüllen machen, damit der Herr Jesus Christus mehr im Vordergrund sitzt. Nach einem heftigen Streit im Gemeindevorstand über Hypnose und Manipulation im Gottesdienst, trafen sich viele Besucher wieder unter der Leitung von David in der Aula einer Schule, diesmal in Filderstadt. Wicked-Oz gründete hingegen unter dem Namen SGD Schein-Geist-Dienst Stuttgart e.V. eine brandneue Dachorganisation für die Sonntagsveranstaltungen in der Musicalhall, die weiterhin gehörig Zuspruch fanden. Durch seinen imposanten Weltrekord mehrte sich die ihm nachfolgende Anhängerschaft, die weiterhin Astralreisen und Jenseitskontaktaufnahme ausüben wollte. Der esoterische Geschäftsmann begann, erfolgreich auf Deutsch und Englisch Bücher über positives Denken zu verlegen und wurde reich mit seiner kostenpflichtigen Wort- und Scheingeistschule, durch die er wöchentlich Cassetten, CDs, Videos und MP3-Botschaften über das Internet in ganz Europa verkaufte. Der meisterhafte Kontrolleur führte außerdem ein Computerprogramm ein, das automatisch eine Liste der besuchten Webseiten und alle Emails an die nächst höheren Leiter der Gemeinde versendete. Überapostel Wicked-Oz wurde in diesem Bereich von Obermentor Hänsel Deifel überwacht, der zum Dekan der Scheingeistschule aufstieg und fleißig denunzierende, verklagende SMS über aufmüpfige Gemeindemitglieder sammelte. Die Verwicklung in böse Machenschaften wurde somit dem von Neuem im Geist geborenen Elymas von seinen engelsgläubigen Jüngern immer weniger angelastet, zumal diese belanglosen negativen Gerüchte laut Inquisitor Deifel nur das vergangene sündhafte Leben betrafen und die Computer-Vorwürfe von Markus Ruf sowieso nicht hieb- und stichfest beweisbar waren.

Nichts desto trotz wurde eine große Attacke auf den manipulierenden Geistlichen von anderer, nicht erwarteter Seite geführt. Der ehemalige Schüler Max-Moritz Straussinger, wagte es tatsächlich vor Gericht seinen Therapeuten, christozentrischen Heiler und Propheten mit in den Schmutz zu ziehen. So wäre er mit den Sadomaso Bildern monatelang anonym erpresst worden, damit er hohe Geldsummen bezahlt. Für die an die Staatsanwaltschaft weitergeleiteten Bankbelege hätte er ebenfalls eine Millionensumme an den Vermittler Wicked-Oz berappt. Allerdings seien dem eigentlich Betrogenen von dem angeblich das Schutz- und Lösegeld übergebenden, griechischen Mafioso Elymas, wie sich jetzt herausstellte, nur wertlose Kopien übermittelt worden. Seine Parteispenden- und Waffengeschäfte seien sowieso von oberster Stelle genehmigt worden und längst internationale Rechtspraxis. Weitaus mehr Dreck am Stecken habe da Karl Kempe mit seinen Immobilienverwicklungen und dem Mord an Maria Müller-Kempe. Die selige, Strom getaufte Maria sei nämlich nach einem heftigen, ketzerischen Bekenntnisstreit mit ihrem wütenden Ehemann längst Tod in der Badewanne gelegen, als Max-Moritz sie aus Gefälligkeit für den finalen Abflug mit in den Kofferraum verfrachtet habe. Schließlich war ihm und seinen Brüdern, denen allen das Wasser bis zur Oberkante Unterlippe stand, stark daran gelegen, dass die Geldwäschehandlungen bei der Volksbank Denkenstadt eG nicht an die Oberfläche kamen. Seine Krawatte am Hals festzurrend fuhr der Politiker fort, dass der Staatsanwalt und Richter mit ihren Unschuldsmienen nicht so fragend dreinschauen sollen, denn sie hätten sowieso kein Recht, den immunen Justizminister anzuklagen oder zu verurteilen. Schließlich wüsste doch inzwischen jedes Kind, dass der hochverehrte Generalstaatsanwalt Johannes Ratzinger Chef in der Veritas-Freimaurerloge sei und somit alle Strippen in der Hand hält. Nach dieser Anschuldigung wurde die Verhandlung erst einmal ausgesetzt.

Die letzte Stunde von Straussinger hatte geschlagen. Auf dem Weg in den Hochsicherheitstrakt nach Stammheim wurde dem aufständischen Jusizminister wegen eines Fluchtversuchs eine Kugel in den Kopf geschossen. So lautete jedenfalls die offizielle Version. Dem aufmerksamen Leser sei vorab verraten, dass der Mithäftling Karl Kempe von einem Logenfreund eine Armee-Pistole zugespielt bekam, damit er in dem gemeinsamen Gefangenenbus Rache und Selbstjustiz ausüben kann.

Jonathan wunderte sich auf der Fahrt zur Arbeit ins Stuttgarter Stadtzentrum warum die Deutschlandfahne beim Landtag von Baden-Württemberg auf Halbmast gehisst war. Als er das Autoradio einschaltete erfuhr er vom Tod seines ehemaligen Bankkunden und Parteifreundes. Ein mulmiges Gefühl beschlich Jonathan. Er wusste aus dem Buch der Sprüche, dass man sich über den Untergang eines Bedrängers nicht freuen soll, aber wenn das so weiter ging, wie würde dann erst Elymas enden? Bei der Evangelischen Kreditgenossenschaft angekommen, versuchte Jonathan seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Sein höchstes Ziel war eine Frau zu bekommen. Für die Erreichung seiner Vision benötigte er unbedingt Sommerurlaub für die gemeinsame Zeit mit Phoebe. Deshalb übergab er vor Schalteröffnung ein Werbeprospekt der Missionsgesellschaft „Posaune zur Rettung Israels“ an seine junge Abteilungsleiterin Elisabeth Schätzle und bettelte: „Bitte gib deinem alten Betriebsratchef Urlaub in dieser Zeit. Es ist wirklich wichtig.“ Elisabeth bemerkte keck: „Oh, ich war als Kind selbst in Israel in den Ferien im Kibbutz von Zichron Jaacov, weil meine Eltern zur Korntaler Gemeinschaft von Emma Berger gehören. Würdest Du mich mit auf die Pilgerreise nehmen?“ „Selbstverständlich, aber bitte mach keine Späße und unterschreibe den Urlaubsantrag. Du ahnst gar nicht wie viel für mich davon abhängt“, flehte Jonathan. „Wenn dem so ist kann ich nicht nein sagen“, lächelte die ihm tief in die Augen schauende Schätzle und gab ihr Autogramm auf den Zettel. „Du weißt gar nicht wie viel mir dein Ja-Wort bedeutet“, schloss der in Entzückung geratene Storyheld, der seiner errötenden Chefin vor lauter Freude einen Kuss auf die Backe gab. Jonathan bekam wie nie zuvor eine Gewissheit im Herzen, dass er die ersehnte Frau bekommen wird und schwebte auf Wolke Sieben.

Trauriger ging es da schon ein paar Tage später bei der Beerdigung von Max-Moritz Straussinger zu, die Jonathan interessiert verfolgte. Getreu dem Leitvers „Man muss die Toten in guter Erinnerung behalten“ waren die prominenten Wegbegleiter erschienen, um die letzte Ehre zu erweisen. Der über allen Klee lobenden Grabrede von Johannes Ratzinger im Freien lauschend, wunderte sich Jonathan darüber, was für ein guter Mensch der hoch dekorierte Justizminister Straussinger doch war. Die Stimme Gottes, Ratzinger, verkündigte seine letzten Worte: „Aufgrund der großen Verdienste steht es unserem engelhaften Bruder Max-Moritz zu, zur Rechten des Vaters zu sitzen und wir alle werden die Sonne und den Morgenstern hoffentlich früher oder später im allerhöchsten Himmel wieder sehen.“ Etwas Seltsames und Tragisches geschah. Ratzinger fasste sich mit seiner rechten Hand unter sein Sakko-Revers ans Herz, verlor das Bewusstsein und flog kopfüber ins verwurmte Grab. Er hatte einen Schlaganfall erlitten.

Die Aussage der Heiligen Schrift bestätigend, dass alles Verborgene einmal ans Tageslicht kommt, wurde der Mord an Straussinger auf schauerliche Weise aufgeklärt. Eine unerklärliche Furcht und Schrecken kam auf die Trauerversammlung durch ein nahendes Gewitter. Nicolas, der Gerichtsschreiber fing an zu schreien: „Das ist das Gericht Gottes dafür, dass Ratzinger Straussinger umbringen ließ. Und ich bin mit Schuld. Ich habe die Pistole auf Geheiß meines dahin geschiedenen Chefs versteckt und Kempe in seiner Gerichtsakte ausgehändigt. Herr, hab Erbarmen mit mir armen Sünder, dass mir nicht Gleiches geschieht.“ Die anwesenden zwei Strafvollzugsbeamten, die wiederum einen Gefangenentransport durchführten, fielen auf ihre Knie und schrien: „Herr vergib uns die Lüge zu behaupten, wir hätten Straussinger auf der Flucht erschossen.“ Ihr zur Beerdigung Freigang bekommender Häftling Kempe streckte seine eisernen Handschellen in die Höhe und begann laut zu fluchen: „Himmel Herrgott noch einmal, was für ein Unsinn. Ich schwöre beim Allerhöchsten, ich bin unschuldig. Wenn das stimmt soll mich der Teufel holen.“ Ein kurzer Lichtstrahl der von einem lauten Krachen begleitet wurde erfüllte augenblicklich und auf Anhieb des Mörders Wunsch. Alle Furcht ergriffenen Menschen sanken stracks auf die Knie, begannen ihre Sünden zu bekennen und fingen jämmerlich zu weinen an.

Als sich nach einer Stunde die Gemüter samt Unwetter wieder beruhigt hatten, wurde die Regen durchnässte Leiche von Johannes, der laut Obduktion einem Herzinfarkt erlegen war, geborgen. Auch der erschlagene Karl und erschossene Max-Moritz wurden bei der Gelegenheit gerichtsmedizinisch untersucht. Denn wissbegierige Kriminologen wollten Beweise für die neue Mordversion der an für sich zu Grabe getragenen Leiche. Letzten Endes fanden sie diese in dem im Hinterkopf steckenden 9 Millimeter Projektil. Es stammte aus einer vom Titanen „Karl des Großen“ verwendeten, veralteten Walter P38 Wehrmachtpistole, die einst für Adolf Hitlers Schergen hergestellt wurde. Die Leibesvisitation brachte noch andere erstaunliche Details ans Tageslicht. Ein Bild-Reporter wollte durch Indiskretionen herausgefunden haben, dass die drei Leichen auf den Gesäßen jeweils die selbe Tätowierung der Eule von Minerva unter die Dermis eingestochen bekommen hatten. Zudem trugen alle bekannter Maßen den gleichen schwarz-goldenen Giftring. Die größte Sensation seit dem Fund der Hitler-Tagebücher war ferner die Verbreitung einer Geheimliste mit Namen hoch gestellter Persönlichkeiten, die ebenfalls die Eule anbeten würden. Gerüchte verbreiteten sich, dass sich selbst ein früherer Bundeskanzler in den Wäldern von Kalifornien regelmäßig vor einem übergroßen Tiergötzenbild nieder wirft. Ein weiterer, vor Gericht ausgetragener Streit, entbrannte um das Vermögen der kinderlosen Kempe-Müller Dynastie. Die Scientology Sekte versuchte vergeblich an die Ländereien zu kommen, die trotz Marias entzündetem, zerstörtem, neuen Testament, dem sich weltweit ausbreitenden Vatikanstaat zugesprochen wurden. Der Zeitzeuge Jonathan Fischer wurde sprachlos bei diesen turbulenten Entwicklungen. Erst zu Beginn der Sommerferien kehrte wieder mehr Ruhe in sein Leben ein.

Endlich war der lang ersehnte Tag für ein Wiedersehen mit Phoebe durch die Reise nach Jerusalem angebrochen. Jonathan checkte nochmal sein Gepäck und überlegte krampfhaft, ob er etwas vergessen hatte. Ja natürlich, er musste noch seinen Reisepass einstecken. Wie gut es doch ist, eine friedvolle innerliche Stimme durch die Verbindung zu Gott zu haben, freute sich der Banker und wurde kreidebleich, als er auf das Ablaufdatum seines Reisedokuments achtete. „Nein bitte nicht, Jesus, nein nur das nicht. Mensch Fischer, was bist du blind und blöd“, ging es ihm zunächst durch den Kopf, um sich alsbald zu korrigieren: „Lieber Papa im Himmel hilf mir. Ich weiß du bist gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und groß an Gnade und Erbarmen. Schenke mir eine Frau, ich will und kann einfach nicht länger warten. Lieber Heiliger Geist, bitte gib mir eine rettende Idee.“ Jonathan war es so, als ob er den Namen Julia Rüger in seinem Brustraum hört. Aber er kannte keine Julia Rüger. Also setzte er sich an den Computer und forschte mit Hilfe von Google im Internet nach. Auf der zweiten Seite war ein Frau, die so hieß und auf dem Bürgeramt Bernhausen arbeitete. Da machte es klick. Das war doch die nette Dame die Martin Peter Anrich zu einer anderen Pass-Identität für sein Chinavisum verhalf. Jonathan wählte die Büronummer, um enttäuscht vom Anrufbeantworter zu erfahren, dass Samstag früh geschlossen war. So leicht wollte er nicht aufgeben. Die Telefonauskunft konnte ihm zum Glück weiterhelfen und vermittelte ihn an eine Privatnummer. Hoffentlich ist es auch die selbe, dachte sich Jonathan, doch die Julia am anderen Ende hörte sich alt und gebrechlich an. Dass alte Leute sehr gut zur Hilfeleistung fähig sind, bewies der unverständliche, kaum hörbare Hinweis, dass eine Namensvetterin bei ihren Eltern in der schönen Bergstrasse wohnen würde. Jonathan fühlte sich an seine Ankunft in Phönix erinnert, als er vor verschlossenen Türen stand und erst beim innerlichen Aufgeben Gottes Eingreifen erfuhr. Wahrlich, wenn ein Samenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bringt es keine Frucht. Er schaffte es den Vater an den Hörer zu bekommen, doch der konnte nicht weiter helfen, da die Tochter in der Badewanne saß. Er tröstete Jonathan zum Abschied damit, dass es die Möglichkeit gab, einen vorläufigen Reisepass zu erstellen und er den Israel-Flug bis Montag Nachmittag verschieben soll. Die Charterfluggesellschaft Arkia verkehrte nicht so oft von Stuttgart nach Tel Aviv, weswegen der folgende Umbuchungswunsch abgelehnt wurde. Jonathan legte zornig den Hörer auf und war am Boden. In einem kurzen Gedanken wurde er versucht, Gott zu verfluchen. Da erinnerte er sich plötzlich, wie er nach seiner Reise in die Schweiz erfolgreich unter das Messer kam. Er betete: „Selbst wenn du mich schlachtest und dahinraffst vertraue ich dir, wie Abraham mit seinem Sohn Isaak, weil du die Toten zurück zum Leben bringen kannst.“ Das Telefon klingelte. Julia Rüger war am Apparat. „Ist es wirklich so dringlich, den Passersatz zu bekommen?“, erkundigte sie sich. „Ja ich konnte den Flug nicht umbuchen“, versicherte der Fernreisende, „zudem erwarte ich heute, endlich auf meine erhoffte Ehefrau zu treffen.“ „Na gut, ich wollte ohnehin zum Metzger gehen und fliege bald mit einer Schweizer Reisegesellschaft selbst nach Israel. Wir treffen uns in einer halben Stunde am Busbahnhof im Bürgeramt Bernhausen. Bringen sie ein Passbild mit. Das Verfahren kostet um die hundert Mark.“

Jonathan bewunderte die aufopferungsbereite Verwaltungsfachangestellte, als er ihr attraktives, weibliches Zopf-Profil bei der Arbeit musterte. „Sie müssen mich gar nicht so begeistert betrachten“, schien die tüchtige Rockträgerin bemerkt zu haben, „in Kürze werden die bürgernahen Chefs aus den oberen Etagen von der Stadtverwaltung ohnehin die Samstagsarbeit für uns einführen.“ Zur Verabschiedung bedankte sich Jonathan mit einem sanften Händedruck und dankbaren Blick in die ungeschminkten Augen seiner Retterin Julia Rüger. Solche demütigen Eselchen brauchte es auf der Welt, dachte er sich beim hektischen Einsteigen in den abfahrenden Bus. Jetzt passte alles. Um Parkhausgebühren zu sparen, hatte er sein Auto in einer Seitenstraße abgestellt und schaffte es gerade rechtzeitig zur Abfertigungshalle des nahe gelegenen Flughafens.

„Du siehst aber ganz schön verschwitzt und abgekämpft aus, großer Aufpasser“, lautete die unerwartete Begrüßung von Christoph Ziegler, des Pastorensohns und Mitglieds der BGG Stuttgart 1955 e.V. und Schachvereins Wolfbusch 1956 e.V.. „Mensch Christoph, du schlauer Halunke. Wieso fliegst du denn nach Israel?“, wollte Jonathan wissen. „Die Psalmen sagen, es läge ein großer Segen darauf nach Jerusalem zu pilgern. Das kannst du vielleicht nicht glauben, aber Jesus hat mir in einem Traum gezeigt, dass auf mich ein besonderes Geschenk wartet. Du wirst es sehen. Was will ich dir später sagen. Nur soviel sei verraten, viele Suchende stecken einen Zettel mit diesem Wunsch in die Klagemauer.“ „Jetzt sprichst du in Geheimnissen. Aber warte, ich komme dir schon auf die Schliche“, spaßte Jonathan, der sich in eine der Interviewkabinen des israelischen Sicherheitsdienstes begeben musste. Sein überprüfender Befrager beäugte argwöhnisch den Passersatz und erkundigte sich: „Was machen sie denn in Israel?“ „Ich nehme an einer Sommerevangelisation teil, um den Juden ihren Messias Jeschua näher zu bringen, und nebenbei treffe ich mich mit meiner zukünftigen Frau“, war die aufrechte Antwort. „Kennen sie jemand der Mitreisenden und wurde ihnen etwas anvertraut, zum Mitnehmen?“, fragte der junge Israeli wie immer. „Ja, ich habe durch Zufall meinen Freund Christoph getroffen, der mir von einem Mysterium erzählt hat, dass sich bald als Geschenk Jesu erfüllen wird, sonst kenne ich niemanden“, meinte der zukünftige Judenevangelist, indem er wiederum etwas von seinem christlichen Glauben ausbreitete. Eine kurze Pause wurde eingelegt, bis zwei Befrager mit ihren Protokollen zurück kamen. Shimon Bileam, der leitende Mossad-Mitarbeiter wollte Jonathan Fischer als EKK-Agenten entlarven und fing an zu behaupten: „Ich warne sie, ich habe mich über sie nicht nur aus den Medien kundig gemacht. Wenn sie uns nicht die Wahrheit sagen bleiben sie zuhause. Mich legt keiner so schnell rein. Erzählen sie mir etwas über Elisabeth Schätzle. Woher kennen sie diese Frau und wie arbeiten sie mit ihr zusammen?“ „Das ist meine frühere Auszubildende, die mir einmal einen netten Liebesbrief geschrieben hat. Wollen sie den etwa durchleuchten? Nein, das geht sie überhaupt nichts an!“, sagte der immer ungehaltener werdende Jonathan. „Haben sie in irgendeiner Form Werbung für unorthodoxe Kampagnen, wie die von Jakob Damkani gemacht und jemanden eingeladen mitzukommen?“, war die nächste Überführungsfrage. „Ja, ich habe Werbung auf der Königstraße für den deutsch-stämmigen Juden Ludwig Schneider gemacht und treffe mich deshalb mit Phoebe, der griechischen Stewardess“, Jonathan beruhigt sich wieder für eine kurze Zeit. „Lügen haben kurze Beine. Der Airbus-Vogel wird heute ohne sie und ihre EKK-Abteilungsleiterin Elisabeth Schätzle abfliegen. Sie brauchen mir gar nichts mehr erklären“, sprach Bileam, der jedes weitere Wort verbietende, gewiefte Prophet. Der ahnungslose Jonathan musste gedrungener Maßen seinen durchwühlten Koffer packen. Am Ausgang wartete Schätzle mit ihrem Gepäck auf ihn. „Tut mir Leid. Es sollte eine Überraschung werden, dass ich auch mit fliege. Ich hatte ja keine Ahnung was für schwierige Fragen bei der Abreise gestellt werden“, entschuldigte sich Elisabeth, die jeweils so ziemlich das Gegenteil von Jonathan behauptet hatte und dessen Vernehmungsprotokoll als Einreiseverbots-Begründung durchlesen durfte. „Was hast du denn ausgesagt?“, bat Jonathan um Aufklärungsunterricht. „Na die Wahrheit. Dass ich deine lang vertraute Abteilungsleiterin bei der EKK bin und du mir einen Flyer von der „Posaune zur Rettung Israels“ in die Hände gedrückt hast. Ich hatte ja keine Ahnung davon, dass du meine uralten, vergeblichen Annäherungsversuche verpetzt. Was machen wir jetzt? Ich habe ebenfalls das Geld für die kompletten drei Wochen im Voraus überwiesen. Nehmen wir ein Pferd wie die Kreuzritter?“ Jonathan rieb sich an Wickie erinnert, die angeschlagene Pentagrammsternennase. Eigentlich hatte er allen Grund sauer auf Schätzle zu sein, die ihm wegen des empfundenen Unrechts mehr denn je zur Verbündeten wurde. Seine Augen wanderten durch die Eingangshalle des Flughafens, bis sie an Julia Rüger erinnert, an einem weißen Kreuz auf rotem Grund hängen blieben. „Lass uns am Swissair Schalter nach eidgenössischen Verbindungen fragen“, war die gute Idee des eine Frau ersehnenden Fiktionshelden. Die joviale homophile Hostess Uli suchte nach Alternativen für die beiden Honeymooner, die der Mann hoffte am Bildschirm zu gewahren. In der Tat führte die Reise die Pleitegeier nun über den Umweg Zürich nach Tel Aviv.

Jonathan blieben zwei Tage der Besinnung bis er Elisabeth Schätzle am Montag früh um sechs Uhr wieder traf. Ein kurzweiliger Contact-Air-Flug führte sie zur nächsten Bewährungsprobe in die Schweiz. Die dortigen Untersuchungsmethoden waren zwar im Gegensatz zu den neu getätigten Erfahrungen und der verjährten Einreise nach Sankt Moritz viel angenehmer, weitaus moderater und wesentlich neutraler. Trotzdem, die nächste größere Krise stand für Jonathan nach dem Betreten der Gangway bevor. Beim Einstieg in die Boeing traute der Passagier, der das freundliche Grüß Gott einer an Phoebe erinnerten Stewardess erwiderte, seinen Augen nicht. Das schweizer Gegenstück zur deutschen Bildzeitung entgegen nehmend fiel sein Blick auf zwei prominente, klatschende Persönlichkeiten in der ersten Klasse. „Nein, nur das nicht. Nicht nochmal eine Konfrontation“, ging es Jonathan durch den Kopf, der sein Gesicht nach links wendete und den Gang wechselnd Elisabeth an der Hand nahm. „Was hast Du? Ich finde es ja schön, wenn wir Händchen halten, aber du zitterst so stark“, erkundigte sich Schätzle, die am Fenster Platz nahm. „Ich habe keine Lust mich wieder mit Elymas Wicked-Oz anzulegen, und dieser Hänsel Deifel ist mir auch nicht geheuer“, der ängstliche Bibelstudent schlug zur Beruhigung Psalm 91 in seiner Senfkornbibel auf.

„Gegrüßet seist du kleiner Sünder, was liest du da“, eine Hand legte sich auf seine Schulter, „du wirst gleich dein blaues Wunder erleben. Ich zeige dir wer mehr Macht von uns beiden hat“, behauptete Elymas, der in die First Class zurück schlenderte. „D´r Moa isch rächt bös. War des d´r Deifel oder d´r g´rissene Zaubar´r von Os?“, erkannte fragend Elisabeth, die am Triebwerk sitzende schwäbische Queen. Jonathan erzählte Teile seiner „Arm oder reich? Tod oder lebendig?“ Story, als plötzlich ein grelles Licht an der benachbarten Flügelseite aufleuchtete. In dem Moment des Übergangs von der Erde in die Luft, hatte sich die nahe gelegene Kerosin-Turbine entzündet. Jonathan wendete seinen Blick und suchte die Sicherheitsanweisungen aus dem an der Rückenlehne befindlichen Gepäcknetz heraus, in dem sich ebenfalls die Regenbogenzeitung befand. In diesem Moment glaubte er die Stimme des Teufels zu hören, dass von seinem Untergang am nächsten Tag exakt in diesem Blatt berichtet wird. „Mist, ich hätte mich nicht mit dem Satan in diesem Magier anlegen sollen. Lucifer, der Fürst dieser Welt und Herr der Lüfte, ist niemals zu unterschätzen.“ Das Flugzeug flog eine Schleife, um sofort wieder zur Landung anzusetzen. Jonathan schaute wiederum auf den Flügel und glaubte eine Engelsvision zu bekommen. Eine Panik brach an Bord aus. In dem Moment fragte Elisabeth: „Siehst du diese Wolkenformation? Das schaut ja wie ein gewaltiger Erzengel aus.“ „Schau auf Jesus den Retter und flehe um sein Eingreifen!“, rief Jonathan wie in Ekstase. Der Fiktionsheld löste zugleich seinen Gurt, stand verbotener Weise auf und verkündigte lauthals: „Wer im Schutz des Höchsten wohnt, bleibt im Schatten des Allmächtigen. Meine Zuflucht und meine Burg, mein Gott ich vertraue auf dich.“ Die zahlreichen zionistischen Mitreisenden beteten im Rausch mit: „Mit seinen Schwingen deckt er dich, und du findest Zuflucht unter seinen Flügeln. Schild und Schutzwehr ist seine Treue“, bis sie nach der sicheren Landung zur Erde friedlich zu Ende ausführten, „er ruft mich an, und ich antworte ihm. Ich bin bei ihm in der Not. Ich befreie ihn und bringe ihn zu Ehren. Ich sättige ihn mit langem Leben und lasse ihn mein Heil schauen.“ Diese phantastische, bodenlose Begebenheit nützte der Deifel, der im vorderen Abteil der Reichen zuerst von der Feuerwehr befreit wurde, zur Propaganda. Stolz zitierte der Scheingeist-Theologieprofessor vor den wartenden Journalisten hinter der Gepäckausgabe: „Wir stürzten ab, wie der Blitz, aber er hat seinen Engeln über uns befohlen, dass sie uns auf den Händen tragen, damit wir nicht etwa unsere Füße an einen Stein stoßen.“ Jonathan wollte nicht schon wieder ins Rampenlicht treten. Deshalb versteckte er sich mit Schätzle in der Flughafenkapelle, um gemeinsam mit anderen überlebenden Passagieren ein Dankgebet zu sprechen. Als die Actionhelden sich erkundigten, wie sie jetzt ihr Reiseziel erreichen können, waren die freien Sitzplätze der Alternativverbindungen bereits vergeben. Gut dabei empfand Jonathan, dass die beiden feindlich gesinnten Kirchenbrüder bereits über Dubai weiter geflogen waren und Swissair einen Hotel- und Essensgutschein ausgab. Dafür konnte er Phoebe nicht so schnell, wie erhofft wieder sehen. „Lass uns das Beste aus der Situation machen Elisabeth. Wir könnten auf dem Zürichsee entlang der Goldküste mit ihren Vorort-Villen eine Bootstour unternehmen. Falls die Zeit es zulässt, würde ich abschließend gerne die Kunstausstellung der weiß getünchten Hausbank meines Schornsteinfegermeisters besichtigen. Was meinst du?“ „Weist du Jonathan. Ich folge dir in den Ferien überall hin. Aber danach bin ich wieder die Chefin!“

Mit einem weiteren Tag Verspätung erreichte das unfreiwillige Gespann das gelobte Land. Der ungeduldige Jonathan orderte ein Taxi vom Flughafen Tel Aviv nach Jaffa, wo der messianische Jude und Evangelist Jakob Damkani sein Domizil unterhielt. Endlich hoffte er seine Phoebe wieder zu treffen. Zunächst öffnete eine weitere deutsche Elisabeth, die das Haus hütete, die Tür. Leider war die 30-köpfige internationale Reisegruppe bereits mit dem Bus nach Jerusalem abgereist. Jonathan fiel in eine leichte Depression, wie bei seiner Ankunft in die USA. „Ich schlage vor ihr kommt herein zum Essen und übernachtet hier“, sprach die deutsch-israelische Mitarbeiterin Elisheva. „Prima Idee, nach dem ganzen Stress den wir erlebten“, zeigte sich Schätzle einverstanden, „hast du in den Nachrichten gehört, unser Flugzeug ist schier abgestürzt?“ „Nein, ach was, erzähl“, wollte die eine von der anderen tratschenden Namensschwester wissen. Der schweigsame Jonathan betrachtete das schwatzende Treiben des folgenden Kaffeeklatsches eine Stunde lang. Diese groß gewachsene zweite Elisabeth, mit ihren blonden Haaren, blauen Augen und hell gefärbter Haut, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Auch das alt vertraute, jüngere, burschikose Gegenstück, das mit dunkelbraunen Haaren, braunen Augen und dunklem Teint eine gewisse Attraktivität ausstrahlte, begann ihm zu gefallen. Jonathan fühlte sich in seinem Gemüt so seekrank, wie auf einem Schiff, das im Sturm ohne Ruder von den Wellen hin und her und auf und ab geschaukelt wird. Seinen melancholischen Gefühlen ein Ende bereitend, ergriff er sprunghaft das Wort: „Tut mir Leid. Ich warte nicht länger und miete mir ein Auto. Wo sagtest du übernachten die anderen, Elisheva?“ „In der Jerusalemer Altstadt im Christ Church Guesthouse. Übermorgen reisen sie nach Eilat weiter“, wusste die Gastgeberin, „in Jerusalem ist der Feierabend-Verkehr oft chaotisch. Bist du dir wirklich sicher, dass du heute noch fahren willst?“ „Komm Jonathan, es ist so gemütlich hier“, meinte Elisabeth. „Elisabeth folgt mir überall hin und Elisheva bringt mich zum Car Rental hin, oder?“, war sich Jonathan sicher. Die Reise nach Jerusalem fand in einem japanischen Kleinwagen ihren Abschluss. Jonathan und Elisabeth begriffen in dem 58 PS Benziner, warum in den Evangelien steht, dass man hinauf nach Jerusalem zieht. Es dämmerte. Ein nervender Verkehrsstau bildete sich vor den Toren der Stadt. Endlich wieder freie Fahrt erhaltend, stockte Jonathan für eine kleine Zeit an einer Kreuzung und fragte: „Geradeaus oder rechts? Was sagt die Karte Elisabeth?“ „Geradeaus, aber Obacht, es gilt rechts vor links.“ Der Lenker gab nach rechts blickend abrupt Gas. Es folgte ein lautes Krachen. Der linke vordere Kotflügel mit samt der Motorhaube wurde durch einen lauten Zusammenprall zertrümmert und der grüne Daihatsu Sirion so stark nach rechts geschleudert, dass er nach einer halben Drehung über die Bordsteinkannte auf der Beifahrerseite zum Stehen kam. Die Airbags hatten sich ausgelöst. Jonathan hing doppelt in der Luft. Zudem verspürte er wieder seine vergangenen Hüftschmerzen. Der eingeklemmten Schätzle ging es mit einem Schleudertrauma nicht besser. Zwei Männer näherten sich laut fluchend. „Are you alright?“, tönte es von Englisch auf Deutsch übergehend, „wenn ich gewusst hätte, dass du im Auto sitzt Jonathan, dann hätte ich noch mehr Gas gegeben. Warum wartest du Trottel so lange, um dann trotzdem zu fahren, ohne auf mich aufzupassen?“, wollte Elymas Wicked-Oz wissen. Sein Beifahrer Hänsel Deifel winkte ein paar Passanten herbei, die halfen, das zertrümmerte Gefährt wieder auf die Räder zu stellen. Die unversehrten Deifel und Wicked-Oz hatten nicht gespart und einen doppelt gewichtigen, schwerlich verformbaren Toyota Land Cruiser inklusive Edelstahl-Rammbock gemietet. Mit einem einheimischen Mercedes-Benz Krankenwagen wurde das von der Polizei befreite Paar ins Hadassah Krankenhaus gefahren. An andere Diablo Begegnungen erinnert, beobachtete Jonathan, wie das junge Schätzle, mit der im Vergleich zu Stein-Osiris-Ra kleineren Oberweite, eine Halskrause angepasst bekam. Beide Patienten durften zur Sicherheit und dank der fortgeschrittenen Stunde übernachten. „Wenigstens hatte ich Recht“, bemerkte der Patient, worauf die gekränkte Schätzle argwöhnte: „Das hätte uns im Todesfall nichts genutzt!“ Recht hatte sie und Recht hat rechts vor links.

Am nächsten Morgen machte sich das schnell genesene Paar mit einem weiß-roten öffentlichen Bus auf den Weg in die Jerusalemer Altstadt. Jonathan erfasste, wie auf dem Nachbarsitz ein Fahrgast krampfhaft versuchte, ein elektronisches Teil zu betätigen. „May I help you? I´m an electronics fan? – Kann ich helfen? Ich bin ein Technikfreak?“, war sein nettes Angebot. Zwei vor ihnen sitzende, weniger charmante, weibliche Soldaten drehten sich um, rissen den Auslöser an sich und nahmen den Mann mit Hilfe ihrer Gewehre fest. Der palästinensische Selbstmordattentäter hatte vergeblich versucht, seinen Sprengstoffgürtel zu zünden.

„Jonathan, das ist jetzt das dritte Mal, dass ich schier ums Leben komme“, stellte Elisabeth fest, „langsam frage ich mich, ob es richtig war mit dir zu reisen.“ „Du hättest ja nicht mitkommen müssen. Stell dir vor mein spannendes Leben wird einmal verfilmt. Dann wirst du berühmter als Indiana Jones oder die Queen“, erkannte richtig der kühne Storyheld. Das am Jaffator gelegene Christ Church Guesthouse war nicht mehr weit. An der Rezeption angekommen bekam Jonathan die Auskunft, dass die internationale Reisegruppe eine Sightseeing Tour durch die 2 mal restlos zerstörte, 23 mal gegnerisch umlagerte und 52 mal feindlich angegriffene Stadt des Friedens unternimmt.

„Lieber Heiliger Geist. Bitte führe mich zu meiner zukünftigen Ehefrau. Ich spüre ganz gewiss, dass sie sehr nahe hier ist“, betete der gefrustete, erfolglose Fischer innerlich. Die wartende Schätzle bekam die Idee: „Lass uns zur Klagemauer gehen. Der Ort ist ein beliebtes Ziel für alle Besucher. Ich möchte dort ohnehin ein Gebetsanliegen los werden.“ Also schlenderte das sein Gepäck zurück lassende, unfreiwillige Paar durch die engen Gassen der Händler, bis sie an der Jahrtausende alten Steinformation des Tempelbergs angekommen waren. Elisabeth Schätzle wollte ein Zettel an Gott posten und Jonathan Fischer tat es ihr gleich, indem er ein Papier in die Ritzen der mächtigen Steinquader steckte. In dem Augenblick tätschelte aus heiterem Himmel eine Hand auf seine Schulter. Eine Stimme sprach: „Jonathan, du wirst nie bekommen was du willst, ich habe mich in den Scheingeist versenkt und gesehen wie deine Erflehte von einem Freund ausgespannt wird.“ Wicked-Oz machte sich einen Spaß daraus, seinen ehemaligen Mitbewohner zu ärgern. „Elymas, falls es dir gelingt meinen Lebenstraum zu zerstören, gibt es den totalen Krieg zwischen uns“, erzürnte der deutsche Reichsminister für Volksaufklärung. „Der Kampf in den Gestirnen ist längst ausgebrochen, als du mir Magdalena abspenstig gemacht hast. Spürst du Widder nicht, warum sich unsere Wege immer wieder kreuzen. Für die gemeine Saat wirst du Böses ernten“, prophezeite der hinterhältige, hellsehende Astrologe.

Die Sinnkrise vergrößerte sich bei Jonathan, als er mit Elisabeth im Restaurant beim Temple Institute saß und die Jerusalem Post studierte. Er suchte eine Pressemitteilung über seinen gestrigen Verkehrsunfall. Statt dessen trafen seine Augen auf ein Bild von Phoebe Leontopoulou, die einen anderen Mann in den Armen hielt. Die Gruppe um Jakob Damkani hatte einen Aufruhr ausgelöst, als sie mit Jeshua Ha Mashiach (Jesus der Messias) T-Shirts durch das ultraorthodoxe Viertel Mea Shearim liefen. Neben dem seit Jahren wiederholt tätlich angegriffenen und in Untersuchungshaft genommenen Gute-Nachricht-Verkündiger Jakob, traf es Christoph Ziegler besonders hart. Er wies auf dem Foto eine blutende Nase auf und hatte ein blaues Auge und zerrissene Kleider davon getragen. Schätzle meinte dazu: „Da haben sich die Richtigen gefunden.“ Und Jonathan hoffte: „Das hat nichts zu bedeuten, mich hat Phoebe auch fürsorglich bemuttert.“

Leiblich gestärkt machten sich die Falafelgenießer auf die weitere Suche. Die Via Dolorosa abschreitend begegnete ihnen ein palästinensischer Junge mit jordanischer Staatsbürgerschaft, der das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ verehrte. Der im hellbraunen Militärlook gekleidete Knappe sprach Englisch und bot sich als Führer an. Dieser Hassan versicherte, die ausländische Reisegruppe gesehen zu haben. Deshalb führte er, gegen ein kleines Almosen, die angeworbenen Touristen, durch die verwinkelten Gänge zur Grabeskirche. Dort angekommen prahlte er, den Schlüssel zum schweren Eingangstor in der Hand zu halten. Jonathan wettete um 100 Dollar, dass das nicht stimmt. Alsdann verfärbte sich sein Gesicht kreidebleich, da der Knabe ihn eines Besseren belehrte.

Die Fiktions-Autoren wollen die verehrten Leser nicht langweilen, doch in dem Gotteshaus gab es schon wieder eine Begegnung mit Wicked-Oz und Deifel. Elymas geriet in eine Versenkung, indem er seine Hand an die steinerne Stelle drückte, wo das Kreuz gestanden haben soll. Während Hänsel sich bäuchlinks auf den Felsen nieder streckte, der traditionell als Ablegestelle des Leichnams Jesu betrachtet wurde. „Schau dir diese esoterischen Brüder an. Die glauben immer noch an die Kraft der Steine“, begriff Jonathan. „Lass uns schnell verstecken“, empfahl Elisabeth. Einer weiteren Konfrontation erfolgreich aus dem Wege gehend, leitete sie Hassan in die kleine Grabeskapelle. Der Frieden währte jedoch nicht lange. Ein unverständlicher Kampf unter den Mönchen setzte sich in Bewegung. Die in Kutten gekleideten Gottesmänner verschiedener Konfessionen schlugen brutal aufeinander ein. Der heftige Streit entstand um Renovierungsarbeiten im ersten Stock. Die Konfessions-Scharmützel ließen sich trotz dialogisierendem Hänsel Deifel nicht verbal lösen, sondern mussten von der einschreitenden israelischen Polizei geschlichtet werden. Das Ende vom Jahrtausend alten Streit unter Christen war, dass eine für jedermann sichtbare Handwerker-Leiter, an der Front des Gebäudes, als Mahnmal stehen blieb. „Dieser Ort kann unmöglich die echte Kreuzigungsstätte sein, was meinst du Elisabeth?“, fragte Jonathan. „Lass uns zum englischen Garten gehen“, entgegnete Elisabeth, „das anglikanische Gartengrab, sowie Gordons Golgatha mit seinem grinsenden Hügelgesicht soll authentischer sein.“ Die schöne, ruhige Parkanlage mit blühenden Planzen und Schatten spendenden Bäumen, samt den von Menschenhand in Stein gehauenen Beerdigungsstätten, strahlte eine friedliche Atmosphäre aus. Fischer und Schätzle suchten sich eine Sitzgelegenheit. Eine aus Harlem stammende farbige Gospelgruppe stimmte von Bob angeleitet ein Single-Loblied an. „Sein Grab ist leer, er ist auferstanden und er lebt“ tönte einer der Refrains. Der diese Art von Musik nicht liebende moslemische Guide wartete vorsorglich am Eingang. Ein grauhaariger Mann setzte sich zu den Verweilenden auf die Parkbank. Den seltsam anmutenden Ausführungen folgend, war sich Jonathan nicht sicher, ob es sich bei dem Fremden um einen der verrückten Psychopathen handelte, die sich für Moses oder Elia hielten. Der einen amerikanischen Slang sprechende Jesusjünger behauptete, dass er die von Jeremia in einer Höhle versteckte Bundeslade, in der Nähe des Damaskus Tors entdeckt hätte. Als Beweis würde eine Blutprobe auf dem Gnadenthron, dem Deckel der mit Gold überzogenen Akazienholz-Truhe dienen, sowie ein Video mit zwei Engeln. Der Mann bezeugte selbstbewusst, dass als Jesus Christus am Kreuz hing, ein Erdbeben den Felsen öffnete, so dass das Blut des Heilands und Retter der Menschheit als hohepriesterliches Opfer direkt in das Allerheiligste floss. „Das mit dem Erdbeben nehme ich ihnen ab, weil es in den Evangelien steht und selbst das Felsengrab dort drüben erkennbar durch eine Erschütterung gespalten ist“, pflichtete Jonathan teilweise bei und Elisabeth ergänzte: „Über den Rest müssen wir nachdenken. Die Zeit wird die Wahrheit ans Licht bringen!“ Enttäuscht verabschiedete sich Ron, der Hobby-Archäologe.

„Was meinst du Jonathan, hat dieser lächelnde Hügel zur I.N.R.I.-Iesus-Nazarenus-Rex-Iudaeorum-Zeit des Königs der Juden genauso ausgesehen?“, erkundigte sich Schätzle. „Kann schon sein, dass General Gordon einen Volltreffer gelandet hat“, überlegte Fischer, „aber dieser Ron geht mir zu weit mit der Behauptung, dass das Schwert Golliaths darunter in einer Höhle liegt.“ Der kaum Deutsch verstehende Hassan wurde sehr aufgeregt: „Of course – natürlich befänden sich Schwerter in der Königshöhle. Selbst lateinische Schriften seien an den Wänden.“ Für weitere 100 Dollar würde er sie zeigen. Schätzle versprühte ihren vollen Charme, um den Preis auf die Hälfte zu senken. Hätte sie gewusst, was sie erwartet, wer weiß, ob sie es sich nicht anders überlegt hätte. Als erstes Hindernis musste ein verschlossenes Gitter, das in einen unterirdischen Gang führte, überwunden werden. Der jordanische Hirtenjunge sah seine Felle davon schwimmen bzw. seine Ziegen davon laufen. Einfacher ausgedrückt, er war scharf auf die 50 Dollar. Anstelle eines großen Schlüssels, zückte er einen kleinen Dietrich, der ihm zum Sesam öffne dich verhalf. Jonathan und Elisabeth folgten in das teilweise beleuchtete Höhlensystem. Die Erläuterungs-Tafel am Eingang zeugte davon, dass hier immer wieder Touristen verkehrten. Als die Entdecker tiefer eindrangen zückte Hassan eine Taschenlampe. „Der Junge denkt einfach an alles“, fiel dem stolpernden Jonathan auf, „richtig spannend hier, gel Eli?“ „Lass mein Knie Jo, mit uns und dem Schwert klappt es nie, Jo“, textete die Schlagersängerin. An einer Tür angekommen, wurde es Jonathan buchstäblich mulmig. Grande Lodge of Jerusalem – Großloge von Jerusalem stand dort angeschrieben. „Wer hier wohl wohnt?“, informierte sich Elisabeth. „Wenn Papst Leo der Dreizehnte da wäre, dann würde er möglicherweise den Ort als Synagoge des Satans bezeichnen“, wusste der beinahe Pastorenschüler. „Denkst du das ist der Eingang zur Hölle?“, schätzte Schätzle. „Liebste Chefin, du bist A eine Frau, B zu unerfahren und C zu neugierig“, provozierte Fischer. Die forsche Elisabeth stieß schlagartig die Tür auf. Zwei von der Taschenlampe geblendete Augenpaare gifteten die unerwünschten Eindringlinge von drinnen an. Der Raum war nur mit drei Kerzen beleuchtet. Am anderen Ende war ein Altar mit einem Buch und einem in Blut getränkten Totenkopf. Für den jugendlichen Hassan war das zu viel, denn er stellte einen Kurzbahn-Weltrekord im Taschenlampenrennen für das Guinness-Buch auf. Wie gerne wäre Jonathan mit Elisabeth ebenso aus der unterirdischen Versenkung entflohen. „Ihr seid nichts anderes als Tiere und Bestien“, klagte Fischer Wicked-Oz und Deifel an. „Wenn der einzige Zeuge nicht ein Kind wäre, könntet ihr jetzt euer Testament machen“, bekam er von Wicked-Oz zur Antwort, „du solltest mir dankbar sein, dass ich dich verschone. Komm, nimm einen Schluck, das verleiht dir übermenschliche Kräfte.“ „Das Leben ist im Blut, deshalb sollen wir uns aus Respekt davor enthalten“, mischte sich Elisabeth ein. „Wer von uns wird die Dirne als erstes packen?“, wollte der, demonstrativ das überbreite Trinkgefäß ausschlürfende, Deifel wissen. Jonathan legte schützend seine Hände um Elisabeths Schultern: „Ihr seid die größten Schweine, die es gibt!“ „Jetzt werde mal nicht unverschämt, mein alter Freund, du und dein verräterischer Kumpel Markus haben nicht wirklich begriffen, um was es geht“, startete Wicked-Oz, „wir werden eine humane neue Welt schaffen mit besseren Bedingungen für alle die übrig bleiben. So viel Leute verträgt der Erdball einfach nicht. Wir in der zivilisierten westlichen Welt können doch nichts dafür, dass ärmere Völker es treiben wie die Karnickel.“ „Recht hat er“, pflichtete Professor Deifel bei, „keinen Frieden, ohne dass ich log, ha ha ha!“

Wicked-Oz flüsterte Deifel etwas ins Ohr. Daraufhin näherten sich die beiden langsam dem verängstigten Pärchen zu. Jonathan sprang auf und stürzte die drei Leuchter nacheinander um. Zu seinem Leidwesen besaßen die Kontrahenten Feuerzeuge. Jonathan schrie: „Ich gebiete euch im Namen Jesus verschwindet und lasst uns in Ruhe!“ „Bis zum nächsten Mal“, verabschiedete sich der erleuchtete Überapostel und der inquisitorische Schuldekan riet: „Der Geist ist scheinbar willig, aber das Fleisch ist umso schwächer. Rühre ja nicht die Jungfrau an, du Möchtegern-Heiliger.“ Die Tür flog mit einem lauten Krachen zu. Ein schließender Schlüssel und sich entfernende Stimmen, waren zu hören. Dann trat Totenstille ein. Elisabeth weinte. Jonathan tastete sich, an seinen blinden Vater erinnert, zur Tür vor und versuchte eine halbe Stunde lang vergeblich, diese mit Gewalt aufzubekommen. „Jetzt hör endlich auf Jonathan. Komm rüber, mich friert so stark“, bat die Tränen überströmte Schätzle. Der einstige Ausbilder spürte sich an die Komm-mir-nicht-zu-Nahe-Biene heran und legte abermals seinen Arm um ihre Schulter: „Weist du Elisabeth, zwei sind besser dran als einer allein. Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen und eine dreifache Schnur reist nicht entzwei.“ „Auch, wenn zwei beieinander liegen, wärmen sie sich. Wie kann ein Einzelner warm werden?“, sehnte sich die Heulende um mehr Zuneigung. „Du wirst sehen Gott holt uns hier raus“, sprach der Tröster, „der Herr bereitet sogar einen Tisch im Angesicht unserer Feinde.“ „Schön wär´s. Aber rede nicht so viel, du Salomonischer Prediger“, wünschte sich die Zuneigungsbedürftige, „lass uns besser praktisch werden und nach einer gemütlicheren Stelle zum Schlafen suchen.“ Der einzige bequeme und wärmere Liegeplatz war die hölzerne Tischplatte auf dem Altar. Jonathan stieß zunächst an den vergessenen Totenschädel. „Was machst du da?“, wollte Schätzle wissen. „Ach nichts, ich räume nur auf“, beruhigte der Aufpasser und begann, an alte Stehblueszeiten erinnert, abermals zu kuscheln. Als komfortabelste Körperpose stellte sich die zusammen gekauerte Babyhaltung heraus. Fischer lag für eine Zeit vorne und Schätzle schmiegte sich an seinen Rücken. „Können wir uns umdrehen. Du bist so groß und mich friert der Hintern“, bat Schätzle. Auch diese Stellung bot ihre Reize. Vor dem Einschlafen erinnerte sich der bibbernde Jonathan an den Albanienurlaub. Er sah sich zwischen den wärmenden Helen und Reinhild sitzen und danach in das abkühlende Gewässer hüpfen. Diese Nacht war freilich eine Prüfung von Gott, ob er sich artig verhält. Seine erträumte Frau hieß sicherlich Phoebe.

In den frühen Morgenstunden schnatterten beide vor Kälte. Elisabeth haderte: „Ich bin freilich keine Katze. Ich hätte dir dummen Kater nie nachlaufen sollen. Jetzt sterbe ich zum vierten Mal mit dir.“ „Mach dir keine Sorgen. Man holt uns hier schon raus“, fatalerweise vertraute Jonathan seinen eigenen Worten nicht. Er hatte immer wieder von der Katharsis geträumt. Er sah laufend einen Wirbelsturm über sich und Elymas ausbrechen, der ihn wiederum an die USA gemahnte. „Elisabeth gibt es irgend etwas Verborgenes, das wir Gott bekennen sollten. Irgend eine Sünde, die uns von ihm trennt und unsere Befreiung verhindert?“, bohrte der Häftling herum. „Ja natürlich. Aber wenn du Esel nicht darauf kommst, kann und will ich dir nicht helfen“, gab sie ihr Rätsel nicht preis.

Die Tür öffnete sich für die aneinander zu Tisch Sitzenden. Hassan hatte Ali, Ali hatte Ahmet, Ahmet hatte Abdullah, Abdullah hatte Achmadisdnehad und Achmadisdnehad hatte die Allahu-Akbar-Brigaden gerufen. Die Tempelwächter freuten sich über eine reichhaltige Beute in Form der an den Wänden hängenden Schwerter und des einzigartigen Totenschädels mit den perfekten Zähnen. Jonathan und Elisabeth versicherten, dass sie den auf dem Boden liegenden, blutverschmierten Koran nicht beschmutzt haben, sondern dass dafür Deifel und Wicked-Oz zur Verantwortung gezogen werden müssen. Als der hitzköpfige Achmadisdnehad die heilige Schrift des Islam und den Skull in seinen Rucksack packte, wurde es Jonathan ganz anders zu Mute, weil er an seine Hellfire Valley Rast vor den Toren Las Vegas erinnert wurde.

Endlich sehe ich Phoebe wieder, ging es Jonathan durch den Kopf. Doch zunächst bestanden die befreienden Märtyrer darauf, dass die Erlösten einen Einkaufsbummel in ihrem moslemischen Basar unternehmen. Nachdem Jonathan versicherte, dass er bereits einen Perserteppich, über dem er regelmäßig betet, besitzt, wurde er statt dessen genötigt zur Al-Aksa-Moschee mitzukommen. Dort könnte er neben der völligen Unterwerfung auch die edelsten und kostbarsten Knoten-Gewebe in großer Zahl kennen lernen. „Bekomme ich dann statt einer gleich 99 Jungfrauen?“ scherzte Jonathan. „Halt lieber die Klappe“, ängstigte sich Elisabeth, „die Brüder verstehen mutmaßlich mehr Deutsch als du denkst und weniger Spaß, wie wir gewöhnt sind.“ Den Tempelberg überschreitend wollte Elisabeth einen kleinen Abstecher zum Felsendom unternehmen, um eine kurze Ansicht hineinzuwerfen. Das islamische Bauwerk war dahingegen längst von religiösen Wallfahrern belagert. Jonathan hoffte, dass es sich dabei um Jakob und seine Truppe handeln könnte. Andererseits durfte er gleichermaßen den „Gott hat keinen Sohn“ Schrein nicht mit seinen Schuhen betreten. Barfuß einen verstohlenen Blick in das Innere wagend erspähte er wen? Natürlich, Hänsel und Elymas. Sie bekamen gerade von einem prunkvoll gekleideten Geistlichen eine Hostie ausgeteilt. „Elisabeth, du wirst es nicht glauben, Deifel und Wicked-Oz feiern unter der goldenen Kuppel heimlich Abendmahl“, berichtete der deutsche Spion. Achmadisdnehad, der alles mitgehört hatte kochte vor Wut. Wie ein Muezzin-Ausrufer etwas laut auf arabisch schreiend, warf er den Sack mit dem Schädel auf den Boden und zückte statt dessen eines der Schwerter. Seine entrüsteten Kriegs-Kameraden taten es ihm gleich und stürmten den Dom. Ein heftiger Kampf mit dem westlichen Sicherheitspersonal entflammte, der in einen Aufruhr mündete. Von da an wurde die heilige Stätte für unbeschnittene Heiden gesperrt. Den Steinhagel meidend nutzte Jonathan die Gelegenheit, sich mit Elisabeth abzusetzen. Mit forschem Schritt verließen sie die umkämpfte archäologische Ausgrabungsstätte, indem sie zum Christ Church Guest House flüchteten.

Was für eine Überraschung, an der Rezeption befanden sich fünf alte Bekannte. Deborah, Hanna, Mirjam und Judith checkten sich gerade ein. „Was für ein Happening. Du hier Jonathan“, umarmte ihn der verblüffte Andrew Taylor, „möchtest du mir nicht deine Frau vorstellen?“ „Oh, das ist Elisabeth, meine Abteilungsleiterin an der Arbeit“, wurde der einstige Chinamissionar ganz verlegen. Es hätte ja sein können, dass ihm als nächstes Phoebe um den Hals fällt. Doch das von Jakob Damkani dirigierte Evangelisationsteam war schon Zuflucht findend an das Schilfmeer abgereist. Die nächste Sinnkrise machte sich bei Jonathan breit. Bei einem gemeinsamen Frühstück besprachen die Freunde ihre unterschiedlichen Tagespläne. Elisabeth weigerte sich partout mit Jonathan ins Mietauto zu steigen, um ins Shelter Hostel nach Eilat hinterher zu fahren. Nach den Strapazen wollte sie sich erst einmal hinlegen. Sie bestand darauf, wenigstens eine weitere Nacht in Jerusalem zu bleiben. Andrew Taylor hatte vollstes Verständnis dafür. Er lud Jonathan statt dessen ein, eine von ihm geleitete Pilgertour mitzumachen. „Also gut“, stimmte Jonathan zu, „dann haben wir mehr Zeit, über mein Leben zu sprechen.“ „Schau nicht soviel auf dich, sondern auf Jesus“, korrigierte Bruder Andrew, „erzähl besser was aus David Diao und Martin Peter Anrich geworden ist.“

Als erstes besuchte der bunt gemischte Haufen, die mit 200 Jahre älteste protestantische Kirche des Nahen Ostens, die zum Hotel gehörte. Die Vierlinge stimmten einen Kanon in Mandarin an, der sich in dem anglikanischen Gemäuer himmlisch anhörte. Das nächste Ziel war der Kirchturm der Erlöserkirche, dessen Aussichtspunkt einen weit umspannenden Rundblick über die Sehenswürdigkeiten von Jerusalem bot. Diese vom Propst Ronecker geführte deutsche evangelische Kirche, war Jonathan wesentlich symphatischer, als die von der römischen Kaisermutter Helena gegründete, einen Steinwurf entfernt liegende, Grabeskirche. Andrew Taylor wollte eine Auslegung über das „Könnt ihr nicht eine Stunde mit wir wachen“ Gebet geben. Deshalb gingen sie ein wenig weiter, bis sie im wunderschönen Garten von Gethsemane angekommen waren. Die alten Olivenbäume stammten aus der Zeit Jesu. Sie sprossten heute noch, durch neue Zweige, die in die uralten Stämme eingepfropft waren. Mahnend erläuterte Bruder Andrew Römer Kapitel 11 Vers 17: „Wenn aber einige von den Zweigen ausgebrochen wurden und du, der du ein wilder Ölzweig warst, in den Ölbaum eingepropft worden bist und teilbekommen hast an der Wurzel und dem Saft des Ölbaums, so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen.“ Pastor Taylor bedauerte in diesem Zusammenhang, dass viele Christen hochmütig sind, keine Ehrfurcht vor Gott haben und denken Gott hätte für immer sein Bundesvolk vergessen. Dann lehrte er aus dem Alten Testament über acht Gottesnamen: Jahwe Jireh, Rapha, Roi, Nissi, Zidkenu, M´Kaddesh, Schamah und Schalom – Gott der Versorger, der Arzt, der Hirte, das Siegesbanner, die Gerechtigkeit, die Heiligkeit, der Allgegenwärtige und der Friede. Im Teil des Vaterunsers wo „Geheiligt werde dein Name“ gebetet wird, könne jeder Christ mühelos 10 Minuten verweilen, indem er diese Charaktereigenschaften preist und darüber nachsinnt. Jonathan hatte dieses Prinzip anlässlich der geistigen Fortbildungsreise in Phönix gelernt. Freudig rutschte ihm heraus, dass er diese Gebetsform schon längst täglich praktiziert. Im Anschluss erfuhr er wie wichtig es ist, sich ins stille Kämmerchen zurückzuziehen, da es unangebracht sei die religiösen Werke hinauszuposaunen. „Überhaupt ist es besser, wenn die Menschen uns als Salz und Licht der Erde wahrnehmen, und wir deshalb als Christen einen guten Ruf haben, anstelle uns selbst zu loben“, waren die abschließenden Worte der englischen Predigt. Das Team wanderte den steilen jüdischen Gräberhang des Ölbergs hinauf. Andrew Taylor deutete auf das goldene Tor: „Seht, den davor angelegten arabischen Friedhof und die Steine mit denen die Öffnung zugemauert wurde. Menschen meinen damit den Messias aufhalten zu können und verkennen, dass er bei seinem zweiten Kommen mit seinen Engeln auf den Wolken erscheint.“ Auf der Anhöhe angekommen bot sich ein majestätisches Panorama auf den Tempelberg. Die Unruhen waren abgeflaut.

Dafür sorgte eine andere Freiversammlung für Unfrieden. „Nicht schon wieder“, sagte der eingeschüchterte Fischer, „komm lasst uns schnell verschwinden.“ „Wovor fürchtest du dich?“, wollte der powerfulle Taylor wissen, „weißt du nicht, dass der, der in uns ist (Christus) stärker, als der in der Welt (Satan) ist?“

Ein Fernsehteam zeichnete einen von Wicked-Oz geleiteten deutschsprachigen Gottesdienst auf. Viele der Zuhörer kamen aus Stuttgart, jedenfalls hatte Jonathan schon einige Gesichter in der Musicalhall gesehen. Elymas schwor das Publikum darauf ein, einen Bund mit Gott zu schließen, indem sie versprachen, mindestens 1000 US-Dollar oder mehr an ihn zu spenden. Einige Schriftstellen anführend begründete er, warum der Herr die Schleusen des Himmels öffnen muss und hundertfältig den Mammon zurück erstatten wird. Die Geber würden dann nicht nur finanziell gesegnet, sondern auch von Krankheiten und Unfällen bewahrt. Der in der ersten Reihe sitzende Hänsel Deifel erhob sich, zu einem riesigen Steinaltar mit vier Hörnen schreitend. Elymas Wicked-Oz erklärte, dass darauf tausende von Gebetsanliegen gestapelt seien, die Scheingeist-Gemeindemitglieder an ihn und Deifel geschickt hätten. In der Zukunft wäre es noch wichtiger, dass jeder Wunsch und jedes Anliegen verbunden mit einer Gabe vor den Hauptleiter und seinen Stellvertreter gebracht werden. Diese könnten, dann aufgrund ihrer besseren Verbindung zu Gott effektiver in Fürbitte treten. Dies untermauernd legten beide ihre Hände auf die mit Schnüren zusammen gebundenen Briefstapel, erhoben ihre Häupter zum Himmel und beteten ein Glaubensbekenntnis. Der in der letzten Reihe stehende Andrew Taylor wollte wissen, ob die Briefe mit dem Stempel der Jerusalemer Post in alle Welt verschickt werden. Die Frage erübrigte sich, weil die Empfänger Wicked-Oz und Deifel die Bittschreiben sowieso nicht lesen wollten, und statt dessen das geduldige Papier flugs mit ihren Feuerzeugen in Rauch aufsteigen ließen. Der Spielverderber Jonathan fing an zu rufen: „Ihr wollt eine moderne, charismatisch christliche Versammlung sein. Das sind doch die selben Methoden der Ablasszahlung und Heiligenverehrung, wie im Mittelalter. Bei Gott gibt es kein Ansehen der Person. Wir dürfen durch das Blut des Heilands immer zu ihm kommen. Wisst ihr nicht, dass der ewige Hohepriester Jesus, durch sein einmaliges Opfer, der einzige Mittler zwischen dem himmlischen Vater und den Menschen ist?“ Der Appell fruchtete bei einigen gewissenhaften Skeptikern, die sich erhoben und den wohl bekannten Fischer beglückwünschten. „Wer diesem Propagandaminister und scheinheiligen Demagogen folgt, begeht die Sünde gegen den Heiligen Geist und wird exkommuniziert“, verkündigte Hänsel Deifel, „jeder der mir den Namen eines Abtrünnigen liefert, steigt eine Stufe höher in der SGD-Hierarchie.“ Die prophetischen Vierlinge, die kein Deutsch und wenig Englisch verstanden, teilten Taylor auf Mandarin ihre negativen Eindrücke mit. Seine fernöstlichen Sprachkenntnisse zur Schau stellend, gesellte sich die freundlich lächelnde Schlange Elymas zu den anziehenden Frauen hinzu und erzählte die schlimmsten Lügenmärchen über Jonathan. Als dies nicht fruchtete, giftete er Fischer an: „Das Gestern war nur ein Vorgeschmack. Heute Nacht wird das Grauen über dich hereinbrechen. Ich werde jeden mir zur Verfügung stehenden Engel auf dich los lassen.“ „Finsternis und Licht haben nichts gemein. Jesus Christus hat am Kreuz einen Triumphzug über den Teufel gehalten, ihn entkleidet und öffentlich zur Schau gestellt. Das wirst du früher oder später begreifen, denn jeder Mund wird bekennen, dass Jesus Christus Herr ist und jedes Knie wird sich vor ihm beugen“, Jonathan spürte, wie gut es tut das Wort Gottes als schärfstes zweischneidiges Schwert einzusetzen. Der scheinheilige Oberhirte Elymas konnte jedenfalls die Zitate nicht leiden und flüchtete zurück zu Deifel.

Als nächstes Ausflugsziel wählte Andrew Taylor, nochmals das Kidrontal durchschreitend, den Zionsberg aus und erklärte: „Habt ihr gewusst, dass Jesus außer seinem kostbaren Gewand so gut wie nichts besaß? Der Obersaal für die Abendmahlfeier wurde ihm überlassen, das Eselsfüllen geborgt, das Salböl gespendet und selbst sein Grab gehörte einem anderen.“ Dem ermüdenden Banker Fischer ging ein Licht auf: „Stimmt, Jesus hatte nicht einmal Geld, weil Judas die Kasse führte, Petrus die Tempelsteuer aus dem Maul eines Fisches bezahlte und die Münze mit dem Kopf des Kaisers aus der Menge hoch gehoben wurde.“ Das sechsköpfige Grüppchen besichtigte den traditionellen Obersaal auf dem Hochplateau, das Stadt Davids genannt wurde. Der Ort des letzten Abendmahls wird von Bibellehrern auch als Ausgangspunkt des Pfingstfestes angesehen. Es wird spekuliert, dass die Sekte der Essener, ein Vorläuferorden der Mönche, den Gebetsraum, in dem die Ausgießung des Heiligen Geistes statt fand, zur Verfügung stellte. „Diese Mauern sind erst später aufgerichtet worden. An vielen Plätzen stehen Monumente, die an Orte und Begebenheiten erinnern sollen. Menschen wie die Reliquien erfindende Helena, der Christusmonogramm einverleibende Konstantin oder die den Heiligen Gral suchenden Kreuzritter fiel es leichter, gegen das von Mose übermittelte zweite Gebot verstoßend, Gegenstände anzubeten, anstelle den unsichtbaren Schöpfer“, der dozierende Andrew führte die Gruppe nach unten, zeigte das von orthodoxen Juden gehütete Davidsgrab und fuhr fort, „selbst in der Pfingstpredigt erwähnt Petrus, dass das Grab Davids bis auf den heutigen Tag unter uns ist. Auch wenn seine Gebeine wieder zum Leben kommen, denke ich, es ist klüger die Toten die Toten begraben zu lassen.“ Diese Weisheiten gaben Jonathan stark zu denken. Anstelle ein unter dem Tempelberg durchführendes, von König Hiskija durchtriebenes, Tunnel zu besichtigen, zog es der verängstigte Höhlenforscher vor, sich im Hotel auszuruhen. Deshalb empfahl er: „Passt mal gut auf, dass kein neuer Aufstand ausbricht, ihr eingesperrt werdet oder das Öl in euren Lampen erlöscht!“

Beim Abendessen saßen die fünf Frauen und zwei Männer wieder einträchtig zusammen. Vom Kellner Philippus wurde in Körben Gerstenbrot gereicht, dazu gab es den von Bruder Andreas geliebten Petrusfisch. Als alle satt geworden waren, eilten Andrew und die Prophetinnen in das Jerusalemer Kongresszentrum. „Wohin so schnell? Ihr habt noch jede Menge übrig gelassen!“, erkundigte sich Elisabeth. „Wir sind von 5000 Bewerbern ausgesucht worden und müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät zum 12er-Spiel“, sprachs und ward nicht mehr gesehen. „Jonathan, die hätten uns ruhig mehr erklären können. Weißt du welches Spiel die spielen?“ wollte die Neugierige wissen. „Keine Ahnung, ich habe dem Glücksspiel und Turnierschach entsagt. Gehst du mit mir jetzt mit zur Avis Autovermietung in die König David Strasse? Dann können wir einen Abstecher nach Givat Ram machen“, der gemütlich speisende Abenteurer hatte sowieso keine Lust mehr auf hektische Verfolgungsjagden.

Aus Erfahrung klug geworden, lieh sich Jonathan diesmal einen Mitsubishi Pajero Off Roader aus, den er demonstrativ, mit einem Zug, rückwärts, in eine frei gewordene Parklücke vor der im Regierungsviertel befindlichen Kongresshalle, einparkte. „Siehst du, Männer können halt besser Auto fahren!“ „Klar du Bruchpilot, darum bauen Frauen weniger Unfälle“, quittierte Schätzle und fuhr fort, „mir kam gerade ein blöder Gedanke. Was machen wir, wenn Deifel und Wicked-Oz in der Halle sind?“ Jonathan durchdrang ein Schrecken in seine Glieder: „Bist du jetzt auch unter die Hellseherinnen gegangen. Wicked-Oz hat mir für heute Nacht meinen Untergang vorher gesagt.“ Passend dazu lautete das Motto, der von der Chrislichen Botschaft in Jerusalem – ICEJ – organisierten Veranstaltung: „Biblische Prophetie, der Weg ohne Furcht ins kommende Millenium!“

Der Versammlungsort war ohnehin voll besetzt, so dass die Ordner am Eingang keinen Einlass gewährten. „Schade, dann fragen wir Taylor und die Chinesinnen halt im Hotel wie es war“, zeigte sich Jonathan leicht enttäuscht. Elisabeth ergänzte: „So ein Schicksal, es soll halt einfach nicht so sein.“ „Hey, ihr zwei Süßen, könnt ihr mir helfen?“, einer der Organisatoren, ein übergewichtiger, weißer Südafrikaner näherte sich Eis schleckend der Garderobe, „ich benötige zwölf wackelige Stühle von hier hinten. Kommt und packt mit an.“ Im Handumdrehen befanden sich die Träger-Sklaven vorübergehend hinter der Bühne. Der witzige, esssüchtige Ed fragte Elisabeth während er verschnaufte: „Seid ihr verheiratet?“ „Nein“, antwortete Schätzle. „Traut ihr euch nicht?“ „Weiß ich nicht.“ „Hat er dich nicht gefragt, ob du ihn heiraten willst?“ „Nein“ „Willst du sie nicht heiraten, Mann oh Mann?“ „Warum nicht? Womöglich steh ich auf eine andere“, beteiligte sich der hinsetzende Fischer an dem Verkuppelungsspiel. „So jetzt passt gut auf“, der durchs Programm führende Ed Hagee wurde ernster, „sobald der Gesang aus ist und die Tänzerinnen mit ihren Fahnen die Bühne verlassen, stellt ihr die Stühle in die Mitte der Plattform. Ganz so wie bei dem Kinderspiel die Reise nach Jerusalem.“ Gesagt getan. Das Zwölfer-Spiel konnte nach einer einführenden Erklärung von Pastor Hagee starten. Der erste der nach Ausklingen der Musik seinen Platz verlor war, der durch das Auftauchen der assistierenden Schätzle irritierte Deifel, wie könnte es auch anders sein. Die zwölf teilnehmenden Propheten waren eigens von der christlichen Botschaft ausgewählt worden, um ihre Träume und Visionen einem breiten Publikum mitzuteilen. Hänsel Deifel versprach: „Das kommende Jahrtausend wird, wie mir der Geist des Humanismus zeigte, einen nie da gewesenen Frieden unter den Nationen bringen. Völker und rivalisierende Stämme werden sich verständigen. Kriege werden beendet und Krankheiten erfolgreich bekämpft. Wohlstand wird für alle eingeführt. Dies wird dadurch ermöglicht, dass die Menschen und Religionen sich unter einem messianischen Führer in der globalen Republik demokratisch vereinigen. Jeder Mitläufer, der nicht negativ redet und sich unterordnet wird an den kommenden Segnungen Teil haben. Intolerante Engstirnige müssen dagegen ausgemerzt werden.“

„Wer´s glaubt wird selig“, war der Spott des nächsten Stuhltanz-Ausscheiders Horst Schaftseweg dazu, der die Hoffnung auf eine bessere Welt auf Erden längst aufgegeben hatte. Eine schlechte Stimmung verbreitend schrie er wild gestikulierend: „So spricht der Herr: Das Gericht Gottes wird über alle egoistischen, dominanten Leiter ausbrechen. Wehe den Hirten, die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und töten. Ihr habt meine Schafe zerstreut und sie vertrieben und habt nicht nach ihnen gesehen. Siehe ich werde die Bosheit eurer Taten an euch heimsuchen. Wehe den Hirten die sich selbst weiden. Die Milch genießt ihr, Fleisch und Knochen hängen zwischen euren Zähnen, aber die Herde weidet ihr nicht. Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt, das Kranke nicht geheilt, das Gebrochene nicht verbunden, das Versprengte nicht zurück gebracht und das Verlorene nicht gesucht, sondern mit Härte habt ihr über sie geherrscht und mit Gewalt. Ich werde euch ein Ende machen und werde meine Schafe aus eurem Rachen retten, dass sie nicht mehr zum Fraß seien.“

Den Aufbruch zu Joels letzten Kampf beschrieb der Malteser Bruchpilot Rick Ritter folgendermaßen: „Ich hörte Gottes Ruf auf meinem Handy. Er teilte mit, dass eine neue revolutionäre Generation von maximal ein Drittel falsche Vorhersagen gebenden Propheten am Heranreifen ist. Die Bescheidensten werden mehr Wissen und Vollmacht haben als Paulus, dessen Totengeist mir in einer anderen Himmelsvision begegnet ist. Diese vor Millionen im Fernsehen dienenden Superapostel werden ein Volk von Feuermenschen leiten, die wie Heuschrecken über den ganzen Erdkreis herfallen. Eine bessere, sich selbst verleugnende Armee der Demut wird auf Rössern reitend, die ganze Welt einnehmen. Zeichen und Wunder werden durch sie in Hülle und Fülle geschehen, so dass alle Heiden sich bereitwillig bekehren.“

Das Ziel besser ins Auge nehmend traf Andrew „the Power“ Taylor zuerst ins Schwarze: „Ich hörte eine Stimme aus dem Himmel die sagte: Glücklich sind die Toten die im Herrn starben, sterben und sterben werden. Sie werden Ruhe finden für alle Mühe und Drangsal, denn ihre guten Werke werden ihnen folgen. Seid nicht bekümmert, wenn ihr unschuldig ins Gefängnis geworfen werdet oder sie euch aus Hass um meinetwillen töten. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie euch ebenso verfolgen. Harrt weiter aus. Wenn jemand in Gefangenschaft geht, so geht er in Gefangenschaft. Wer durchs Schwert getötet wird, muss mit dem Schwert getötet werden. Es dauert nur noch eine kurze Zeit, bis das Blut derer gerächt wird, die um das Wort Gottes und um des Zeugnisses Jesu willen geschlachtet worden sind.“

Als nächstes mussten sich nacheinander die vier Chinesinnen vom Turnier verabschieden. Sie wurden von dem sich für verfolgte Christen einsetzenden Bruder Andrew simultan übersetzt.

Deborah sprach: In meinem Traum flog ich über ein schwarzes Land von Sklavenarbeitern, das an einem fruchtbaren Strom lag. Die Herrscher schufen sich Stiere und Löwenkatzen als Götterbilder, wodurch sich der Himmel weiter verfärbte. Als ein gigantisches, zum Himmel aufsteigendes dreizehn stufiges Grab gemauert wurde, in dessen riesigen Sarg die regierenden Geistwesen Sonne, Mond und Sterne anbetenden, zogen die Gewitterwolken weiter zu. Feuer fiel vom Himmel und verzehrte alles.

Hanna sprach: In meiner Vision sah ich eine große von dicken Mauern umgebene Stadt, die reiche Kaufleute von allen Himmelsrichtungen her besuchten. Je mehr Reichtum durch den Handel angehäuft wurde, desto höher wuchs ein Stufentempel, dessen Dach von einer Unzucht treibenden Himmelskönigin bewohnt wurde. Der in die Wolken steigende Turm fing an zu wanken und fiel in sich zusammen. Trotzdem wurde immer mehr Münzen durch die Tore der Stadt geschleust, so dass erneut ein einstürzendes, die ganze Stadt zerstörendes Handelsgebäude entstand.

Mirjam sprach: In meinem Gesicht sah ich einen Marmortempel mit vier Säulen empor wachsen. Die Säulen trugen die Namen Philosophie, Wissenschaft, Geschichte und Literatur. Über eine Brücke wurden nackte Statuen gebracht, welche die Schönheit des Menschen zeigten. Die steinerne Figuren vermehrten sich immer weiter. Ihnen wurde Leben gegeben, indem man sie zu Göttern machte und an einer Wettkampfstätte gegenseitig messen ließ. Als die Zuschauer ehrfürchtig auf ihre Knie gingen und anfingen vor Begeisterung zu Jubeln, zerfiel alles in Staub.

Judith sprach: Ich träumte von einem wieder aufgerichteten Gebäude, das ganz und gar von Dämonen bewohnt wurde. Das Aussehen der Räume war dem einer Pyramide, eines Stufenturms und eines Säulentempels gleich. Auf einem roten Schild am Eingangstor stand Weltgerichtshof in Latein geschrieben. Ein sich als Gott bezeichnende blinde Richterin mit Lorbeerkranz und Schwert hielt zwei eiserne Schalen in den Händen, auf denen sich Gesetz, Organisation, Kunst, Kultur, Brot und Spiele die Waage hielten. Das ganze tönerne Gebilde fiel mit der Zeit zusammen.

Bei dem spannenden Finale der vier verbleibenden Männer, setzte es zuerst James unsanft auf den Hosenboden: „Ich erblickte eine Kirche, die von einer widerlichen Hexe dominiert wurde. Einige protestierende Besucher erkannten dies, so dass sie mit dem Besen unsanft ausgekehrt wurden. Die anderen verwandelten sich immer mehr in das Bild der Herrscherin. Sie bekamen Pickel im Gesicht, eine Adlernase und quälten in ihrer Bosheit andere Menschen. Als die Kirchturmglocken anfingen zu läuten, erkannten plötzlich alle, dass sie splitternackt waren. In ihrer Scham stießen sie die entblößte Hexe von dem Thron, so dass sie wieder Kleider an bekamen.“

John hatte die Offenbarung: „Ich schaute ebenfalls auf eine religiöse Versammlung. Eine große Menschenmenge fiel im Freien vor einem riesigen Stein nieder, der faszinierend anzusehen war. Das Gebilde glänzte im Licht des Mondes wie Gold, war aber in Wirklichkeit ein hässliches, überall behaartes, blutverschmiertes Monster, das einen nach dem anderen auffraß. Dies wurde sichtbar als ein hell scheinender Morgenstern am Horizont über den Dämonenanbetern aufging. Angewidert stießen die überhand gewinnenden Gläubigen das Ungetüm vom Sockel und zerteilten es in tausend kleine Stücke.“

Simon begriff die kommende Vision: „Mir begegnete im Kongresszentrum ein Zauberer, der in ein leuchtendes Sternenkleid gehüllt war. Ich fragte ihn, was er mit der drehenden Erdkugel in seiner Hand anfängt. Der eine schwarze Brille tragende weiße Druide erklärte mir, dass er die hypnotisierten Betrachter verhext, damit sie den Ziegenbockwillen und das Gesetz des Starken tun. Er hätte vor, die ganze Menschheit zu manipulieren, so dass die versklavten Erdbewohner ihn und die geistige Welt der Gestirne anbeten. Dieses Verlangen offenbarend bekam der Narr seinen Himmelsmantel ausgezogen, wurde angekettet und eingesperrt.“

Nun trat Elymas Wicked-Oz auf den Plan und prophezeite über das kommende Millenium: „Als ich mich vor Salomos Klagemauer in den Scheingeist versetzte, stieg ich in den Thronsaal Gottes auf. Mit großem Erstaunen stellte ich fest, dass der Richterstuhl des Architekten des Universums leer ist, weil er im neuen Jahrtausend zu uns auf die Erde kommen wird. So streckte ich wie ein Phönix weiter die Flügel aus, um mich über den Himmel zu erheben. Statt der Sonne begegnete mir die Venus und der Sirius-Stern. Sie verhalfen mir in ein höheres Universum, das Atlantis hieß. Dort begann das neue Erfolgs-Zeitalter, welches Himmel und Erde, Mann und Frau, Plus und Minus vereinigen wird.“

Viele der Zuschauer erhofften dadurch, den lang ersehnten Sechser in der Lotterie gelandet zu haben. Mit tosendem Applaus quittierten sie die letzte Gewinnprognose. Organisator Ed Hagee schaute den Mitspieler Andrew Taylor fragend an: „Oh je, war das nicht das Muster aus Jesaja 14?“ „Bingo, gepaart mit Hesekiel 28!“, wusste der aus dem fernen Osten kommende Missionar. „Darf ich dem Herrn Wicked-Oz ein paar kritische Fragen stellen?“, bat Jonathan, der von Bruder Andrew Zuspruch bekam. „Hier, bitte nimm mein Funkmikrofon“, pflichtete Hagee bei.

Jonathan Fischer betrat die Bühne. Elymas Wicked-Oz saß siegessicher auf dem letzten verbliebenen Stuhl. Jonathan spürte dass seine oder Elymas Stunde gekommen war. Ohne genau zu wissen, was er fragen wollte, kam aus ihm heraus: „Herr Wicked-Oz, wir befreundeten uns vor längerer Zeit, und wie einige aus dem Publikum bezeugen können, war ich einer der Ersten, der ihnen den lebendigen Glauben an Jesus Christus, den im Fleisch gekommenen Sohn Gottes, verdeutlichte. Nun würde mich interessieren, wer ihre gegenwärtigen Vorbilder sind, und wen sie für den wichtigsten Propheten halten?“ „Wie du anhand meiner Werke am Büchertisch draußen nachlesen kannst vertrete ich stark die Lehren des viel gewürdigten, christlichen New Yorker Pastors Norman Vincent Peale. In diesem Zusammenhang empfehle ich gerade dir, mein Freund, positiv zu denken und nicht wiederum, die Finger auf deinen Bruder zeigend, negativ zu reden. Der mächtigste heilende Jesus-Prophet des 20ten Jahrhunderts war der General Gottes William Branham, dessen Engel und Wunderkräfte zu mir transferiert wurden. Ich rate dir deshalb, dich nicht mit höher gestellten Personen anzulegen. Der bewundernswerteste wahrsagende Schriftsteller und Philosoph kommt aus dem 19ten Jahrhundert. Denn es gibt keinen Größeren für mich, als der im moralischen Washington heute noch viel verehrte und beerdigte Dogmenlehrer Albert Pike. Wer schlecht über diesen höchst angesehenen Mann redet ist für mich gestorben.“ „Danke für diese ehrliche Antwort. Nachdem aus einem selbst verfassten Brief öffentlich bekannt wurde, dass Herr Peale Hochgradfreimaurer im 33. Grad war, William Branham unter einem Pyramidengrabmal bestattet wurde und Albert Pike in einem seiner Werke geschrieben hat, dass Luzifer Gott ist und die Freimaurerreligion durch die Reinheit der Luziferischen Lehre bewahrt wird, würde mich interessieren, ob sie führendes Mitglied in einem Geheimbund sind, ob sie an die Kraft des Morgensterns glauben und ob sie im Verborgenen den Teufel anbeten“, startete Jonathan eine erfolgreichen Angriff. „Da haben wir es. Anstatt auf meine Warnungen zu hören, kommt wieder eine verleumderische Attacke von diesem grobschlächterischen Bauerntölpel. Wer gibt dir denn den Auftrag und die Vollmacht wiederholt so aufzutreten? Ich habe es nicht nötig, auf diese unverschämten Lügen und Unterstellungen zu antworten. Bitte entschuldigen sie mich, meine Damen und Herren“, empörte sich Elymas und versuchte Hals über Kopf, das Podium über den Künstlereingang zu verlassen. „Der Herr wird dich für eine Zeit mit Blindheit schlagen“, rief Jonathan spontan aus. Die vier chinesischen Prophetinnen packten den unvermittelt hilflos Umherirrenden an Händen und Füßen. Im Anschluss schleiften sie Elymas, auf dem Boden der Tatsachen ankommend, zurück auf die Bühne und hielten ihn auf dem Bauch liegend fest. „Verrat, ich kann nichts sehen, Deifel hilf mir!“, schrie der gereizte Gebundene. Jonathan machte sich einen Spaß daraus, dem wutschnaubenden Wicked-Oz hinterrücks die Hose herunterzuziehen. Das selbe Spiel mit dem Herrenslip treibend gab er einen kurzen Blick auf die nackten Po-Backen frei. Ein großes Gelächter brach aus. Die Tätowierung der Eule von Minerva war zu sehen.

Hassan und Abdullah traten unvorhergesehen, urplötzlich auf die Bühne und brachten den Totenschädel zurück. Sie behaupteten, dass der ruhelose Geist einer Katharina aus dem Kopf wiederholt gesprochen hätte. Sie hätten immer wieder vernommen, dass Elymas Wicked-Oz eine Frau Hutter ertränkt hätte. Als Beweis würde sich ein Stück seiner Haut zwischen ihren Schneidezähnen befinden. Die im Hintergrund beobachtende Elisabeth klagte an: „Dieser Deifel ist mitschuldig. Ich habe genau gesehen, wie er Blut aus dem Skull getrunken hat.“ Hänsel fand das gar nicht komisch und verteidigte sich. „Im finsteren Untergrund dachte ich der Totenkopf sei, wie sonst bei unseren Zeremonien gebräuchlich, aus Plastik, und das Blut habe ich für Wein gehalten. Mit der Hexenverbrennung im Glutofen von Kalifornien habe ich nichts zu tun. Zu dieser Zeit war ich höchstens mit dem in Long Beach geborenen William Joseph Levada zu Gast bei der Glaubenskongregation in Rom.“ Anhand des Gebisses konnten die Überreste von Katharina Hutter zweifelsfrei identifiziert werden. Mehr Aufsehen erregte im belgischen Königshaus und sonst auf der Welt, das von Albert, einem misshandelten achtjährigen Kind, aus dem Schloss entführte französischsprachige Dutroux-Video. Auf dem Filmdokument mit 27 toten Zeugen war auch die teuflische Handlung des Ertränkens und Verbrennens der Hutterer, in der von Waldbränden heimgesuchten Westküste, zweifelsfrei festgehalten worden. Nach bekannt werden dieses Beweismittels, versuchte sich Elymas, in der Untersuchungshaft, mit Hilfe seines schwarz-goldenen Ringes das Leben zu nehmen. Sein Glück im Unglück war, dass ihm von weißen Engeln sofort der Magen ausgepumpt wurde. Wegen zahlreicher weiterer Verbrechen lieferte ihn Israel an die USA aus, wo er noch heute eine tausendjährige Haft in einem recht stattlichen, rechtsstaatlichen Gefangenenlager absitzen muss. Der Skandal mit dem Totenschädel schlug bis in die neue Welt riesige Wellen. Zahlreiche schwarz-magische, weiß-getarnte Säulenhallen, in denen Geheimtreffen stattfanden, wurden durchsucht und Skelette weiterer Ritualopfer sicher gestellt. Der Einfachheit halber, wurden diese Tötungsdelikte, dem Alleintäter und hauptverantwortlichen höchsten aller Zauberer und Hexenmeister, Elymas Wicked-Oz angekreidet.

Nach einem ausgiebigen Frühstück verabschiedeten sich die Deutschen von der chinesischen Reisedelegation. Die religiösen Auseinandersetzungen hinter sich lassend, waren Jonathan und Elisabeth froh, aus der Stadt des Friedens mit ihrem Mietwagen abzureisen. „Jonathan, da vorne geht es glaube ich rechts. Wir könnten Qumran, Masada und En Gedi aufsuchen. Diese wichtigen Orte liegen direkt an der Strecke nach Eilat“, empfahl Elisabeth. „Nach 1000 fallenden Höhenmetern lenke ich lieber links geradeaus. Denn in der Talsenke lässt sich der Jordan besser durchwaten, wo ich dich wie Johannes taufen kann, oder wir gehen doch zum Untertauchen zu den Essenerruinen, andernfalls finden wir in der Zelotenfestung eine für die Tage der Frauen gemachte Mikwe, und wenn dir das nicht zusagt, legen wir uns halt im Meersalz, Schlamm oder Wasserfall zum Baden, gel liebes Schätzle“, stichelte der auf Unverständnis stoßende Mädchenschwarm. Statt dessen stieß das Gespann auf die Tore von Jericho, der ältesten Stadt der Welt. „Stell dir vor Jonathan, diese Süßwasseroase wird die grüne Palmenstadt genannt“, merkte Elisabeth an, „sie ist laut dem Reiseführer seit jeher berühmt für ihr heißes Klima.“ „Mir ist Jericho durch den schweren Fluch Josuas bekannt, aber schau dir das Sodom und Gomorra an“, empörte sich Jonathan und fuhr fort, „da drüben gibt es ein im Islam verbotenes österreichisches Oasis-Spielcasino mit Bordell, und den Müll von den Flüchtlingslagern dort auf der Straße würde Vera Diao sofort wegplanen. Gibt es hier keine Entwicklungshelfer?“ Dafür gab es eine sau-di-arabische Tankstelle, an der sich Jonathan neben Sprit mit einer äußerst gescheiten Landkarte versorgte. „Sieh mal da. Israel fehlt. Alles ist Palästina“, stellte Jonathan fest. „Das Schimpfwort hat sich der römische Kaiser Hadrian ausgedacht, um die vertriebenen Juden mit den untergegangenen Philistern zu ärgern. Ein Palästinenservolk gab es sowieso nie. Deren scheinheiliger Gründer ist der dort oben auf dem Bild verehrte ägyptische Halstuch-Terrorist“, dachte Elisabeth im Geschichtsunterricht mitbekommen zu haben. Der gütige Tankwart schaute unversehens grimmig aus der Wäsche und zückte ein Messer, weswegen die Urlauber die Flucht in Richtung Süden antraten. „Liebe Elisabeth, du weißt sicher aus dem Wort Gottes, dass die eigenen Worte uns richten werden. Du selbst hast gesagt, dass die Brüder mehr Deutsch und weniger Spaß verstehen, als wir denken. Jetzt ist uns eine ganze Meute von PLO-Militanten auf den Versen.“ Schüsse erschallten aus der vorderen der drei im Hintergrund verfolgenden Untertürkheimer-Stern-Limousinen. „Jetzt sterbe ich schon wieder mit dir. Nimmt das denn kein Ende? Doch diesmal trifft mich selbst die Schuld“, bemerkte Elisabeth. Jonathan beschleunigte und bog mit dem Geländewagen in einen Wüstenpfad ab. Die nicht wirklich Mord gierigen Verfolger ließen sich dadurch besänftigen und verschwanden in Richtung Transjordanien. Die Devisen bringenden Touristen haben in dem von Intifada und bewaffneten Widerständen gezeichneten, schmalen „Land für Frieden“ Landstrich des zerstückelten Israels, nicht wirklich viel zu befürchten.

Endlich sehe ich meine Phoebe wieder, liebäugelte Jonathan klammheimlich. „Ich habe einen Riesen Hunger. Da drüben sind große Hotels. Lass uns in Ein Bokek einkehren und Mittagessen“, forderte Elisabeth auf. Am tiefsten Punkt der Erde stellte der ungeduldige Fischer die japanische Sardinenbüchse auf dem sengend heißen Parkplatz des Hotel Hod ab. Im klimatisierten Restaurant an einem großen Tisch Platz nehmend, kühlte sich Jonathan ab. Er dachte: Gewiss doch, die Frucht des Geistes ist Geduld und bei Gott sind 1000 Jahre wie ein Tag, aber Schnellgaststätten und insbesondere offene Buffets bieten auch ihre Vorteile. Doch wer stand da an der Tafel und nahm sich aus jeder Schüssel des reichhaltigen Salatangebots etwas heraus? Der Journalist, der bringt was andere weg lassen. Ludwig Schneider hatte für sich und seine Frau Barbara die Teller gefüllt. „Wenn ich gewusst hätte was Israel heute für Furcht erregende Erlebnisse bietet, wäre ich vielleicht lieber wie Moses 40 Jahre in der sicheren Wüste gewandert und nicht dem Ruf aus Stuttgart gefolgt“, versuchte Jonathan eine Unterhaltung anzufangen. „Sei mutig und stark und fürchte dich nicht, an allen 365 und ein Viertel Tagen des Annus, Bruder. Schön, dass du über das Buch des Gesetzes nachsinnst und die Veranstaltungsreihe über den Taumelbecher der Nationen besucht hast“, diagnostizierte Ludwig Schneider, der sich setzte, an einem Glas Eden Mineralwasser nippte und gleich noch zu einer Tasse Kaffee in sein Büro einlud. Elisabeth Schätzle fand in Barbara Schneider, die Heilkuren am Toten Meer organisierte, eine kompetente Ansprechpartnerin und machte sich über die vielseitigen Erholungsmöglichkeiten schlau. Am Ende des Essens verlangte sie: „Jonathan ich bleibe bis heute Abend hier. Du hast versprochen, dass wir zusammen baden gehen.“ Zähneknirschend stimmte der seine Späße bereuende Fischer zu. Der Trauzeuge hatte gelesen, dass ein Mann nur soviel Wert ist, wie sein Wort. Die braun gebrannte Schätzle fand es witzig ihren bleichen Begleiter mit Moor zum Mohr zu machen und abzufotografieren. Dafür wollte Jonathan ein zusätzliches Bild davon haben, wie er im unsinkbaren Meer des Todes bzw. Meer des Lot liegt und dabei den Nachrichten aus Israel Zeitungsartikel über den untergegangenen falschen Propheten Elymas liest. Bedauerlich dabei war, dass ein Spritzer des von Salz und Mineralien reichhaltigen Wassers in sein linkes Sehorgan drang, so dass er sichtlich errötet, den Splitter aus dem Auge heraus oder die Salbe aus Laodicea herbei wünschte.

Jonathans gute Laune kehrte in der Dämmerung zurück, als er Eilat erreichte und die Straße zum Shelter Hostel ansteuerte. In der Herberge hoffte Fischer endlich auf Leontopoulou zu treffen. Zunächst gab es auf dem Parkplatz ein freudiges Wiedersehen mit einem anderen Bekannten und dessen sechsköpfiger Familie. „Mensch Jonathan, dich nach so langer Zeit wieder zu treffen ist eine große Überraschung. Möchtest du mir nicht deine bessere Hälfte vorstellen?“, fragte der alte Freund und Schulkamerad Walter Stein. „Ja gerne, meine verehrte Abteilungsleiterin Elisabeth Schätzle folgt mir überall nach. Nicht dass du etwas Falsches denkst. Wir sind weder verlobt noch verheiratet“, betonte Jonathan. „Mein wahres Glück und reine Wonne ist meine Familie, die mir Abba – unser liebender Vater – geschenkt hat. Das ist meine schwedische Frau und Königin Silvia mit den braven Kindern Agnetha, Björn, Anni-Frid und Benny. Eine harmonische Ehe zu führen ist viel wichtiger als der Erfolg im Beruf“, relativierte Einstein, das Physikgenie. „Sag mal, das gibt es doch gar nicht. Wieso bist du hier her gekommen?“, wollte Jonathan wissen. „Wir kommen gerade von der Uferpromenade, wo wir mit Jakob Damkani und dem internationalen Team Gospelbroschüren verteilt haben. Wegen der Kinder sind wir früher zurück gekehrt“, berichtete Walter, der als Kavalier Elisabeth den Koffer abnahm und zur Rezeption trug. Dort erfuhren die Fernreisenden, dass die Zimmer des christlichen Gästehauses ausgebucht waren. Lediglich ein Isomattenplatz auf der Terrasse stand noch zur Verfügung. „Jonathan, dann schlafen wir gemeinsam, wie in alten Zeiten, im Schlafsack draußen auf dem Boden“, plante der Gentleman Stein, „Elisabeth kann mein Bett drinnen einnehmen.“ Schätzle hatte nichts dagegen. Sie freundete sich schnell mit der Stockholmer Fremdsprachen-Korrospondentin Silvia an, die ihr im Eingangsbereich den verspannten Rücken massierte und sich dabei über die Heilmethoden des Toten Meer Kurhotels aufklären ließ.

Der sich bewegende Fischer und ruhende Einstein hatten sich, bis in die Lichtstrahlen herbei führenden Morgenstunden, relativ viel zu erzählen, so dass Raum und Zeit keine Rolle spielten. Eine kurze Unterbrechung der Unterhaltung verursachte die Rückkehr der internationalen Truppe mit Phoebe und Christoph an der Spitze, die ein Zweierteam zur Prospekt Verteilung gebildet hatten. Außerdem freute sich Jonathan, den sympathischen Jakob Damkani kennenzulernen, der von einem alt bekannten Pastorenfreund begleitet wurde. Ulf Gouderner hatte Jakob zum Predigen in seinen schwedischen Bürderbund eingeladen. Die Landeskirchliche Gemeinschaft war deswegen mit der Familie Stein und einigen Gemeindemitgliedern zum Sommereinsatz nach Israel gereist. „Wie klein ist doch die Welt und was für Zufälle es gibt“, stellte Jonathan fest. „Wenn ich mir dein Leben anschaue, lieber Freund, dann glaube ich nicht so sehr an Zufälle“, befand Gouderner und Einstein fügte hinzu: „Weist du Jonathan, wir spüren, dass es bald an der Zeit ist, deine Lebensgeschichte unentgeltlich im Internet zu veröffentlichen. Bist du einverstanden?“ „Na klar, Ulf hat sich ja mit Hilfe deiner Informationen die Rechte an meiner Story erworben. Aber erst muss er wie versprochen den Frage-Antwort-Trick mit meiner zukünftigen Frau wiederholen!“, meinte der seine Hochzeit herbei sehnende Single. „Das ist nicht so schwierig. Bei den vielen hübschen Frauen hier, werde ich deine Zukünftige bald herausfinden und heimlich interviewen“, war sich Ulf sicher.

Jonathan gähnte laut und lange am frühen Morgen, als er von Björn und Benny mit einer Feder an der Nase wach gekitzelt wurde.

Nach einem spärlichen Frühstück gesellte sich ein einheimischer Führer zur Reisetruppe. Aviel Schneider erklärte, was es bei der geplanten gefährlichen Wüstenwanderung Wichtiges zu beachten gibt. Der Reisebus führte das 30-köpfige Team ein Stück weit auf eine Anhöhe im Westen von Eilat, so dass der Spaziergang durch eine der kargen Schluchten angetreten werden konnte. Jonathan lauschte ganz gespannt den Ausführungen über den ehemals für die Herstellung der Bundeslade verwendeten, besonders zähen Akazienbaum zu. Die Wurzeln des betrachteten Exemplars reichten tief ins Erdreich und das Holz konnte sich aufgrund der dürren Umgebung über die Jahrtausende halten. Gruselige Gefühle entstanden in einer der mit Tierknochen angefüllten kühleren Höhlen, in der sich vielleicht der treue David vor dem irren König Saul versteckt hielt, und heute noch das eine oder andere Kot hinterlassende Tier nächtigte. Angenehmer war die Mittagspause an der Jonathan und die anderen Wüstencamp-Teilnehmer über einem Lagerfeuer selbst Fladenbrot zubereiteten. Eine Pause der Besinnung folgte dem Mahl. Aviel verdeutlichte, dass der Berg Gottes, der Horeb sich in der Umgebung befinden könnte. Wer wollte, dürfte für eine Zeit eine der Anhöhen erklimmen, um in der Stille auf Gottes Stimme zu hören. Jakob warnte davor, nicht zu weit und keinesfalls außer Sichtweite vom Camp zu gehen, weil die Sinai-Halbinsel mit der ägyptische Grenze sich in unmittelbarer Nähe befände. Der Dauerläufer Jonathan suchte sich den höchsten Gipfel aus, um Phoebe, Christoph und Elisabeth, die nicht mithalten konnten, zu imponieren. Oben angekommen bot sich ein atemberaubendes Panorama über die Wüstenlandschaft. Jonathan wurde an die Stelle in der Bibel erinnert, bei der Moses das verheißene Land gezeigt bekam. Dann dachte er an die nächtliche Begebenheit in Phönix, wo er kurz seine zukünftige Ehefrau im Geist sah.

Was war das? Anstelle die Stimme Gottes, vernahm Jonathan das Weinen und Schluchzen einer Lady. Handelte es sich um Phoebe oder Elisabeth? Jonathan hätte zu gerne seine schützende Arme um das erbarmungswürdige weibliche Geschöpf gelegt. Er konnte leider niemanden und nichts erkennen. Blöder Weise ortete er das Heulen auf der anderen Seite der Geröllwand. Sollte er sich über das Verbot hinweg setzen? Ach, man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, dachte der Ungehorsame, seinen Entschluss schnell bereuend. Denn er verlor die Haltung und rutschte etwa hundert Meter den Abhang auf dem Hosenboden hinunter. Immerhin konnte er seine Füße gut als Bremse einsetzen. Aber wie üblich, begann seine Hüfte wiederum zu schmerzen. „Mist, was mache ich jetzt?“, fragte sich der Solobergwanderer. In einiger Entfernung hörte und sah er einen Armeejeep mit einer Grenzpatrouille heranfahren. Erst wollte er sich bemerkbar machen, dann überlegte er, was die Ägypter mit ihm machen würden. Er hatte nicht einmal seinen vorläufigen Pass dabei. Also zog er es vor, sich hinter einem großen Felsen zu verstecken. In solchen Situationen lernt man das Reden mit Gott. Jonathan bekam dadurch Frieden für seine Seele. Eine Gewissheit stellte sich in ihm ein, dass er die schluchzende Frau wieder trifft und heiratet. Ja Baby, und wir werden drei Kinder miteinander haben, wie Bryan Tate in Hellfire Valley kühn zu behaupten wagte. Als Hölle entpuppte sich die brütende Hitze und der Umstand, dass es Jonathan wegen des losen Gesteins und seiner Gehbeschwerden nicht schaffte die Anhöhe zu erklimmen. Als Alternative blieb der leichtere Abstieg ins Tal. Jonathan schaffte fünf Kilometer nach Nirgendwo. Er bereute zutiefst, dass er sich nicht in ägyptische Hände begeben hatte. Besser in die Sklaverei gehen, als kein Wasser zu haben. Wie war gleich die Geschichte von Hagar und Ismael? Bist du der Gott der nach mir schaut? Leider bin ich kein Kamel und kein Wildesel. Jonathan erhob seine Stimme: „Hilfe, ich trockne aus!“

Die nächste Wegbiegung abschreitend traf der nach Eden-Flüssigkeit lechzende Held auf mähende Schafe, blökende Ziegen und einhöckrige Dromedare. Wow, super, ein Leben mit Gott ist spannend und abwechslungsreich. Er hatte eine kleine Beduinensiedlung erreicht. Die Gastfreundschaft des Nomadenvolks genießend, trank er einen Marokko Minztee, zog an einer orientalischen Wasserpfeiffe und kostete Datteln. Die Retter verstanden ihn nicht, und er ergründete nicht ihre Mundart. Doch die internationale Sprache der Liebe ist grenzüberschreitend verständlich. Ein Lager im Schatten der Zelte bot die Möglichkeit, sich richtig auszuschlafen und das Zwicken an der Seite zu vergessen. Am nächsten Tag wachte Jonathan durch den Wind von rotierenden Helikopterblätter und dem laut hämmernden Motor auf. Seine jüdischen Freunde hatten alles daran gesetzt, ihn zu finden und vor dem Verdursten zu retten. Aviel Schneider, der das Jonathan Wüstencamp zuerst entdeckte, hatte einen deutschen Schäferhund organisiert, der, anhand der Schiesser-Unterwäsche aus Jonathans Gepäck, erfolgreich die Spuren- und Fährtensuche aufgenommen hatte. Das Zahal Militär Israels beteiligte sich ebenfalls an der Rettungsaktion. Jonathan wurde im Huckepack an einer Seilwinde hochgezogen und bewunderte kurze Zeit später die zielgenaue Landung auf dem Flughafen in Eilat. Das ganze Manöver erinnerte ihn an seinen Klassenkameraden Klaus Renz, der Fallschirmsprung-Weltmeister war und seine Schulfreunde zu Tandemsprüngen mitnahm. Die Abrechnung für das bodennahe Flugvergnügen lag freilich ungleich höher.

Nach einer eingehenden Untersuchung durch einen Armeearzt, durfte der deutsche Patient mit einem Taxi in das zivilisiertere Tausend-Sterne-Hotel zurück fahren. Das Team um Jakob Damkani hatte auf Anraten von Ulf Gouderner eigens eine Fasten- und Gebetszeit für Jonathan eingelegt. Doch wo war Phoebe, die ihn hätte bemuttern sollen? Ihre neue Freundin Elisabeth hatte aus Erfahrung versichert, dass Jonathan sieben oder neun Leben wie eine Katze habe und war deshalb mit Phoebe und Christoph zum eingeplanten Schnorcheln an das Rote Meer voraus gegangen. Das 1200 Meter lange Korallenriff mit dem smaragdgrünen und tiefblauen Wasser, bot die schönste Artenvielfalt von gelb und rot schimmernden tropischen Fischen, die man sich vorstellen kann. Den Sandstrand erreichend, empfing Jonathan die atemberaubende Bikiniansicht von Phoebe, die ihm endlich wie lange erhofft küssend um den Hals fiel. „Liebster, ich hoffe du bist uns Genießern nicht böse. Wir haben es uns schon einmal gemütlich gemacht und die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Du kennst ja meine Lebensphilosophie“, lautete die Begrüßung der schwarz gelockten Venus-Nachbildung. „Hey du Held, erzähl mal was genau passiert ist“, zeigte sich der in der Mitte ausbreitende Christoph wissbegierig. Das andere attraktive Liegestuhl-Modell Elisabeth befand: „Wenigstens hast du mir diesmal nicht einen Schrecken mit deinen Beischlaf-Abenteuern eingejagt.“ Während Leontopoulou dem Genießer Fischer den Rücken eincremte, erzählte dieser die Eskapaden und fragte zum Schluss: „Sag mal Phoebe, hast du auf dem Gebetsberg gewimmert, als ich alleine verschollen war?“ „Du hast keine Ahnung, wie ich um dich gezittert habe. Wir haben dich überall gesucht, bis wir bei Einbrechen der Dunkelheit nach Hause gefahren sind.“ Das löste die größte Zufriedenheit bei Jonathan aus. Zumal der mutmaßliche Nebenbuhler Ziegler begann, dem Kraulunterricht erteilenden Schätzle den Hof zu machen. Ab diesem Moment waren die beiden flirtenden Paare unzertrennlich.

Vor dem Abendessen musste Jonathan eine gut gemeinte Rüge durch eine öffentliche Ansprache von Jakob Damkani einstecken. Ein Jünger (engl. Disciple) Jesu würde immer tun, was sein Herr sagt und die nötige Disziplin eines Soldaten an den Tag legen. Er betonte, dass die Teilnehmer sich in einem Kampf und nicht in den Flitterwochen befinden. Deshalb würde er es begrüßen, wenn die Singles nicht Händchen haltend umherirrten. Ulf Gouderner stellte hernach dem malträtierten Jonathan seine weiche Schlafstätte zur Verfügung, legte seine eingeölten Finger sanft auf die verletzte Lende und betete für ihn: „Himmlischer Vater, ich bitte dich, dass du Jonathans Hüfte durch die Kraft des Heiligen Geistes heilst, damit er seine Aufgabe in vollem Maße wahrnehmen kann. Außerdem befehle ich im Namen Jesu, dass er vernünftig wird und in allem erst nach dem Reich Gottes trachtet.“ Jonathan bedankte sich: „Preis den Herrn, diese teuflischen Schmerzen sind wie weggeblasen. Ich verspreche dir, dass ich mir das Turteln für das Ende der Freizeit aufspare.“ „Das ist gut so. Ich habe den Eindruck, dass du deine Frau erst bei der Rückreise im Flieger erkennst“, gab Gouderner weiter. Diese Prophezeiung passte ausgezeichnet auf Phoebe, die Flugbegleiterin, hoffte der friedlich einschlafende Herzensbrecher.

Am nächsten Tag reisten die Partner der Posaune der Rettung Israels in die Missionszentrale nach Jaffa zurück. Jonathan avisierte beim Frühstück, seinen Mietwagen in Jerusalem abgeben zu müssen. Deshalb wollte der Heilpatient mit der sichtlich angetanen, schicken Phoebe die Schlammschlacht-Tour von Ein Bokek wiederholen und darüber hinaus die Zeloten-Festung von Masada mit der Gondel erklimmen. Das war der Gipfel. Ein heftiger Streit über gute Sitten mit dem Spiel verderbenden Aufpasser Ulf war die Folge. Der sich vom Platz erhebende gute Jakob sorgte für Frieden, indem er das Auto selbst am Shalom Plaza in Eilat zurück gab. Somit konnte die aus verschiedenen Nationen bestehende Gruppe, gemeinsam mit dem Reisebus, über Beerscheba die Rückfahrt antreten. Jonathan saß neben der etwas verstimmten Phoebe, die von ihrem Zukünftigen mehr Durchsetzungsvermögen erwartet hatte. Dafür ergab sich wieder ein langes Gespräch mit Walter Stein über die Erfahrungen im Physik-Leistungskurs. Einstein dozierte über sein neues Spezialgebiet der Elektro- und Magnetostatik. Als er merkte, dass dies der negativ geladenen Phoebe viel zu langweilig war, fragte er sie, positiv in die Unterhaltung einbindend, über ihre Schulnoten und Lehrer aus. „Aha, jetzt geht mir ein Licht auf. Den Trick kenne ich. Damit legt Pumuckel Einstein mich nicht mehr rein“, unterbrach Jonathan. „Was meinst du?“ wollte Phoebe wissen und bekam von Walter zur Antwort: „Das wollen wir nicht verraten, weil es eine Überraschung auf Jonathans Hochzeit werden soll.“

Auf der Rückbank des Busses gab es ein großes Freudenfest um ein ähnliches, von Ulf und seiner Sekretärin Angela-Berit inszeniertes „Wetten dass“ Antwortspiel. Elisabeth und Christoph, die einen Fragebogen über ihre Kindheit in der Hand hielten, kugelten mit dem Schreiber bzw. sich vor Lachen.

Eine weitere militärische Übung der israelischen Feuerkräfte in der Negevwüste hinter sich lassend, wurde eine Rast an deren nördlichen Rand eingelegt. Das wie Jerusalem über 800 Meter hoch gelegene Mitzpe Ramon bot ein Ehrfurcht einflößendes Naturschauspiel auf den gleichnamigen Erosions-Krater, der Jonathan an den Grand Canyon erinnerte. An die mit Brian und Sharon Tate verbundenen Naturerlebnisse denkend, fragte sich der Tourist, ob es auf der Kanaan-Ranch von Abraham und Sarah wohl ähnlich aussieht. Ein Stück Himmel auf Erden hatte sich ebenfalls Israels zionistischer Gründervater David Ben Gurion herbei gewünscht. Er fand seine letzte Ruhe im benachbarten Sede Boker Kibbutz, wo er den Lebensabend im verheißenen Land verbrachte. Die nächste geruhsame Rast versprach die sich nach Frieden sehnenden Kleinstadt Sderot. Jonathan traute beim Brezel-Einkauf auf dem Boulevard seinen Augen nicht, als er neben den schwäbischen Backspezialitäten die Sillenbucher Konditormeisterin Iris Veit antraf. Die gottesfürchtige Volontärin erteilte ihren israelischen Berufskollegen Unterricht und kümmerte sich am Gazastreifen, wo viele Menschen sich um ihr Leben sorgen, für Raketen hafte Umsätze.

Am Mittelmeer Richtung Norden entlang fahrend, gelangte das Vehikel an den Bestimmungsort, einen der ältesten Häfen der Welt. Das einstmals von Kanaanitern bewohnte und von Ägyptern eroberte Jaffa wird häufig in den alten Schriften erwähnt. Der Ort diente für Salomo zum Verschiffen der Zedern aus dem Libanon, für Jona zur Flucht nach Tarsis und für Petrus als Ausgangspunkt zur Sendung zu den Heiden.

In dem im Zentrum gelegenen Einfamilienhaus gab es ein Wiedersehen mit der tüchtigen Elisheva, die für das Abendessen gesorgt hatte. Fast alle der aus Deutschen, Österreichern, Schweizern, Schweden und Schotten bestehenden Gemeinschaft nächtigten im Freien. Die große bedachte Veranda bot neben zusätzlichen sanitären Einrichtungen für die Frauen, die Unterbringungsmöglichkeit für ein Matratzenlager. Jonathan und Christoph suchten Unterschlupf auf dem Boden. Sie befestigten ihre Moskitonetze an den über ihnen befindlichen Tischplatten. Die darüber nächtigende Elisabeth bekam diesmal auf ihrem Tischaltar eine weichere Gummi-Unterlage und mit Phoebe eine Anstandsdame als Nachbarin verpasst.

Am nächsten Morgen wurde die Lokalität fürs Frühstück umgebaut. Jeder Teilnehmer ließ sich als Helfer einplanen. Nach dem Abspülen übte der deutsch- und englischsprachige Musikverein neuhebräische Lieder, die von Elisheva harmonisch auf der Gitarre begleitet wurden. Jakob predigte in Englisch über die Früchte des Geistes. Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung wären Charaktereigenschaften gegen die kein Richter der Welt ein Urteil fällen kann. Der von der blonden, hübschen, zweiten Elisabeth übersetzte Straßenevangelist motivierte zum Schluss in gebrochenem Deutsch: „Där Härr gäbä euch viel Liebe und Kraft in de Heilige Geist.“ Mit reichlich Literatur im Gepäck bildeten sich wiederum Zweierteams, die nach einem halbstündigen Fußmarsch in Tel Aviv angelangten. An einer Freitreppe des Strands sang die erfreute europäische Einheit eingangs ein eingeübtes eingehendes Psalmen-Lied. Jakob Damkani erklärte in Iwrit der sich ansammelten Menge, dass seine Freunde aus verschiedenen Nationen nach Israel gekommen sind, weil sie das Volk der Juden lieben und segnen möchten. Danach begann Jonathan mit Phoebe, seine Autobiographie „Lama davka ani? – warum gerade ich?“ an die Umstehenden umsonst zu verteilen. Ein ultraorthodoxer Gottesfürchtiger rastete aus und schlug Fischer die verhasste Lektüre um die Ohren. Jonathan erinnerte dies an seinen Albanienurlaub. Er begriff, dass die Ordensschwester Hanna, ihm diesmal als verwandtschaftliche Hilfe nicht beistehen konnte. Eventuell freute sich die enthaltsame Nonne dafür über ihn im Himmel. Als selbst die Bücher verteilenden Stein-Kinder von den übers Handy herbei gerufenen, keine Rücksicht nehmenden Yad Le Achim Religions-Polizisten verhauen wurden, ergriffen die Eurovisions-Schlagersänger allesamt die Flucht. Fischer nahm Leontopoulou an der Hand, indem er auf den konvergenten römischen Pflastersteinen, den austobenden, iranisch-oppositionellen Leibwächtern entfloh. Ganz wie später der im Nahost-Konflikt für Frieden bzw. gute Auslandsbeziehungen sorgende Straßenkämpfer, Marathonläufer und Ehrendoktor Joschka. „Mit dir kann ich ja von Tel Aviv bis nach Haifa rennen. Für ein Modell hast du eine echt gute Kondition Phoebe. Woher kommt denn das?“, fragte der Jogger seine Trainingspartnerin bewundernd. „Dreimal darf der Außenminister Fischer raten welche Nation die Olympischen Spiele erfunden hat“, neckte ihn das griechische Höckernäschen, „aber im Ernst, mit dir im Schlepptau komme ich Student viel besser voran, als in meinem revolutionären Frankfurter Fitnesscenter.“ Die beiden hatten sich erfolgreich abgesetzt und schlenderten eng umschlungen über den Karmel-Markt. Jonathan wurde an ein Versprechen erinnert: „Phoebe, wenn es nach mir ginge würde ich dich vom Fleck weg heiraten. Aber ich habe Pastor Ulf gelobt, dich bis zum Ende der Freizeit nicht anzurühren.“ „Erstens mal, bin ich nicht so leicht wie fünf Frauen zu haben und dieser meine gute Laune verderbende schwedische Sittenwächter wird mich nie trauen“, ärgerte sich die Trennende. An einem gedrängten Textilienstand angekommen tätigte das Traumpaar einen Frustkauf. Phoebe leistete sich eine eng taillierte weiße Levis-Jeans und Jonathan ein bissiges grünes Lacoste Poloshirt. Der saubere Verkäufer versicherte billigend, dass es sich um waschechte Originalware handelte, derweil der erste Handspülgang ein schrumpfendes, ausbleichendes Ergebnis zu Tage förderte. „Jetzt probieren wir einmal in der nobleren Geschäfts-Zone, ob wir als Powerseller versandkostenfrei mehr Bücher an den Mann bringen Jonathan“, eiferte die einen Marketingerfolg erzielende Amazone. Come – Komm. Der erste einsame Fisch zappelte im Netz. Der mitten ins Herz getroffene russisch-stämmige Jude, versprach nicht nur das Taschenbuch zu lesen, sondern lud daneben die Touristen in eine Lebens-Künstler-Bar zum Aperitif ein. Dort sah der erbitterte Jonathan nur schwarz und Phoebe bekam kurzerhand Heimweh, weil der an Melancholie und Hypertrychose leidende liebesbedürftige Hyperchonder die feminine Aphrodite alleweil am oberen Schenkel betatschte und ohnehin keine gewichtigen Schekel dabei hatte.

Die Lebensfreude kehrte zu den flüchtenden, blamierten Werbestrategen und unwissentlichen Zechprellern auf dem Heimweg zurück. Sie beobachteten, wie ein ihn bekanntes berauschtes Paar in knallroten Coca-Cola T-Shirts meist vergeblich versuchte, die schwere Ware im Handgepäck los zu bekommen. „Warum soll es Elisabeth und Christoph besser gehen als uns?“, fragte Jonathan nach. Phoebe attestierte: „Könnte sein, dass Christoph mutiger ist als du und anstelle, vor jedem Problem weg zu rennen, seinen Mann steht.“ Dieser Kommentar saß wie ein Schlag. Der in seinen Gefühlen verletzte Eheanbahner wusste sich nicht zu helfen. Er schwieg.

„Hey Jonathan, warum so traurig. Schau mal was mir Christoph alles geschenkt hat!“, forderte die herbei eilende Schätzle auf. Neben einer goldenen Kette mit Davidstern trug sie neuerdings auch einen Ring. „Freut mich für euch“, bezeugte Jonathan unredlich, „ich wusste gar nicht was für ein forscher Angreifer du bist, Christoph.“ „Klar doch. Ich hab dich schon bei unserer ersten Begegnung im Schach in Sindelfingen ausgestochen“, gab Ziegler an, „außerdem habe ich dir meinen von Gott gegebenen Traum, über das zu erwartende Israel-Freundschaftsgeschenk bereits am Stuttgarter Flughafen mitgeteilt.“ „Was du spielst Schach? Ich war Württembergische Mädchenmeisterin“, unterbrach Elisabeth, die in die Klagemauer einen Zettel, mit der Bitte um einen intelligenten Mann gesteckt hatte. „Phoebe, bist du fit im königlichen Spiel?“, wollte Jonathan einwerfend wissen. „Ein bisschen. Ich habe mal gelernt, dass die Damen auf mehr Felder springen können als der Schutz suchende, rochierende König. Aber diese en passant- und Pferdchenhüpf-Regeln fand ich auf Dauer zu umständlich.“

In Jaffa angekommen brach der Schach Virus vollends aus. Ziegler besorgte von Damkani ein Holzbrett mit Figuren, um Schätzle zu zeigen, wer der Stärkere ist. Elisabeth ließ sich allerdings nicht bezwingen und hatte in einer zweiten Partie auch Jakob kurz vor dem Matt, bis dieser, den Untergang aufhaltend, die Essenszeit für angebrochen hielt. Darauf mischte sich Einstein ins Geschehen ein, um ebenfalls den Kürzeren zu ziehen. So wurde kurzerhand ein Turnier jeder gegen jeden, der will, ins Leben gerufen, aus dem sich Jonathan wohlweislich heraus hielt. Sein Kommentar lautete, dass Jesus Christus durch Kreuz und Auferstehung den größten Sieg über Sünde, Krankheit und Tod, bereits errungen hat und den Schlüssel des Hades in seiner Hand hält.

Die ausländischen Gäste verweilten eine Woche in dem, an einen alten Missionars-Friedhof angrenzenden, Einfamilienhaus in Jaffa. Neben den geistlichen Teilen bestehend aus Lobpreis, Gebet, Bibelarbeiten und der Verbreitung der Guten Nachricht, boten sich viele weitere angenehme Freizeitaktivitäten an. Phoebe genoss es, wiederholt mit Jonathan in den naheliegenden Gan HaPisga Gipfelgarten zu spazieren, um die großartige Aussicht auf die Tel Aviver Bucht auszukosten. Die malerische Idylle des Palmenparks lieferte die spirituelle Kulisse für unsinnliche platonische Gespräche. Peinlich berührte die Lustwandler, die auf der Wiese heftig knutschenden Schätzle.

Christoph Ziegler fühlte sich neben dem Rasensport im Wasser bestens aufgehoben. Durch sein regelmäßiges Krafttraining hatte er ein für sein junges Alter beachtliches breites Kreuz entwickelt. Seine sportliche Brust- und Oberarmmuskulatur stellte er gerne am Badestrand von Tel Aviv vor allen Leuten durch seine Handstand-Kunststücke zur Schau. „Jonathan, magst du nicht mehr plantschen und etwas von diesen Schwarzenegger Pulver-Proteinen einnehmen“, fragte die sich sonnende griechische Leibeskultur-Befürworterin. „Nein danke, ich versuche, im Gegensatz zu Arnold, ohne Vitamin B erfolgreich durchs Leben zu kommen und habe als leichtathletisches Ideal die Kenianischen Läufer zum Vorbild“, konterte der im Schatten liegende Eifersüchtige. Ein sportlicher Wettkampf anderer Art entwickelte sich. Der widerstandsfähige Jakob Damkani forderte den übermütigen Adonis Ziegler zum Schwimmmarathon heraus. Anstelle die Strecke nach Jaffa zu Fuß zurückzulegen, versuchte der unermüdliche Endvierziger den schaumschlagenden Anfangszwanziger im Wasser nass zu machen und zu düpieren. Die alte „Unterschätze niemals dein Gegenüber“ Weisheit sollte sich wieder bewahrheiten. Ein anderes Problem ergab sich für den heftig protestierenden Jonathan, als Phoebe und Elisabeth sich von zwei feschen fremden Jünglingen in ihr Ruderboot einladen ließen, um das Geschehen vom Meer aus zu beobachten. Er spürte, dass bei der Sache etwas nicht stimmte. Die prompte Bestätigung zeigte sich, als das Schlauchboot ins offene Meer abdriftete. Der mit seinem Fernglas spähende Bademeister zeigte in seinem überhöhten Holzhäuschen vollstes Verständnis für Jonathans Bedenken. Denn die Signalfarben-Bikinis von Schätzle und Leontopoulou waren gerade eben unfreiwillig durch die beschnittenen Bengel über Bord gegangen. Die gemeinsame Verfolgung der Oberteile mit zugehöriger Rettung der barbüsigen Badenixen nahm mit einem Aussenborder ein zügiges Ende. Der majestätische Spion Fischer fühlte sich in seinem imitierten Krokodils-Polo-Shirt wie der König oder Märchen-Prinz Charles, weil ihm die zwei spärlich bekleideten „Diana Fruchtbarkeits- und Jagdgöttinnen“ gleichzeitig um den Hals fielen. In so einem polygamen Moment würde es sich lohnen, zum Islam zu konvertieren, überlegte der für kurze Zeit vergötterte Untergangs-Prophet, der tröstend die kullernden Tränen von Phoebes erschauderten Wangen abwischte. Im alten Hafen von Jaffa andockend, fiel Elisabeth ihrem abgehängten, untergegangenen Christoph um den Hals, der ebenfalls im weiten, welligen Meer seine Grenzen aufgezeigt bekam.

Die abendliche Schabbat-Feier vergegenwärtigte durch Wein und Matzen das Pessach-Fest, und erinnerte Jonathan an eine historisch bedeutungsvollere Befreiung und Meeresdurchquerung. Dem seit altersher verwöhnten Sieger gefiel es, auf der Gewinnerseite des Lebens zu stehen. Er erhoffte sich für das Volk der Juden, dass sie bald, wie Rebekka, den Schleier vom Gesicht genommen bekommen, um auf den Bräutigam Isaak – übertragen Jeschua – zu treffen. Oder sie sollen, gleich den elf Stammes-Fürsten, in ihrer Not erkennen, dass ihr verkaufter in die Fremde gegangene Bruder Joseph, als Vorschattung Jeschuas, der königliche Retter ist. Der an Seder erwartete wieder kommende Elia, glaubte Jonathan, ist als Sohn des Zacharias und der Elisabeth längst erschienen. Denn es verstummte nicht wieder der Täufer, dem der Kopf abgeschlagen wurde. Johannes erläutert heute noch im Evangelium und wie auf einem silbernen Tablett: „Siehe das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt!“

Die Zeit in den Ferien geht meist viel zu schnell vorbei, doch Jonathan sehnte sich beim folgenden Park-Spaziergang in den Passagierraum eines überfliegenden Jets, wo er Phoebe einen fünfminütigen Zungenkuss geben wollte. Die aufmerksame, clevere Flugbegleiterin hielt durch ihre Beziehungen später eine Überraschung parat. Weniger verwundert zeigte sich Jonathan, als er in der Dunkelheit Christoph beim schmusenden Versteckspiel auf einer Parkbank entdeckte: „Ihr Lieben, habe ich euch schon die Ballade von Maxime Trächtig vorgetragen?“ „Bitte nimm Rücksicht auf unsere Gefühle und verbreite nicht wieder eine von deinen Frankenstein-Horrorgeschichten“, bat Schätzle. „Ja Jonathan, wir haben auf den Meereswogen genügend Leid erfahren“, pflichtete Phoebe bei. „Ich verstehe gut, dass ihr auf meine Warnungen nicht hören wollt. Ich persönlich wünsche mir mindestens drei Kinder, und ihr?“, lenkte Fischer die Unterhaltung in ein anderes Fahrwasser. „In meine Lebensplanung passt höchstens ein Quälgeist. Das müssen wir noch ausdiskutieren“, war sich Phoebe sicher. „Ich muss erst einmal mein Theologiestudium beenden. Bei den sechs Anabolika-Pillen, die ich täglich schlucke, brauche ich mir keine Sorgen um meine Fruchtbarkeit zu machen“, wusste der Apotheker im Bodybuilder. „Christoph, dann versuch eine Hormon-Pille für den Mann weg zu lassen. Die Zahl der Barmherzigkeit ist sowieso fünf“, hatte die begnadete Elisabeth, als sie sich vor fünf Monaten zurück zog, in der Bibel heraus gefunden. Und in der Tat würden die Hochzeitsglocken für alle fünf minus eins im nächsten Jahr läuten. Von den Park-Spaziergängern traten sogar fünf plus eins in den Ehebund ein. Der weltweit wirkende Jakob Damkani hatte nicht alleine die Vision mit dem Missionswerk „die Posaune zur Rettung Israels“, das zweite, nahe Kommen des Bräutigams Yeshua Ha Mashiach anzukündigen, sondern er befand sich, im kühlen Garten wandelnd, selbst auf Brautschau. Die zu überzeugende Blondine an seiner Seite diskutierte mit dem Gottesstreiter so laut, dass die gemeinsame Zuneigung Jonathan nicht verborgen blieb. Mit der fleißigsten Posaunen-Elisabeth schickte der Herr Jakob einen besonderen Segen aus Deutschland. Ihre gemeinsame Vision ein größeres Haus, als Ort der Einheit zu bauen, erfüllte sich unlängst durch das fünfstöckige Hotel Gilgal in Tel Aviv.

Phoebe und Schätzle machten sich einen Spaß daraus, ihren Untermietern die Füße aufzudecken und wachzukitzeln. Der dürftige Terassenschlafsaal durfte in Richtung Galiläa verlassen werden. Die Reise von Petrus zum Hauptmann Kornelius wiederholend, waren die Touristen bald mit ihrem Reisebus in Caeserea angelangt. Die Kreuzfahrerruinen, das Amphitheater und das Aquädukt boten eindrücklichen Altertumsunterricht. Auf der Weiterfahrt nach Haifa erklärte Einstein, dass neben dem in römischer Gefangenschaft lebenden Paulus, selbst der berühmte Jude und Geschichtsschreiber Josephus in seinem Testimonium Flavianium das wunderwirkende Leben Jesu bezeugte. Durch die Lektüre von Werner Kellers Buch „Und die Bibel hat doch recht“ wäre es ihm als Wissenschaftler, aufgrund der vielen archäologischen Beweise leichter gefallen, dem Wort Gottes zu vertrauen. Inzwischen sei ihm mit Hilfe seines Computers ebenfalls gelungen, die göttliche Inspiration der Bibel mathematisch zu beweisen. Ivan Panin hätte schon vor hundert Jahren von Hand errechnet, dass der erste Vers der Torah „Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde“ nicht nur aus sieben Wörtern, gleich den 7 Tagen der Schöpfungsgeschichte, sondern aus über 28 anderen Siebener-Mysterien besteht, wenn man die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabeths mit ihren Zahlenwerten berücksichtigt. Seine welterschütternden Entdeckungen wurden von der Öffentlichkeit mit dem absurden Argument abgewiesen, andere Texte und Sprachen würden dies auch hergeben. „Wenn ich dir zuhöre Walter wird mir ganz schwindelig. Können wir nicht das Thema wechseln?“, bat Phoebe. „Ok, dann verlassen ich Mathe und erteile Erdkunde- und Biountericht“, fuhr der Professor fort, „die Scharonebene hier ist das am dichtesten besiedelte Gebiet Israels. Sie wird intensiv landwirtschaftlich genutzt zum Anbau von Honigäpfeln, Zitrusfrüchten, Avocados, Baumwolle, Gemüse und Wein. Die kultivierte Scharonfrucht, die von der Gattung der Kaki-Ebenholzbäumen geerntet wird, gab der Ebene den Namen. Der wissenschaftliche Name Dyospyros Kaki bedeutet soviel wie Frucht des Zeus.“ Der genervte Leontopoulou entglitt: „Jetzt lässt der Historiker unseren Olympischen Gott durchs Feuer kacken. Einstein, du bist von Sinnen. Das große Wissen bringt dich um den Verstand.“ Der gefrustete Walter drehte sich zur Seite, wo ihm seine Fremdsprachen-Gemahlin Silvia zum Trost flüsternd einen Kuss auf die Wange gab. „Vom Genie zum Wahnsinn ist es vermutlich nicht weit“, mischte sich Jonathan ein, „Liebste, für mich bist du die schönste aller Rosen von Scharon. Eine besonders hübsche und wenig dickköpfige Scharon, die jetzt drei Kinder hat, ist mir in Phoenix zum ersten mal begegnet. Darf ich dir von der bekehrten Hexe erzählen?“ Jonathans spannende Erlebnisse der USA-Reise fand die angebetete Prinzessin aufschlussreicher. Bunt ausgemalte Märchen sind oft schöner als die Wirklichkeit des grauen Alltags.

Die deutsche Siedlung in Haifa zeugt von Protestanten, die in Nordisrael den Weltuntergang erwarteten. Besonders hart gesottene süddeutsche Templer erbauten in der Mitte des 19ten Jahrhundert als lebendige Mt-6-33-Steine ihre Häuser. Als Waffen trugen sie nicht ritterliche Schwerter und Schilde, sondern Nächstenliebe und Vergebung. Damit seine nützliche Untertanen nicht gänzlich ins gelobte Land abwanderten, schuf König Wilhelm I. von Württemberg als Sammlungsstätte das Heilige Korntal. Die Pietisten bekamen bereits 1819 ein Steuerprivileg und wurden vom Wehrdienst und Eiden befreit. Die große Hafenstadt Haifa bildet mit ihren terrassenförmig angelegten Persischen Gärten einen besonderen Anziehungspunkt für Touristen. Ein Wahrzeichen ist der im Zentrum des Karmelhangs befindliche Schrein des Babs. Wie viele Religionsstifter wurde Sayyid Ali Muhammad von seinen Landsleuten hingerichtet. Anstelle die Stufen zu dessen Friedhof zu erklimmen, überredete Elisabeth Schätzle die Reiseleitung, die Begräbnisstätte ihres Vorfahrens Christian Feuerbacher zu besuchen. Dort traf sie zu ihrer großen Überraschung auf Julia Rüger, die einen kurzen Abstecher zum Grabstein ihres aus Bernhausen ausgewanderten Großvaters machte. Die meisten Teilnehmer warteten, wie der nichts ahnende Jonathan, in dem gleich weiter fahrenden Bus. Das nächste Ziel war der 1963 durch Schwester Emma Berger entstandene christliche Beth-El-Kibbutz von Zichron Jaacov. Jakov deckte sich in dessen Arche Noah Fabrikverkauf mit Gänsedaunen ein und ließ diese in ein Baumwollleintuch nähend einpacken. Einstein erkundete ein vor Chemie-Angriffen schützendes abgedichtetes 6-Personen-Zelt, dessen handbetriebenes Filtersystem für saubere Atemluft sorgte. Auf wenig Verständnis stieß bei Jonathan, die von den schwäbischen Tüftlern entwickelten Bunkerentlüftungssysteme, da der erste Petrus sowieso die Zerstörung der Elemente durch Feuer vorhergesagt hatte und das atomare Vernichtungspotential die Erdbewohner vier mal auslöschen könnte. Der spätere von Saddam Hussein angeordnete Beschuss durch irakische Scud-Raketen sorgte dafür wie geplant für kräftige Umsatzzuwächse bei den Nischen-Anbietern. Jonathans eigene passive Einstellung änderte sich beim folgenden Besuch der nördlichen Grenzstadt von Kirjat Schmona, als die Libanon-Erkunder wegen eines überraschenden achtfachen Katjusha-Raketenbeschusses im Keller-Schutzraum Zuflucht nehmen mussten. In dieser Todesangst-Situation wurde das Kuschelverbot von Ulf Gouderner aufgehoben. Seine aus Uppsala stammende Sekretärin und Schriftstellerin Angela-Berit Ekman war dermaßen eingeschüchtert, dass sie sich Ulf um den Hals warf. Der kühle Schwede taute sichtlich auf, indem er ebenfalls die Mitarbeiterin an den Schultern streichelte. Elisheva, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der blonden Angela-Berit aufwies, behauptete, dass viele männliche Singles verklemmt gegenüber den Gefühlen und Zuneigungs-Bedürfnissen, der in sie verliebten Frauen seien. Sie müssten erst von Gott in lebensbedrohliche Situationen gebracht werden, damit sie von ihrer Blindheit geheilt werden. „Ich bestimmt nicht“, sagte Jonathan, der Phoebes Samtpfote anpackte. Die jugendlichen Schätzles zogen es vor, sich auf die Toilette zurückzuziehen, weil sie es vor lauter Aufregung nicht mehr aushielten.

Das nächste Übernachtungsquartier, ein Campingplatz am See Genezareth bot eine romantische Kulisse für die vier Liebespaare. Jakob und Elisheva hatten mit dem am flachen Trinkwasser liegenden Kiesstrand eine gute Wahl getroffen. Die Umgebungstemperatur und das Wasser war so warm, dass man baden oder im Tanga den Sonnenuntergang beobachten konnte. „Phoebe, jetzt bin ich im Toten-, Roten-, Mittel- und Galiläischen Meer geschwommen. Wie findest du das?“, erkundigte sich Jonathan. „Den Urlaub in der Gruppe habe ich mir anders vorgestellt“, befand die an der Seite Sitzende, „ich finde es gemein, dass ich nicht mit dir im Toten Meer baden konnte.“ „Das können wir ja nachholen, wenn wir verheiratet sind“, glaubte Jonathan. Der mit Elisabeth schunkelnde Christoph schien, unterm Wasser zu aufdringlich zu werden, denn Schätzle flüchtete ans andere Ufer: „Phoebe, ich schlage einen Partnertausch vor. Du beteiligst dich am Wettschwimmen mit Christoph, und ich messe mich mit Jonathan bei einer Privatpartie im Schach!“ „Ok, Abwechslung und etwas mehr Sport tut gut“, zeigte sich die übers Löwenzahngras davon eilende Leontopoulou einverstanden. „Warte Liebste, ich war in der Sportkompanie in Warendorf, das habe ich dir noch gar nicht erzählt“, rief Fischer hinter her. „Echt, warst du Angelzielwerfer oder gut im Dauerlauf?“, zeigte Schätzle wertschätzendes Interesse. „Oh ja, ich hab viele Spitzensportler in der Kantine und im 5000 Meter Lauf abgehängt. Was mein einstiges Hobby war, sage ich dir am Ende der Partie.“ Elisabeth und der kiebitzende Einstein waren nicht wirklich erstaunt darüber, dass der Ex-Weltmeisterschafts-Träumer gewann. „Ich habe Jonathan in die Schachgemeinschaft Fasanenhof gebracht, wo er immer besser wurde“, wusste Walter Stein und Schätzle gab zu: „Und ich habe schon als Azubine nicht nur begeistert seine Lehren über das Bankwesen, sondern auch seine Bundesligapartien nachvollzogen.“ „Aber warum hast du mir nie gesagt, dass du Schach spielst?“, wollte Jonathan wissen. „Weil du dich ohnehin vom Wettkampfsport verabschiedet und kein Interesse an meinen Briefen gezeigt hast“, war das Argument der Mädchenmeisterin.

In der Nacht hatte Jonathan einen Traum nach dem anderen, in dem ein von ihm gebautes Kartenhaus immer wieder zusammenfiel. Beim Aufwachen in seinem Schlafsack fühlte er sich richtig durchgeschüttelt und durcheinander gewürfelt. Wie gut es ist zu wissen, dass viele nächtliche Trugbilder aus der Seele kommen.

Ein tiefes Unbehagen legte sich auf Jonathan in den Morgenstunden, über Jakobs Absicht, die israelischen Soldaten auf den Golanhöhen zu besuchen. Ihm wurde immer wieder mulmig zumute, sobald er den jungen Leuten mit ihren Tarnanzügen und Gewehren auf der Straße begegnete, aber nun nahm Schaul, der Busfahrer, zunächst Kurs auf den Berg Hermon und das 1000 Meter hochgelegene Vulkanplateau. Das Passieren von zerbombten syrischen Geisterstädten sorgte für weitere Beklemmung bei dem stillen Beobachter. Den ersten Halt machte die Gruppe bei einem Panzerwrack aus dem Sechstagekrieg von 1967. Die Stimmung verbesserte sich. Schätzle kletterte auf das Kanonenrohr und immer mehr Damen taten es ihr gleich, um auf ein Foto zu kommen. „Jesus war ein Pazifist!“, meldete trotzig Fischer. „Stimmt, denn seine wahren Nachfolger haben nicht mit Schwertern gekämpft, weil sein Reich nicht von dieser Welt ist“, stimmte der Kriegsgegner Einstein zu. Gouderner entgegnete einen konträren Jesus-Ausspruch: „Meint nicht, dass ich gekommen sei Frieden auf Erden zu bringen, ich bin nicht gekommen Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ „Das bezieht sich auf Kämpfe und Entzweiung in der eigenen Familie, weil Jesus fordert ihn mehr zu lieben als Vater und Mutter“, beendete der Fahnenflüchtling Damkani die Diskussion. Jakob führte den mit Israel Nationalflaggen ausgestatteten Korps ein Stück weiter im Bus zu intakten Panzern und Geschützen. In seiner typischen, aufgeschlossenen und kühnen Art verkündigte er vor dem Zahal-Kommandant den Anlass der internationalen Visite und bat darum, von der Gitarre begleitete Schalom-Lieder vortragen zu dürfen. Diese Abwechslung war in der staubigen Umgebung willkommen. Jonathans Abneigung und Zurückhaltung war unbegründet, denn nach den hebräischen Songs, ergaben sich viele freundschaftliche Gespräche zwischen den ausländischen Besuchern und den ihr Leben riskierenden Wehrdienstpflichtigen. Deshalb übte die Truppe das Manöver gleich nochmals ein, an einem weiteren trockenen Sammlungs-Ort. Als der Bus die Rückfahrt hinunter zum See Genezareth antrat, durchquerten die Ausflügler blühende Landwirtschaftsanwesen. „Neben den Apfelplantagen wächst auf dem fruchtbaren, verminten Boden einer der vorzüglichsten Rebsorten“, wusste Einstein. „Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde. Jonathan, kosten wir den Golan-Traubensaft in einer Taverne aus? Udo, mein Opapa hat selbst mit 66 Jahren Spaß daran“, regte Phoebe an. „Freilich, im Wirtshaus da fängt das Leben an. Walter, wo werden wir in dieser verlassenen Landschaft fündig?“, Jonathan erkundigte sich weiter, „ob die 2000 berauschten Säue über den Südosthügel in den See stürzten?“ „Ja, das ist die Gegend der Gerasener, wo Jesus den einst angeketteten Nudisten von seinen Dämonen befreit hat“, tippte der in München promovierte Stein. „Wenn das der bayerische Tierschutzbund erfährt, verbannen die die Kruzifixe aus den öffentlichen Gebäuden in die Justiz-Vollzugsanstalten“, mutmaßte Phoebe. „Da man die in die Schweine fahrende Legion nicht sehen konnte, wäre Jesus aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Die Leute hatten trotzdem soviel Furcht vor ihm, dass sie den Befreier darum baten wegzugehen“, erinnerte sich Silvia.

Der anvisierte, einst heftig umkämpfte Kibbutz von En Gev lud zur Besichtigung der Kuhställe ein. Bei dem Anblick von so viel Fleisch und Milch bot sich die Einkehr in das prämierte Ausflugslokal an, wo sechs fränkische Volontäre Wein und Fisch auftischten. „Wenn ich eine Hochzeitsreise mache, dann nach Kana. Was meinst du Jonathan?“, fragte die künftige Braut, die einen aus sündhaft teuren Barkan Altitude Cabernet Sauvignon und Wasser bestehenden Weinschorle mixte. „Mit dir bin ich immer auf der richtigen Höhe. Zur Eroberung würde ich dich selbst im Golanpanzer von Kanaf ehelichen“, war die Idee des reinen Wein einschenkenden Mundschenks. Die Stimmung stieg. Zum fröhlichen Abschied tanzte und sang die Gesellschaft im Freien ein Hava Nagila. Elisabeth nutzte die glückliche Gelegenheit, um ein paar Taschenbuch-Biographien von Jakob unter die erwachten Kibbutznik-Brüder zu bringen. Ein heftiger Streit mit einem Jeshu – Schwein – rufenden religiösen Papa war die Folge. Laut Israelischem Antimissionsgesetz hätte seine 15-jährige Tochter ein solches Gute-Nachricht-Zeugnis nicht angeboten bekommen haben dürfen. Der handgreifliche Versuch, Damkani dafür zur Rechenschaft zu ziehen scheiterte an Schaul, dem Bus fahrenden Verkehrsminister, der kurzerhand seine Pistole zückte und auf diese Weise die zügige Heimfahrt ermöglichte. So nahm ein weiterer unvergesslicher Tag mit dem abendlichen Bad am Campingplatz ein gutes Ende.

Das folgende Ferienprogramm am tiefstgelegenen Süßwassersee der Erde war einer der Höhepunkte der Reise. Jesus, der Mann aus Galiläa, wählte neben seinen Jüngern, die Seegegend als Zentrum seines Wirkens aus und hinterließ dort in den Evangelien viele seiner Spuren. Der Berg der Seligpreisungen im Norden bot einen herrlichen Blick auf das ruhige Gewässer, dessen auffrischende Winde in der Lage waren, die Wellen gefährlich aufbrechen zu lassen. In dem schönen Garten unterhalb des achteckigen Gotteshauses wurde Jonathan von Jakob eingeladen, eine Andacht über die Bergpredigt zu halten. Die folgende Bibelauslegung handelte von dem radikalen Lebensstil eines Heiligen. Jonathan behauptete, dass jeder Gläubige nicht richtender Pharisäer, sondern mit Christus regierender König und Priester sein soll. Ein wahrer Jünger habe sich an die Forderungen der größten Rede von Jesus zu halten, wenn er den Willen des Himmlischen Vaters tun will. Dann wäre Gott im persönlichen Leben durch sichtbare Zeichen und Wunder erfahrbar. Nach dem anschließenden Abstieg zum Besuch der Brotvermehrungsbasilika in Tabgha, bestaunte der Hobbyfotograf Jonathan das gut erhaltene Mosaik mit dem Brotkorb und Fischen und fragte: „Ulf kannst du mir sagen, warum das nur vier statt fünf Brote sind?“ Der Angela-Berit seine volle Aufmerksamkeit und Sympathie schenkende, eng umschlungene Schwede wusste keine gescheite Antwort: „Klar, wenn du mir erklärst warum Jesus hier einmal viertausend und dann wiederum fünftausend Männer satt gemacht hat.“ Einstein der Zahlenfanatiker subtrahierte: „Ein Brot fehlt, weil die örtliche Versammlung des vierten Jahrhunderts es in der Abendmahlfeier brach. Viertausend ließen sieben Körbe übrig und Fünftausend zwölf Handkörbe Brot. Versteht ihr das nicht?“ „Wenn ich dir zuhöre verstehe ich geistig Arme immer nur Bahnhof!“, diskreditierte Phoebe. „Auch das schwache Geschlecht kann die Symbolik der Gleichnisse verstehen“, bemerkte die selige Silvia, „vier spricht von der Erde und sieben von der Fülle; fünf von Erbarmen und zwölf von Regierungs-Autorität. Für mich will Gott damit sagen, dass er die ganze Menschheit vollständig versorgen kann, wenn seine Nachfolger sich um die Hungernden kümmern. Nahrung ist genug für alle da. Die heute Herrschenden wollen sie nur nicht verteilen.“ „Jetzt wird mir klar warum Jesus betonte, dass die Jünger sich nicht um das Essen sorgen, sondern sich vielmehr vor den durchsäuernden Lehren der Sadduzäer-Teufel hüten sollten“, bekam Elisabeth eine Erleuchtung. Der mit ihr verkehrende Theologiestudent Christoph artikulierte: „So einfach ist es nicht, denn laut der lutherischen Reformation gibt es ein geistliches- und ein weltliches Reich. In der Zwei-Reiche-Lehre des Zwanzigsten Jahrhunderts steht das Evangelium nämlich mit der Sünde im Streit. Wenn wir die Bibel zu wörtlich nehmen, werden wir schnell zu Aufständigen und Ketzern.“ „Das bin ich schon lange in den Augen vieler. Lasst uns die Franziskaner in Kafarnaum besuchen“, gab Jakob die Richtung an. Dem biblische Flüche und Haus des Petrus auf den Grund gehenden Jonathan wurde im zerstörten, ehemaligen Fischerdorf Kapernaum klar, dass wenn der Herr etwas sagt, er es auch tut. Jedenfalls sprechen Chorazin und Bethsaida, die die Werke ihres Erlösers ablehnten und ebenso in Schutt und Asche gelegt wurden, heute noch eine deutliche Sprache.

In dem am Westufer gelegenen Kibbutz Ginosar ergab sich die Möglichkeit der leiblichen Stärkung. Neben dem anschließenden Film über die archäologisch bedeutsame Entdeckung eines 1986 aus dem Schlick geborgenen ca. 2000 Jahre alten Bootes, konnten die original Plankenreste, sowie ein anschaulicher Nachbau besichtigt werden. Ein findiger Museumsprofessor versicherte, Jesus sei nach seiner Verbannung damit weiter über den See gefahren, bis es im Sturm untergegangen ist. Walter Stein empfahl seinem Kollegen vor dem weiteren Dozieren, erst den Wüstenschiff-Schein auf der nahe gelegenen Kamelranch zu machen. Ein Teil der Gruppe ging darauf zum Reiten und der andere lieh sich kleine Boote aus. Der abermals verkitzelte Jonathan erfreute sich im Tretboot an den vom Wasser reflektierten, goldenen Sonnenstrahlen und an seiner anhänglichen Auserwählten. „Ich wünschte mir, ich könnte jede Sekunde mit dir für die Ewigkeit einfrieren“, sinnierte der einhellige Poet. „Ich würde gerne mit dir verschmelzen, stellenweise, diskontinuierlich, aber nicht für immer“, phantasierte die legere, ungebundene Phoebe.

Ein anderes Naturschauspiel bot die stoßweise aufgeführte Multivisionsshow das „Galiläa Experiment“ in einem christlichen Ladenzentrum in Tiberias. Die Schönheit und Artenvielfalt der Natur verdeutlichte darin die Existenz des Schöpfers von Himmel und Erde. Nachdem sich die Touristen mit allerlei nutzbringenden und unbrauchbaren Souvenirs eingedeckt hatten, begaben sie sich ins benachbarte Chinarestaurant. Das reichhaltige Reis-Buffet erinnerte Jonathan mehr an die deutschen Gepflogenheiten, als an seinen dampfgegarten Hongkong-Aufenthalt. Was stand da am Ende auf seinem Glückskeks-Zettel-Zitat? Versäume nicht das kleine Glück, um auf das Große zu warten. In der Nacht betrachtete der schlaflose Fiktions-Star die Sterne. Er überlegte sich, ob seine Wege im kleinen oder großen Wagen vorgezeichnet sind. Was hatte diese Lamborghini-Diablo-Verführerin vorher gesagt? Er würde innerhalb von 24 Stunden auf die ihm vorbestimmte Frau treffen. Da hatte sie sich wohl gründlich mit der Zeit geirrt. Genauso wie Christoph und Ulf, die sich bis in die Morgenstunden mit ihren Partnerinnen unterhielten.

Nach dem Frühstück bekamen die Klatsch-Paare erst einmal einen Rüffel von Jakob Damkani für die Palaver-Ruhe-Störung. Die Freizeit-Teilnehmer hätten dringend Erholung nötig, da in der kommenden Nacht der größte Evangelisationseinsatz bevor stünde. Eine biblische Lehre über Gideons Sieg gegen die Philister folgte. Das Lager wurde abgebrochen. Vergnüglicher gestaltete sich die Nord-Süd-Passage mit dem Ausflugsschiff über den See Genezareth. Jonathan neckte Schätzle auf dem Oberdeck: „Du kannst wohl von Christoph nicht genug bekommen und hältst mit deinem Geplaudere die ganze Sippschaft wach.“ „Du irrst dich, denn ich habe heute Nacht vorgeschlafen. Fischer du hast dir selbst ein Klatschweib geangelt.“ Die griechische Sonnenanbeterin errötete auf dem Oberdeck im Gesicht. Prompt wurde der misstrauische Jonathan auf den grinsenden Verehrer Ziegler eifersüchtig: „Christoph, wir beide sind doch seit dem Schülerkreis und der Englandreise beste Freunde und würden uns nie beklauen, oder?“ „Klar Kumpel. Ich entsinne mich gut an die Romanze mit Helen Richards und deren blümchenhaften Ausgang. Wir beide haben doch den selben Mentor und Lehrer!“, erwiderte der Verbündete. „Jonathan du darfst nicht alles so eng sehen. Dann kommst du viel besser durchs Leben“, erhallte die Phoebe-Philosophie.

Ein schweigsamer Spaziergang von der Bootsanlegestelle, bis zur für den Tourismus erschlossenen Taufstelle Yardenit, schloss sich an. „Die Dinge sind manchmal anders als sie zu sein scheinen“, gab Jonathan verdrossen nach einer Weile weiter. „Richtig, betrachte den kommerziellen Ort hier und vergleiche ihn mit der überlieferten Stelle bei Jericho und Helle kommt ins Dunkel deiner Gedanken“, stimmte Einstein zu. An der braun-grünen Brühe des vorbei fließenden Jordans hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Zweihundert Täuflinge trafen die Entscheidung die Stufen an einem Geländer hinunter zu gehen, damit sie ein amerikanischer Wunder-Prediger nacheinander untertauchen kann. Ein von Fernsehkameras aufgezeichneter Bittgesuch an die Partner des Missionswerks um Spendengelder für kostbare Seelen folgte. Der in Israel gebürtige Teleevangelist warb für seine neuesten Kreuzzüge. „Hilft er mit dem Geld den Witwen und Waisen oder Armen und Bedürftigen?“, fragte Jonathan einen mit Goldketten behangenen Leibwächter. „Of course – selbstverständlich. Sein Wunsch ist einen riesigen Truppenübungsplatz in Indien zu mieten, um die größte Menschenansammlung der Geschichte zu dirigieren. Es gelte nämlich, den Rekord eines Polen auf den Philippinen und den eines Deutschen in Nigeria zu schlagen.“ Die Leute klatschten und jubelten auf Handzeichen für Jesus. „Bekommt denn Christus wirklich die Ehre dafür?“, hakte Jonathan unüberhörbar nach. „Taste nicht den Gesalbten des Herrn an!“, lautete der am Kragen packende, wegweisende Entfernungs-Grund des zwei Zentner Mannes. Fischer hatte sowieso keine Lust, wie die anderen, eine leere Flasche mit dem heiligen Wasser zu füllen und mit nach Hause zu nehmen. Die im jüdischen Shop angebotenen, überteuerten Andenken bereiteten Jonathan genauso wenig Freude, wie das Mittagessen. Der Gefrustete fastete lieber. Der letzte Nachmittag an der Küste des Galiläischen Meers diente ohnehin der Erholung.

Die außergewöhnlichste Verschenkaktivität kündigte sich am Schluss der Freizeit an. Eine nicht endende Anzahl von Fahrzeugen schlängelte sich mit zahlreichen jungen Leuten an der überlasteten Uferstraße entlang. Das Kinnereth-Rock-Festival zog sechstausend einheimische Musikfans in den Bann. Ein großes umzäuntes Gelände direkt am See war die Bühne für mehrere israelische Bands, die von 20.00 – 5.00 Uhr nonstop melodischen Lärm machten. Das Posaunen-Team hatte eine Palette mit Billy Graham Büchern organisiert. Der Titel des in Iwrit – Modernhebräisch – übersetzten Bestsellers lautete „Friede mit Gott“. Bei der Bildung von neuen Zweierteams wollte der gute Jakob ebenfalls für Ruhe und Frieden sorgen, indem er die ihm bekannten Liebespaare trennte. Jonathan bekam Elisabeth, Ulf Phoebe, Christoph Elisheva und Damkani selbst Angela-Berit als Verteil-Partner zugeteilt. Mit einem Matanah-Geschenk–Ausspruch überreichte Schätzle haufenweise Bücher, die häufig im nächsten Mülleimer landeten. Die Freaks waren mehr am dröhnenden Sound als an schöner Belletristik interessiert. Hinzu kam, dass die einheimischen Sicherheitskräfte ebenso wenig Verständnis für die Weitergabe von fremden Informationen zeigten. Immerhin nahmen die Sanitäter eines David-Magen-Adom-Rettungsfahrzeugs dem gekrümmten Jonathan aus Mitleid eine ganze Rucksack-Ladung ab. Elisabeth freute sich hinterher darüber, dass sich nun das ganze Krankenhaus bekehrt, während ihr brummiger Untergebener sich lieber als CVJM-Altpapier-Sammler betätigen wollte. Der erleichterte Spaziergang führte an einem Mädchen vorbei, das so entsetzlich schrie, als ob es vergewaltigt würde. In der Finsternis hatten sie vier Männer umzingelt und machten sich an ihrem Bauchnabel und Armen zu schaffen. Der wagemutige, einschreitende Jonathan vergaß nie den Anblick ihres entsetzten Gesichts. Seine Bemühungen um Hilfeleistung blieben jedoch erfolglos. Die Schmerz empfindliche Jungfer war fest entschlossen, sich simultan piercen und tätowieren zu lassen. Nichts änderte daran ein verkehrsregelnder Polizist, dessen nächste Handlung war, den Deutschen das Bücherverklopfen unter Androhung von Strafe zu verbieten. Die Nacht gestaltete sich in der Tat sehr lange. An einem Geheimdepot füllten die Verteiler ihre Taschen nach und trafen auf Phoebe und Ulf. „Wie geht es euch so?“, wollte Jonathan wissen. „Danke könnte besser sein. Es läuft eher unterkühlt hier“, antwortete der Schwede. Die ermüdete Phoebe flüsterte Jonathan ins Ohr: „Kannst du mir erklären, warum der Priester meine ganze Kindheitsgeschichte wissen will?“ „Vielleicht benötigt er die Daten am Tag deiner Trauung“, schmunzelte ihr Verehrer. Einige der Beteiligten machten es sich, wie die Steinfamilie, in ihren Schlafsäcken am Seeufer gemütlich. Die an einem Brot nagende Schätzle wollte sich andererseits nicht zur Ruhe legen. Die Eifrige nahm ihren schwächelnden Angestellten an der Hand und legte weiter drauf los. Der Kreuzungs-Polizist mit Megaphon rief mehrmals etwas unverständliches zu Elisabeth herüber. Pseudo-Übersetzer Jakob Damkani beobachtete besorgt das Geschehen aus der Nähe, wollte sich aber nicht zu erkennen geben. Schließlich fragte der Ordnungshüter Jonathan auf Englisch was sie wieder anstellen. Ein Buch in der Hand haltend antwortete Schätzle zuerst: „Wir heben die weggeworfenen Abfälle auf!“ Damit hatte die ihrer Festnahme entgehende Verursacherin nicht einmal unrecht. Jonathan bewunderte die spontane Elisabeth für ihre Entschlossenheit. Nach diesem Vorfall beschloss Jakob, eine Pause bis zum Ende des Rock-Festivals einzulegen. Mit den ersten Sonnenstrahlen am Morgen strömten die Besucher zurück zu ihren Fahrzeugen. Dies bot die Chance, die großen Restbestände trotz allem an den Mann und die Frau zu bringen. Fischer und Schätzle fassten sich an den Händen, schlossen ihre Augen und baten den Herrn der ganzen Schöpfung um sein Eingreifen. Plötzlich kam unerwartete Hilfe von ungeahnter Seite. Ein schwarz gekleideter Rabbi mit der typischen Lockenpracht ließ sich mitverwickeln. Der Übergeistliche stellte sich auf ein Podest, wedelte mit der verführerischen Missionsschrift und warnte schreiend die vorbei Laufenden davor sie anzunehmen oder gar zu lesen. Gerade das machte die größtenteils säkularen Israelis, die sich von ihrem religiösen Establishement nichts vorschreiben lassen wollten, besonders neugierig. So fand die abgestandene Ware in Rekordgeschwindigkeit reisenden Absatz.

Nach diesem erfolgreichen Kampf freuten sich die erschöpften Teilnehmer ebenfalls die Heimreise antreten zu dürfen. Die Jesreelebene durchquerend wollte Gouderner unbedingt die Felsen von Nazaret und den Berg der Verklärung besichtigen. Der messianische Jude Jakob hatte nicht die Absicht einen Verkündigungs-Krieg mit den Groß-Moscheen verbreiteten Arabern in der Heimatstadt von Josef, Ehemann der Maria, zu entfachen. Der Schlachtplatz von Armageddon in der Ebene von Megiddo bot im Moment ein friedlicheres Ziel. Von Weitem konnte man den anvisierten markanten grünen Gebirgsrücken des abgesonderten Tabors sehen. Wie überall, wo sich etwas Besonderes in biblischen Zeiten abgespielt hatte, wurden Kirchen, an der Stelle erbaut. Die 588 Meter hohe Anhöhe diente im Altertum dafür, fremde Götter wie den Baal anzubeten. Ulf erklärte auf dem Aussichtsturm der Verklärungsbasilika, dass laut der Überlieferung im Buch der Richter die Heldin Deborah diesem Brauchtum den Gar ausgemacht hat. Das brachte mehr Sympathien bei Phoebe, die ihm nicht traute, ein. Sie stellte fest: „Siehst du Jonathan, wir Frauen sind halt doch mutiger!“ „Meine Vision ist es falsche Propheten zu enttarnen, sowie Zauberer und Hexen im Leib Christi offenbar zu machen!“ „Meinst du eine Reinkarnation von Elia zu sein? Für mich klingt das größenwahnsinnig.“ „Gott hat mir aber in einem Traum in England gezeigt, dass ich Manipulation, Herrschsucht und Eifersucht offenbar mache und sogar eine kommende Einheit in den Kirchen beobachten werde.“ Das war für die Ungläubige des Guten zu viel. Nicht so für den relativierenden Einstein und die Schriftstellerin Ekman, die sich bei der Weiterfahrt viele Details von Fischer erklären ließen und aufschrieben.

Die letzte Nacht in Israel verbrachten die Fernreisenden wieder auf der 1000 Sterne Veranda in Jaffa. Jonathan war todmüde. So nahm er gar nicht wahr, wie der neben ihm Stellung beziehende Christoph sich heimlich mit einer Oberschläferin auf die benachbarte Missionars-Ruhestätte verzog. Dafür gab es vor der Abfahrt zum Flughafen die letzte väterliche Ermahnung von Jakob. Er hätte etwas mehr Respekt vor der Totenruhe im Vollmondschein erwartet. In christlichen Kreisen sollte es selbstverständlich sein, dass man sich auf Friedhöfen anständig benimmt. Die angesprochenen Schattengestalten wüssten genau wer gemeint ist.

Seltsamerweise gab Schätzle in der Flughafenhalle dem mit Arkia fliegenden Christoph ihre Kette und den Freundschaftsring zurück. Jonathan verstand die Welt nicht mehr und fragte: „Sag mal, du scheinst dich sogar gut dabei zu fühlen, dass Elisabeth Schluss mit dir macht. Wie kommt das Christoph?“ „Ich habe dir vor dem Hinflug bezeugt, dass in Israel ein besonderes Geschenk auf mich wartet. Gestern habe ich es wirklich bekommen!“, verabschiedete sich Ziegler weiter in Rätseln.

Die schönste Überraschung für Jonathan beim Swiss-Rückflug war, dass er in der Mitte von Phoebe und Elisabeth sitzen durfte. Eine Schweizer Reisegesellschaft mit zahlreichen Kindern löste das nächste Erstaunen aus. Julia Rüger nahm in der Mittelreihe vor Jonathan Platz. „Das gibt es ja nicht, dass wir uns hier treffen. Ohne sie würde ich nicht im Flugzeug sitzen“, bedankte sich Fischer bei der Verwaltungsfachangestellten. „Zufälle gibt es immer wieder im Leben. Wie hat dir der Aufenthalt gefallen Elisabeth?“, fragte Rüger. „Danke, geht so Julia“, war die knappe Antwort. „Was, ihr kennt euch. Wie kommt denn das?“, befremdete sich Jonathan. „Klar wir wuchsen von klein auf zusammen auf. Schließlich sind wir gleichaltrige Cousinen“, erklärte Julia. „Ich bitte um Ruhe. Meine Kolleginnen haben Aufmerksamkeit und Respekt verdient, Freunde“, bat Phoebe die Flugbegleiterin, während routinemäßig die Sicherheitsanweisungen mit den Schwimmwesten aufgezeigt wurden.

Als nach dem erfolgreichen Aufstieg in den Himmel die Gurte abgelegt werden durften, drehte sich Julia Rüger abermals um und sprach: „Jonathan, ich darf doch du sagen. Bei deinem letzten Amtsbesuch blieb kaum Zeit zur Unterhaltung. Darum habe ich dir nicht verraten, dass ich dich gut kenne.“ „Jetzt gib mal keine vertraulichen Informationen von mir preis“, zeigte sich Schätzle besorgt. „Das habe ich nicht nötig, weil ich eine neue Quelle der Berichterstattung gefunden habe“, behauptete Julia bewusst, „ihr vier Turteltauben seid laut meinem unkontrollierbaren Ruf ziemlich kompliziert und unentschlossen.“ „So und warum vier?“, wollte Phoebe wissen. „Ist es nicht so, dass Phoebe mit Christoph, Christoph mit Elisabeth, Elisabeth mit Jonathan und Jonathan mit Phoebe anbandeln wollten? Das Zwitschern die Spatzen längst von den Dächern“, gab Julia bekannt.

So liebe Leserinnen und Leser, jetzt müsste jedem klar sein wer wen heiratet, oder??? Nach dem längsten Kapitel der Story „die Lebensfiktion des Jonathan Fischer“ meinen die Autoren, eine Ruhepause verdient zu haben. Die spätere Auflösung wäre spannend und würde zusätzlich die Phantasie anregen. Hilfreich oder nicht könnte dabei das Betrachten des analogen echten Hochzeitsfotos auf www.JonathanFischer.eu oder des Umschlags eines der 40 Roman-Exemplare sein. Also gut, weil Heiraten so schön und romantisch ist nehmen die weiteren Verwicklungen folgenden Verlauf:

Elisabeth vergoss Tränen, Phoebe war sprachlos und Jonathan dachte nach. Auf einen Schlag machte es klick in seinem Gehirn. Ein Film spulte sich in seinem Innern ab. Vor Jahren hatte er gebetet, eine starke Schachspielerin zu bekommen. Immer wieder scheiterten seine Beziehungen mit Frauen, die dieses Kriterium nicht erfüllten. Auf Charlies Hausdach bekam er ein Gesicht der Silhouette, und in den Sinai-Bergen hörte er sogar die Stimme seiner Erflehten. Niemand schluchzt und weint so wie seine Vorgesetzte Schätzle, die ihr männliches Vorbild im gemeinsamen Hobby, Beruf und Glauben bestens verstand. Wie konnte er nur so blind sein. „Elisabeth Schätzle, möchtest du mich heiraten?“ „Ja du Esel!“

Phoebe organisierte aus der ersten Klasse vier Gläser Sekt. Beim Anstoßen wollte die erleichterte Stewardess von Julia wissen, woher sie wusste, dass sie mit Christoph eine Beziehung angefangen hat. „Dein Zukünftiger telefoniert öfters mit meinem Zukünftigen, mit dem ich öfters telefoniere“, erläuterte Rüger und fuhr fort, „ich habe Markus Ruf über den Feuerflamme Internet Chat kennengelernt und mit ihm in der christlichen Disco in Reutlingen getanzt. Seit dem ist der beste Freund und Gebetspartner von Christoph auch mein bester Freund und Vertrauter. Der neben Rüger sitzende Schweizer Pastor schaltete sich ein: Bevor ihr weitere sündhafte Interna ausplaudert, könnt ihr mir vielleicht erklären welcher Israelreisender sich mit wem verloben will?“ Schätzle zählte auf: „Ich verlobe mich heute mit Jonathan, dann Phoebe mit Christoph, Julia mit Markus, Angela-Berit mit Ulf und Elisheva mit Jakob, klar?“ „Klar, da ist ein großer Kindersegen zu erwarten. Ich empfehle zur besseren Vorbereitung einen Eheberatungskurs und schenke jedem zur Hochzeit mein Buch über das harmonische Familienleben“, neckte lächelnd Ivo.

Beim Zwischenstop in Zürich fanden Jonathan und Elisabeth die passenden Ringe um die Überraschung am Stuttgarter Flughafen bei der wartenden Verwandtschaft perfekt zu machen. Die Hochzeitsglocken läuteten acht Monate später. Die Trauung von Elisabeth Schätzle und Jonathan Fischer führten Georg Müller und Ulf Gouderner in der Filharmonie in Filderstadt gemeinsam als Doppelvermählung mit Julia Rüger und Markus Ruf durch. Da die erdachte Geschichte sich in den guten alten DM-Zeiten abspielte, sei verraten, dass das Euro-Banker-Ehepaar inzwischen die drei erwünschten Glückskinder bekommen hat.

Wer aus Dankbarkeit für die amüsante Gratisstory gerne unser Hilfsprojekt für die Philippinen unterstützen möchte, dem sei der Besuch von filipino-german-mission.de empfohlen.